Von Nicola Scharpf

ASPACH. Nach Monaten des Lockdowns ist Andrea Berg am Freitagabend auf die Bühne zurückgekehrt. Ihr erstes von vier besonderen Heimspielen in der Arena im Fautenhau (weitere Termine am 16., 17. und 24. Juli) ist für die Schlagersängerin, für die 2000 Konzertbesucher, für die Veranstalter von kulturellen Großevents ein „Schritt zurück zur Normalität“, so Thomas Deters, Geschäftsführer der veranstaltenden AFM Consulting. Zugleich ist die Show der Beginn eines Modellversuchs des Rems-Murr-Kreises, der untersucht, wie sich Großevents in Pandemiezeiten umsetzen lassen. Dementsprechend stehen die Konzertbesucher und ihr Verhalten unter besonderer Beobachtung: Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet, Landrat Richard Siegel und Aspachs Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff machen sich vor Ort ein Bild vom Geschehen. Der Laune der Gäste tun Regeln, Registrierungen, Umfragen offenbar keinen Abbruch. „Corona war zwei Stunden lang aus meinem Kopf draußen. Ich habe daran überhaupt nicht gedacht“, sagt ein Vertreter des Fanklubs Krefeld nach Konzertende. Die Worte von jemandem, der sich als Versuchskaninchen fühlt, sind das nicht.

Strohballen, Schlepper und US-Oldtimer grenzen das Konzertgelände ein.

Früher hat es bei Konzerten nur Ticket- und Taschenkontrollen gegeben. Beim besonderen Heimspiel müssen die Besucher am Einlass zunächst nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder negativ getestet sind. 70 Gäste nehmen die mobile Testmöglichkeit in Anspruch, die das Deutsche Rote Kreuz vor Ort anbietet. Es gibt keine Probe mit positivem Ergebnis. Beim Eingang, an der Essensausgabe und beim Besuch der Sanitäranlagen ist das Tragen einer Maske erforderlich. Viele haben ihre Mund-Nasen-Bedeckungen vor Konzertbeginn aber auch außerhalb dieser Bereiche auf. Thomas Deters ist voll des Lobes ob der Disziplin und Vernunft der Fans. Damit sich die 2000 Menschen in der Fußballarena nicht völlig verlieren, ist das Konzertgelände eingegrenzt: Bestuhlt ist nur innerhalb des Strafraums, nur ein Teil der Tribüne ist geöffnet. Die Gäste haben die Wahl, ob sie sich an einen der Tische mit jeweils vier Stühlen setzen oder Plätze auf der Tribüne bevorzugen. Genutzt wird beides ab Einlassbeginn gleichermaßen. Wobei ein Abschnitt der Tribüne nahezu leer bleibt. Hier könnte man komplett isoliert sitzen – wenn man es wollte. Die Eintrittskarten sind zwar alle personalisiert, die Kontaktdaten der Gäste also vorhanden. Dennoch werden die Konzertbesucher gebeten, sich mittels QR-Code, der an jedem Platz angebracht ist, über die Luca-App einzuchecken. Gebeten werden sie außerdem, sich mittels eines weiteren QR-Codes an einer anonymen Umfrage dazu zu beteiligen, wie trotz Pandemie ein Kulturgenuss sicher ermöglicht werden kann.

Ziel dieses Konzerts und der Folgeveranstaltungen in der Arena ist, im Rahmen des Modellversuchs zu ermitteln, wie sich die Gäste zum Beispiel verhalten, wie viele sich über die Luca-App anmelden, wie sie den Konzertbesuch empfinden, wie sicher sie sich vor einer Ansteckung mit Covid-19 fühlen. Es ist ein Abwägen zwischen Kann und Muss, zwischen dem Setzen auf das freiwillige Einhalten der Vorgaben und dem Durchsetzen von Regeln, zwischen der Achtsamkeit der Konzertgäste und dem Nachsteuern durch Ordner, zwischen Unbeschwertheit und coronakonformer Disziplin. Bevor Andrea Berg die Bühne betritt, wendet sich der Landrat ans Publikum: „Wir müssen alle ein bisschen Abstand halten, das ist uns wichtig.“

Als die Schlagersängerin performt, ihre Fans längst der Aufforderung „Steh auf und tanz“ gefolgt sind, längst textsicher mitsingen, sich längst paarweise Titel um Titel im Discofox drehen, stellt Bürgermeisterin Welte-Hauff fest: „Ein Stück Leben muss man zulassen.“ Die Vorsitzenden eines Göttinger Fanklubs, David Wiesner und Conny Krause, meinen: „Das ist relativ schwer zu kontrollieren, weil wir alle so ausgehungert nach Livekonzerten von Andrea Berg sind.“

Die Ordnungshüter seien schon auch mal eingeschritten, sagt Thomas Deters nach Konzertende. Wer darauf geachtet hat, konnte am Rande des Stadions auch Uniformierte wahrnehmen, die das Einhalten des Betretungs- und Aufenthaltsverbots kontrollierten, das die Gemeinde für den Bereich rund um die Arena erlassen hatte, um Ansammlungen von Zaungästen zu verhindern. Das DRK, für die sanitätsdienstliche Absicherung zuständig, spricht von einem „ruhigen Einsatz“. Und Andrea Berg auf der Bühne? „Wir werden ja wissenschaftlich begleitet. Hier läuft irgendwo so ein Professor rum“, wendet sie sich zu Beginn ans Publikum, um am Ende der Show zu fragen: „Herr Professor, wir waren gut, ne?“ Ob sich der persönliche Eindruck und die tatsächliche Auswertung des Modellversuchs decken, wird sich zeigen.