Taskforce will Windradbau beflügeln
Auch mehr Fotovoltaikanlagen auf Freiflächen sollen im Rems-Murr-Kreis entstehen. Die neue Fachgruppe im Landratsamt macht sich nun daran, die Genehmigungsverfahren im Bereich erneuerbare Energien möglichst auf einen schnelleren Ausbau hin zu optimieren.
Von Bernhard Romanowski
Rems-Murr. Der Ausbau der sogenannten erneuerbaren Energien ist im Rems-Murr-Kreis wahrlich kein neues Thema. Doch die Dringlichkeit, mit der nun die Notwendigkeit von mehr Windrädern und Fotovoltaikanlagen in den politischen Gremien vorgetragen wird, hat schon eine neue Qualität. Das war nun auch im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Rems-Murr-Kreistags zu spüren, der am Montag in Waiblingen tagte. Dort wurde das Konzept einer Taskforce erläutert, die nun aufgestellt wird, um diesen Ausbau im Kreisgebiet zu begleiten und, wo es geht, zu befördern.
Aus ökologischen, aber eben auch aus volkswirtschaftlichen Gründen sei es dringend geboten, den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland zu beschleunigen, teilte die Landkreisverwaltung den Ausschussmitgliedern mit. Mit dem Begriff „volkswirtschaftlich“ wird hier auf Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas referiert. Gemäß einem Eckpunktepapier der Bundesregierung vom 6. April zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes soll die inländische Stromerzeugung bereits bis zum Jahr 2035 nahezu treibhausneutral sein, wie es Jochen Schäufele vom Amt für Umweltschutz des Kreises schilderte. „Hierbei kommt den Landkreisen eine Schlüsselrolle zu, da diese häufig zuständige Genehmigungsbehörde und Träger öffentlicher Belange, insbesondere für die Bereiche Baurecht, Umweltschutz und Landwirtschaft sind“, so Schäufele auch mit Blick auf den Appell der Landesregierung vom 24. Februar an die Land- und Stadtkreise, sie mögen die Energiewende mutiger, konsequenter und schneller umsetzen.
Das Landratsamt Rems-Murr will dem entsprechen: Zum einen sollen die internen Verwaltungsprozesse optimiert werden, um die Bauverfahren von Windkraft- und Solaranlagen zu verkürzen. Zum anderen soll die Information und Kommunikation zwischen Verwaltung und den Planungsträgern verbessert werden. „Insbesondere eine frühzeitige und gut funktionierende Kommunikation ist maßgeblich dafür, dass mögliche Konflikte mit anderen öffentlichen Belangen vorausschauend vermieden oder minimiert werden können“, so Schäufele: „Die Verwaltung ist überzeugt, dass nur so eine Beschleunigung bei der Genehmigung von Freiflächenfotovoltaik und Windkraft auf Landkreisebene erreicht werden kann.“
Zur Umsetzung dieser Strategie wurde im Dezernat für Bauen, Umwelt und Infrastruktur die Taskforce erneuerbare Energien installiert. Diese untergliedert sich in die Bereiche Windkraft und Freiflächenfotovoltaik. In beiden Bereichen sind die Projekte zur Errichtung der Anlagen immer mit umfangreichen Planungen und Genehmigungsverfahren verbunden, die Rahmenbedingungen unterscheiden sich aber stark.
Im Rems-Murr-Kreis sind rund 12550 Hektar für Fotovoltaik geeignet.
Für die Errichtung von Windkraftanlagen bedarf es einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Zuständige Behörde hierfür ist das Landratsamt als untere Immissionsschutzbehörde. Bisher gilt noch der Beschluss der Regionalversammlung des Verbands Region Stuttgart, wonach im Rems-Murr-Kreis 18 Vorranggebiete für Windkraftanlagen vorgesehen sind. Aufgrund des neuen Windatlasses von 2019 haben sich jedoch Änderungen ergeben, die bislang noch nicht berücksichtigt worden sind, wie man im Landratsamt weiß. Es sei damit zu rechnen, dass die Regionalversammlung demnächst reagiert und die Errichtung von Windkraftanlagen erleichtert.
Freiflächenfotovoltaikanlagen gelten nicht als privilegierte Vorhaben im Außenbereich. Folglich ist grundsätzlich die Aufstellung eines Bebauungsplanes und gegebenenfalls einer Änderung des Flächennutzungsplanes notwendig. Zuständig hierfür sind die Kommunen als kommunale Planungsträger. Bei Standorten innerhalb eines Landschaftsschutzgebietes bedarf es zudem zwingend einer Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung. Für dieses separate Verfahren ist die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt zuständig.
Für den Rems-Murr-Kreis sind nach einer Untersuchung des Landes derzeit rund 12550 Hektar theoretisch für Freiflächenfotovoltaikanlagen geeignet, wobei sich davon rund 8970 Hektar innerhalb von sogenannten weichen Restriktionsflächen befinden wie zum Beispiel Landschafts- und Wasserschutzschutzgebieten. Sie sind nur unter Vorbehalten geeignet. Die Taskforce wird zukünftig die aktuellen Projekte in den Bereichen Windkraft und Fotovoltaik im Rems-Murr-Kreis mit dem jeweiligen Status quo in einem regelmäßigen Bericht zusammenstellen, und zwar als Überblick für die Kommunen und als Info für den Umwelt- und Verkehrsausschuss. Später sollen auch Leitfäden und Handlungsanweisungen mit Hintergrundinformationen übersichtlich und tagesaktuell auf der Homepage des Landratsamts einsehbar sein. Auch von einem Arbeitspapier mit Checkliste ist die Rede. Das Papier soll Kommunen wie auch Investoren dabei helfen, geeignete unkritische Standorte für Solaranlagen auf der freien Fläche zu finden, wo kein Konflikt etwa mit Bürgern droht. Jeweils eine Vertretung der Kommunen und Großen Kreisstädte und Verwaltungsgemeinschaften wird in die Arbeit der Taskforce eingebunden.
Dramatik „Früher wurden wir bei dem Thema als Ökofaschisten beschimpft. Wir könnten schon zehn Jahre weiter sein. Jetzt brauchen wir eine dramatische Veränderung“, stellte Klaus Riedl (SPD) im Ausschuss fest und bedauerte, dass nun ein Krieg für Dringlichkeit beim dem Thema sorge.
Topografie Jochen Haußmann (FDP-FW) sprach sich dafür aus, die Taskforce möge auch Geothermie oder Biomassenutzung in den Blick nehmen, da es mit der Effizienz von Windkraft im Rems-Murr-Kreis aus topografischen Gründen nicht so gut aussehe. Haußmann: „Außerdem sind wir ja Innovationstreiber beim Grünen Wasserstoff.“
Flächenverlust Hermann Beutel (CDU) fürchtet um den Verlust wertvoller landwirtschaftlicher Flächen und bezweifelte im Goldboden die Nennleistung der Anlage im Windpark Goldboden-Winterbach. Beutel: „Die Landschaft zieht hier den Kürzeren.“
Vorgaben Landrat Richard Sigel sieht Land und Bund in der Pflicht, die rechtlichen Vorgaben zu überprüfen, anhand derer die Genehmigungsbehörden dann ihre Entscheidungen treffen. Sigel: „Wir brauchen einen klaren Rahmen, sonst dauert das Jahre. Und die Zeit haben wir nicht.“