Tierischer Konflikt im eigenen Garten

Ein Katzen-Lockdown zum Schutz brütender Haubenlerchen im Rhein-Neckar-Kreis hat Anfang des Monats für Aufsehen gesorgt. Im Rems-Murr-Kreis ist mit solchen Maßnahmen nicht zu rechnen, doch ein Thema ist die Jagdlust der beliebten Haustiere auch hier.

Wildvogel und Hauskatze im eigenen Garten – oftmals keine friedliche Koexistenz. Symbolbild: Adobe Stock/Maren Winter

© Maren Winter/Adobe Stock

Wildvogel und Hauskatze im eigenen Garten – oftmals keine friedliche Koexistenz. Symbolbild: Adobe Stock/Maren Winter

Von Kai Wieland

Rems-Murr. Ein Lockdown für Katzen? Das klingt zwar nach einem Aprilscherz, trat am 1. April für die südlichen Wohngebiete von Walldorf im Rhein-Neckar-Kreis aber ganz ernsthaft in Kraft. Hintergrund dafür ist die Brutzeit der vom Aussterben bedrohten Haubenlerche, von der es in der Gegend um Walldorf nur noch zwei Brutpaare gibt. Diese sollen mit der Maßnahme vor jagenden Hauskatzen geschützt werden. Bis 31. August müssen Katzenhalter in bestimmten Walldorfer Wohngebieten ihre Vierbeiner daher im Haus behalten.

Wäre ein solches Szenario auch im Rems-Murr-Kreis denkbar? Eher nicht, meint Anja McGrath, Erste Vorsitzende des Naturschutzbunds in Backnang: „Ein Katzen-Lockdown ist bislang bei der Ortsgruppe des Nabu in Backnang kein Thema, da es hier leider keine streng geschützten Bodenbrüter wie Haubenlerche oder Kiebitze mehr gibt.“ Das bedeutet allerdings nicht, dass es kein Konfliktpotenzial gäbe. „Der Prädationsdruck durch Hauskatzen ist auch in Backnang ein Thema“, sagt McGrath. „Betroffen sind nicht nur Vögel, sondern auch Reptilien wie Eidechsen, Fledermäuse oder Schmetterlinge. Und das nicht nur in den Wäldern, sondern vor allem im Siedlungsbereich.“

Immer wieder ein Streitpunkt in Wohngebieten

„Katz und Maus spielen“ heißt es im Volksmund, wenn jemand etwa einen Wissensvorsprung nutzt, um andere hinzuhalten und am Ende doch auflaufen zu lassen. „Katz und Vogel“ könnte die Redewendung ebenso lauten, denn auch Wildvögel werden von Katzen oftmals nicht zur Nahrungssicherung erbeutet – gefüttert werden die Vierbeiner in der Regel zu Hause –, sondern zur Befriedigung des Jagdtriebs.

„Das Problem ist, dass wir ein Ungleichgewicht haben“, erklärt Kreisjägermeister Markus Laiblin aus Sulzbach an der Murr. „Die Katzen gehen heim und fressen. Draußen fangen sie dann die jungen Vögel, spielen damit und lassen sie liegen. Müssten sie jagen, um zu fressen, würden sie den Weg des geringsten Widerstands gehen, einen Vogel fressen und ansonsten ihre Energie schonen.“

In den Wohngebieten ist dies immer wieder ein Streitpunkt, zwischen Katzenhaltern und Vogelfreunden ebenso wie zwischen Nachbarn. So sei eben die Natur, finden die einen, während andere dagegenhalten, dass sich Katzenbesitzer bemühen sollten, die Jagdtätigkeit ihrer Tiere zumindest zu begrenzen.

Ein altbekannter Konflikt in überraschendem Ausmaß

Das Ausmaß der Thematik liest sich tatsächlich erschütternd. Schätzungen zufolge werden allein in Deutschland jährlich 200 Millionen Vögel von Katzen getötet. Zwar handelt es sich bei dieser Zahl um eine grobe Annäherung, welche der deutsche Ornithologe Lars Lachmann in einem Interview mit dem Nabu als tendenziell zu hoch bezeichnet, dennoch verdeutlicht sie die Größenordnung der Problematik.

Auch Markus Laiblin wünscht sich, dass diese Erkenntnis noch mehr ins Bewusstsein der Bevölkerung rückt: „Ich bin der Meinung, dass niemand die Tötung von Singvögeln durch seine Katze leichtfertig in Kauf nimmt, wenn er das Ausmaß erst einmal kennt. Daher finde ich vor allem die Aufklärungsarbeit wichtig.“ Dabei müsse man auch bedenken, dass ein getöteter Vogel weitreichende Folgen haben könne. „Wenn die Katze einen Singvogel fängt, der die Mutter von fünf Jungen war, sind auch die alle zum Tode verurteilt. Das muss man den Leuten in Ruhe erklären.“

Auch unter Katzenhaltern gehen die Meinungen auseinander

Corinna Medynski vom Verein Freundeskreis Katze und Mensch e.V. betont jedoch, dass die Problematik den meisten Katzenhaltern durchaus bekannt sei, allein die Meinungen darüber gingen auseinander. „Das ist ein Thema, das auch unter den Katzenfreundinnen und -freunden im Freundeskreis Katze und Mensch e.V. sehr unterschiedlich gesehen wird“, sagt Medynski und verweist auf die bundesweit rund 8600 Mitglieder des Vereins. „Dementsprechend findet man bei uns unterschiedlichste Meinungen, je nachdem in welcher Form jemand direkt von der Debatte um den Schutz der Vögel im Allgemeinen beziehungsweise der Haubenlerche im Besonderen betroffen ist.“

Viele Katzenhalter wehren sich zudem dagegen, dass die Verantwortung für das Artensterben auf sie und ihre Haustiere abgewälzt wird, dabei aber andere, mutmaßlich gewichtigere Faktoren wie der negative Einfluss des Menschen auf die Lebensräume unter den Tisch fallen gelassen werden.

Welche Maßnahmen können von Katzenhaltern ergriffen werden?

Das Argument ist nachvollziehbar, dennoch stellt sich die Frage, ob der Jagdtrieb des Haustiers nicht dennoch ein Ansatzpunkt für jeden Einzelnen sein könnte. Hauskatzen seien in der Lage, in kurzer Zeit große Mengen an Wildtieren zu erbeuten, insbesondere Vögel, sagt Anja McGrath. „Da viele Vogelarten bereits durch andere Faktoren wie Lebensraumverlust oder Klimawandel gefährdet sind, kann die Bejagung durch Hauskatzen für manche Arten eine zusätzliche Belastung darstellen.“ Aus diesem Grund fordert der Nabu in erster Linie eine verantwortungsvolle Haltung der Katzen durch ihre Besitzer (Tipps im Infokasten).

Markus Laiblin wirbt dafür, die Tiere während der Setz- und Brutzeit nicht in den Freilauf zu lassen. Im Wissen, dass dies nicht immer möglich ist, rät er alternativ zu einem Halsband mit Glocke. „Da dies allerdings die Vögel im Nest nicht schützt, sollten zum Beispiel Nisthilfen und Futterstellen katzensicher installiert werden, etwa mit einer Metallmanschette am Baum. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass sich die Katzen nicht daran verletzen können.“

Corinna Medynski vom Freundeskreis Katze und Mensch erklärt, wie sie selbst versucht, ihre Katzen von der Vogeljagd abzuhalten: „Wir stellen den Vögeln in unserem Garten einen sicheren Platz zum Leben zur Verfügung, obwohl es bei uns drei Katzen gibt. Diese kennen von Anfang an nur den begrenzten Freigang. Allerdings haben sie bei uns auch viel Platz im Haus und können sich auf einer großen eingenetzten Terrasse bewegen. Diese Möglichkeit haben nicht alle Katzenhalter.“

Tipps des Nabu zur Katzenhaltung

Spieltrieb Viel mit der Katze spielen, damit sie den Jagd- und Spieltrieb ausleben kann.

Kastration Sowohl Kater als auch Katzen kastrieren lassen. Sie werden häuslicher, streunen weniger herum und zeugen keine verwilderten Katzenpopulationen. Herrenlose Katzen müssen jagen, um zu überleben, und erbeuten daher mehr Wildtiere.

Garten Stauden, Sträucher und Bäume bieten den Vögeln viele Versteckmöglichkeiten.

Futterhäuschen und Vogeltränken Mindestens zwei Meter vom nächsten Gebüsch entfernt aufstellen. So können sich Katzen nicht unbemerkt anschleichen.

Gerüche Katzen meiden den Geruch des Harfenstrauchs, den man in der Nähe von Nistplätzen pflanzen kann.

Zum Artikel

Erstellt:
15. April 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen