Tierische Rasenmäääääher

19 Burenziegen sorgen in Sachsenweiler für den Erhalt der Kulturlandschaft – Öffentlich-private Kooperation

Sie sind neugierig, fressen sehr gerne Brombeersträucher und tragen allein dadurch schon zum Erhalt der Kulturlandschaft und dem Schutz von Flora und Fauna bei: Burenziegen. In Sachsenweiler werden sie im Auftrag der Stadt eingesetzt und erfüllen ihre Aufgabe besser als jeder Rasenmäher.

Leckerlis gibt es, weil die Presse heute da ist und die Ziegendamen einen Anreiz brauchen, um bei dem nassen Wetter vor die Linse zu kommen. Sonst haben sie mehr als genug Futter auf dem Hang, den sie beweiden – beispielsweise Brombeergestrüpp, für die Ziegen eine echte Delikatesse.

© Jörg Fiedler

Leckerlis gibt es, weil die Presse heute da ist und die Ziegendamen einen Anreiz brauchen, um bei dem nassen Wetter vor die Linse zu kommen. Sonst haben sie mehr als genug Futter auf dem Hang, den sie beweiden – beispielsweise Brombeergestrüpp, für die Ziegen eine echte Delikatesse.

Von Silke Latzel

BACKNANG. Seit etwa vier Wochen sind Jack und seine Damen in Sachsenweiler. Heute sind sie nicht so aktiv wie sonst – kein Wunder, es regnet schon den ganzen Tag und da haben sie einfach keine große Lust, sich auf dem Gelände zu tummeln. Die 19 Burenziegen sind derzeit im Auftrag der Stadt Backnang auf einem Hang unterwegs. Der „Chef“ der Herde und seine Damen sind dabei nicht nur einfach schön anzusehen, sondern erfüllen tatsächlich eine wichtige Aufgabe: Sie schützen Flora und Fauna und tragen zum Erhalt der Kulturlandschaft bei.

Konzeptioniert wurde das Projekt bereits vor einigen Jahren. Die Stadt Backnang wurde im Jahr 2016 als eine von vier Kommunen für das landesweite Modellprojekt „Umsetzung des Biotopverbunds im Offenland“ ausgewählt. „Und während der Umsetzung hat man dabei das große Potenzial bemerkt“, erklärt Edith Reihle, die zuständige Sachbearbeiterin im Stadtplanungsamt. So bieten die Flächen in Sachsenweiler Heimat für viele Tierarten, darunter auch seltene oder gefährdete. „Wir haben hier beispielsweise Schlingnattern gefunden“, so Reihle. „Diese brauchen als Lebensraum trockene Böschungen und offene Räume.“

„Ziegen sind sehr neugierig, robust und schlau“

An dieser Stelle kommen dann Ziegen und Nattern zusammen. Die Ziegen lieben Gestrüpp und Wildwuchs und sorgen auf natürliche Weise dafür, dass die Nattern sich wohlfühlen. Wie? Ganz einfach indem sie das tun, was sie gut können und gerne machen: fressen und das Gestrüpp lichten. Dabei sind sie viel kostengünstiger als ein Mensch – egal ob mit oder ohne Rasenmäher. Und sie lassen viel mehr stehen, fressen nicht alles bis zum Boden ab. Gut für alle Tiere, die diesen Bereich ihre Heimat nennen.

Eine „sehr wichtige und gelungene öffentlich-private Kooperation“ nennt Tobias Großmann, Leiter des Stadtplanungsamts, das Projekt. „Solche Maßnahmen sind wie Trittsteine, die die verschiedenen Biotope miteinander verbinden. Und es werden wichtige Lebensräume erhalten.“ Die Ziegen selbst gehören nicht der Kommune, sondern Thomas Dreher. Das „menschliche Oberhaupt“ der Herde lebt in Weissach-Cottenweiler und fährt zweimal am Tag nach Sachsenweiler, um nach seinen Tieren zu schauen. In seinem Besitz befinden sich noch zwei weitere Herden mit etwa derselben Anzahl Tiere. Sie sind ebenfalls in der Landschaftpflege aktiv, allerdings auf privaten Flächen.

Die Ziegenhaltung und vor allem die Beweidung sind quasi sein Hobby, erzählt er. „Finanziell gesehen lohnt es sich gar nicht“, sagt er. Das ist auch einer der Gründe, wieso nicht noch mehr Ziegen in der Landschaftspflege eingesetzt werden, sind alle Beteiligten sich einig. Die Kommune finanziert die Ziegen über ihr Ökopunkte-Konto. Ein Erfolgsfaktor für die Zusammenarbeit ist vor allem, dass die Stadt Backnang die Finanzierung des Zauns übernimmt, der das rund 0,75 Hektar große Ziegengebiet eingrenzt Dieser ist in der Anschaffung nicht gerade kostengünstig, denn „Ziegen sind sehr neugierig, robust und schlau, sie nutzen jede Gelegenheit, um auszubüchsen“, so Dreher – es braucht also auf jeden Fall Strom, sonst hüpfen Jack und Co. einfach über den Zaun und sind weg. Anderseits werden die Ziegen so aber auch vor Einflüssen von außen geschützt, etwa vor Hunden, die in das Gehege springen und den Tieren zusetzen.

Dreher und sein Kollege Werner Fuchs aus Sachsenweiler sind Experten in Sachen Ziegen. Auch Fuchs hält die flinken Tiere, hat allerdings „nur“ vier. „Die könnten das hier gar nicht bewältigen“, sagt er. Trotzdem unterstützt auch er das Projekt mit ganzem Herzen. Dreher und Fuchs haben nichts dagegen, wenn die Ziegen von Spaziergängern besucht werden – und das passiert oft, denn Tierhaltung im offenen Land sieht man heute nur noch selten. Nur eins sollte vermieden werden: „Bitte die Tiere nicht füttern“, sagt Dreher. „Sie haben hier mehr als genug zu fressen.“ Der Schaden, den man den Tieren durch die falsche Nahrung zufügen kann, sei einfach zu groß.

Jack und die Damen – die übrigens fast alle auch Namen haben – bleiben noch rund 14 Tage in Sachsenweiler, dann dürfen sie erst einmal anderswo ihren Dienst tun, bevor sie im Herbst wiederkommen. „Das Projekt kann sicherlich noch einige Jahre weitergeführt werden“, so Fuchs. „Würden wir in den kommenden Jahren hier nicht weitermachen, würde alles wieder zuwachsen und bewalden.“

Für Jack und Co. gibt es in Sachsenweiler genug zu fressen für die kommenden Jahre und das direkt vor der „Haustür“ beziehungsweise dem mobilen Stall (ganz rechts im Bild). Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Für Jack und Co. gibt es in Sachsenweiler genug zu fressen für die kommenden Jahre und das direkt vor der „Haustür“ beziehungsweise dem mobilen Stall (ganz rechts im Bild). Fotos: J. Fiedler

Info
Ziegen und Schafe

Ziegen eignen sich insbesondere zur Landschaftspflege auf verbuschten, mageren Standorten wie etwa Wacholderheide, zur Erstpflege, zum Eindämmen und Beseitigen von Verbuschung und zur Schaffung einer größeren Heterogenität auf der Fläche. Die besten Effekte werden mit einer kurzen, aber intensiven Beweidung erzielt.

Ziegen können bis zu 60 Prozent ihres Futterbedarfs mit Blättern, jungen Gehölztrieben und Rinde decken. Durch ihre gespaltene Oberlippe können sie auch dornige Sträucher wie Schlehen, Weißdorn oder Rosen beweiden. Zudem kommen sie mit steilsten Hängen und Böschungen zurecht.

Am liebsten fressen Ziegen Wildwuchs, Büsche und Gehölze wie Brombeeren. „Sie sind mehr fürs Grobe und deshalb nicht überall beliebt“, so Ziegenbesitzer Thomas Dreher. Denn die Ziegen machen auch nicht vor Äpfel und Zwetschgenbäumen halt, knabbern gerne die Rinde ab.

Die Stadt Backnang setzt nicht nur Ziegen als natürliche Rasenmäher ein, sondern auch Schafe, erklärt Edith Reihle, die zuständige Sachbearbeiterin im Stadtplanungsamt. Da diese allerdings lieber Gras fressen, gibt es keine Konkurrenz zu den Ziegen, denn die Vierbeiner werden für unterschiedliche Gebiete eingesetzt.

Die Schafe werden von einem Schäfer auch eher als Hobby gehalten. 75 sind es an der Zahl und abwechselnd sind sie in den Gebieten Spitzwiesen, Lerchenäcker und am Wasserturm. Zweimal jährlich werden die dortigen Flächen von den Vierbeinern beweidet.

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Erstellt:
8. August 2019, 06:00 Uhr

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