Taxifahrt endet im Polizeigewahrsam

Polizei kümmert sich um renitenten Fahrgast – Verteidiger: Weigerung des Taxifahrers verstößt gegen Beförderungsgesetz

Symbolfoto: Fotolia/R. Tavani

© Romolo Tavani

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Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Hätte der Fahrgast im Juni vergangenen Jahres die S-Bahn genommen, wäre ihn die Fahrt deutlich günstiger gekommen. So aber nimmt er das Taxi. Kurz vor 23 Uhr. Aber aus der Fahrt wird nichts. Das heißt: Stunden später findet sich der 57-jährige Fahrgast aus Backnang, von Beruf Lackierer, auf dem Polizeiposten in Backnang wieder. Mit der ganzen Sache hatte er sich eine Anklage wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, versuchter Körperverletzung und Beleidigung eingehandelt.

Das kam so: Im Taxi sitzend weiß der 57-Jährige noch nicht, was er mit dem zu Ende gehenden Tag anfangen soll. Er beauftragt den Taxifahrer, erst mal Richtung Spritnase loszufahren. Auf dem Weg dorthin kommt ihm dann die Idee, in Stuttgart sein Glück zu versuchen. Dem Taxifahrer kommt das merkwürdig vor. Zudem nimmt er wahr, dass sein Fahrgast etwas getrunken hat.

Ferner hat er einen Anschlussauftrag, den er keinesfalls versäumen will. Am Ende der Stuttgarter Straße hält er an der Agip-Tankstelle an und verlangt von seinem Fahrgast Vorkasse. Zugegeben: Das ist unüblich bei Taxifahrten. Leider kann der Chauffeur mit diesem Ansinnen bei seinem Fahrgast nicht landen. Der verweigert die Zahlung. Daraufhin erklärt der Fahrer die Fahrt für beendet und fordert von seinem Gast die aufgelaufenen 10,60 Euro für die bisher zurückgelegte Strecke. Der aber beharrt auf seinem Traumziel Stuttgart. Weil keine Einigung erzielt wird, ruft der Taxifahrer nach Rücksprache mit seinem Chef die Polizei. Die 26-jährige Polizistin, die daraufhin an den Fahrgast appelliert, nimmt dieser nicht ernst. Ob denn die Polizei keine „Erwachsenenstreife“ hätte. Da Worte nicht helfen, kündigt die Beamtin Gewaltanwendung an. Zwei Schläge gegen die Rippen richten nichts aus.

Auch das Pfefferspray, das dann mit Ansage zum Einsatz kommt, bringt den Fahrgast nicht zur Einsicht. Der Fahrgast presst seine Beine gegen das Armaturenbrett, mit den Armen stemmt er sich gegen den Wagenhimmel. Die Beamtin und ihr Praktikant fordern über Funk Unterstützung. Zwei kräftige Polizeikollegen treffen ein. Erneut wird versucht, den Fahrgast mit Worten zur Einsicht zu bringen. Vergeblich.

Polizisten müssen Beleidigungen einstecken

Wieder kündigen die Beamten härtere Maßnahmen an. „Ist das alles, was ihr könnt?“, schallt es spöttisch aus dem Wageninneren. Als dann schließlich drei Polizeiherren unter Aufbietung all ihrer Kräfte zulangen, gelingt es ihnen, den Fahrgast aus dem Taxi zu holen. Doch dessen Widerstand lässt nicht nach. Körpereinsatz der drei Beamten ist erforderlich, dem Widerspenstigen Handschellen anzulegen. Keine Freundlichkeiten dürfen sich die Polizisten auf der Fahrt zum Revier anhören: „Du Arschloch, wenn ich nicht gefesselt wäre, würde ich dir das Gesicht einschlagen.“ Dass die ganze Aktion bei dem renitenten Fahrgast nicht ohne Blessuren abging, versteht sich von selbst.

Verteidiger prangert Nachlässigkeit an

Noch bevor die Richterin den Angeklagten zu seiner Schilderung des Geschehens auffordert, stellt sein Verteidiger einen Beweisantrag. Die Aufzeichnungen der Überwachungskamera der Tankstelle sollen als Beweismittel begutachtet werden. Doch diese gibt es nicht. Noch in der Tatnacht hatten die Beamten die Herausgabe der Aufnahmen gefordert. Das Tankstellenpersonal in der Tatnacht beruft sich auf den Chef. Dieser ist erst wieder in ein paar Tagen zur Stelle. Die Polizei hakt nicht schnell genug nach. Es vergehen mehr als drei Tage. Und nur drei Tage lang werden die Aufnahmen gespeichert. Den Verteidiger wurmt diese Nachlässigkeit der Strafverfolgungsorgane.

Der Angeklagte, der Fahrgast, schildert den Vorfall vor Gericht in etwas anderen Farben. Ja, er sei nicht ausgestiegen. Die Gewaltanwendungen der Polizisten aber seien ohne Vorankündigung geschehen. Tage nach dem Vorfall habe er sich telefonisch bei der Polizei entschuldigt. Und schließlich habe er seinerseits eine Anzeige gegen die Polizisten wegen der zugefügten Verletzungen (Prellungen, Abschürfungen) unterlassen. Nochmals einer Sachbearbeiterin der Polizei den ganzen Vorfall zu schildern, kam für ihn trotz Bitte der Beamtin nicht infrage. Drei von vier beteiligten Beamten sagen vor Gericht aus. Durch ihre Aussagen ergeben sich keine gravierenden Abweichungen zu dem geschilderten Ablauf. Insbesondere die Verweigerungshaltung des Angeklagten bestätigt sich. Er lehnt einen Atemalkoholtest ab, lässt sich, beim Polizeirevier angekommen, von den Beamten nach innen tragen, ein Telefongespräch mit dem diensthabenden Richter wegen seiner Ingewahrsamnahme will er nicht führen. Die Befragung des involvierten Taxifahrers bleibt unvollständig, da seine Deutschkenntnisse unzureichend sind.

Und im Übrigen ist der Verteidiger des Angeklagten ganz anderer Ansicht. Spitzfindig befragt er die aussagenden Polizisten nach Paragraf 22 des Beförderungsgesetzes. Mit dem Einsteigen in ein Taxi komme ein Beförderungsvertrag zustande, den insbesondere auch der Taxifahrer hätte erfüllen müssen. Die Polizei habe in der Sache zu Unrecht eingegriffen. Es hätte sich hier um eine zivilrechtliche Auseinandersetzung gehandelt, bei der die Polizei unzulässigerweise einseitig Partei ergriff.

Die Richterin hört es. Der Verteidiger hat einen Anschlusstermin, zu dem er schnellstens aufbrechen muss. Und der Taxifahrer ist mithilfe eines Dolmetschers erneut zu vernehmen. Fortsetzung folgt. Am 22. Juli.

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Erstellt:
10. Juli 2019, 06:00 Uhr

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