Tierschützerinnen fangen Straßenkatzen in Murrhardt ein
Samtpfoten sind Expertinnen, wenn es um die Jagd geht. Sind Anne Leimeter und Sabine Dreier unterwegs, um frei lebende Katzen einzufangen, damit sie kastriert werden können, kehren sich die Rollen um. Bei ihrer jüngsten Aktion in Murrhardt durften wir ihnen über die Schulter schauen.
Von Christine Schick
Murrhardt. In der Nacht sind bekanntlich alle Katzen grau. Als Anne Leimeter und Sabine Dreier auf einem Hof in einem Murrhardter Teilort eintreffen, kündigt sich schon die Dämmerung an. Die zwei Frauen engagieren sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich im Tierschutz, insbesondere für Straßenkatzen, und haben mit einem Landwirt eine Fangaktion auf dem Hof vereinbart. Sie möchten ihm einen gewissen Schutz bieten, weshalb er im Bericht nicht namentlich genannt wird, nicht zuletzt, um auch vielleicht den einen oder anderen landwirtschaftlichen Betrieb für ihre Arbeit zu gewinnen. Auf dem Gelände lebt eine mehr oder weniger überschaubare Katzengruppe – vielleicht sieben erwachsene sowie jüngere Tiere. Die Samtpfoten mausen und helfen dem Landwirt dadurch, dieser stellt im Gegenzug jeden Morgen Futter bereit. Das heißt, die Tiere sind keine klassischen Straßenkatzen, leben aber frei dort, sind scheu und haben wenig Bezug zum Menschen.
Folgen unkontrollierter Vermehrung
Anne Leimeter formuliert das Problem, das daraus entstehen kann, wenn auch nur ein Teil der Katzen unkastriert bleibt, folgendermaßen: „Wenn die Kätzinnen zweimal im Jahr Junge bekommen müssen, dann wird schnell ein Punkt erreicht, wo die Katzengruppe zu groß wird und die Tiere um Futter und Mäuse konkurrieren müssen.“ Der Weg der Kätzchen führt in die umliegenden Wälder, Wiesen und Gärten. Manche Samtpfoten haben vielleicht Glück, werden von Anwohnern gefüttert, andere landen über Umwege im Tierschutz und in einem neuen Zuhause. Aber das ist keinesfalls garantiert, auch weil nicht alle eine Beziehung zum Zweibeiner knüpfen können. Für diese Katzen ist es schwer, sich durchzuschlagen und sich zu versorgen. Insofern setzen sich die beiden Frauen für eine Kastration der Tiere ein, deren Kosten je nach Konstellation von Tierschutzvereinen, Tierheimen, Kommunen und privaten Initiativen unterstützt beziehungsweise übernommen werden. „Das öffnet dann auch so manche Tür“, sagt Sabine Dreier.
Die erfahrene Katzenfängerin, die sich im Tierschutzverein Backnang ehrenamtlich engagiert, baut ihre große Familienfalle aus Holz am Eingang eines Hofgebäudes auf. Die hat den Vorteil, dass sich so gleich mehrere Samtpfoten – auch generationsübergreifend – eingefangen lassen. „Sind denn schon alle über ein halbes Jahr alt?“, fragt sie den Landwirt, weil die Tiere dann meist geschlechtsreif sind. Seine Einschätzung: Es sind auf jeden Fall viele dabei. Dreier platziert Futter zum Anlocken außerhalb, aber auch im hinteren Bereich der Falle und rollt die lange Schnur ab, mit der sie später die Klappe nach unten sausen lassen kann. Im Abstand von vielleicht 25 Metern und für die Katzen nicht mehr gut sichtbar, positioniert sie sich lässig an einer Türschwelle. Allmählich trauen sich die Tiere an den Kasten heran und auch hinein, es kommt sozusagen Leben in die Bude.
Futter und Wohlfühlspray als Lockmittel
Anne Leimeter macht das mit einem ersten eigenen Katzenkorb ganz ähnlich, einfach eine Nummer kleiner. Den hat sie außerdem mit Wohlfühlspray präpariert, das die Tiere ebenfalls anlocken soll. „Wir arbeiten mit allen Mitteln“, sagt sie und grinst. Das Ergebnis nach rund einer Stunde des Auf-der-Lauer-Liegens inklusive Futternachfüllen und eines Fehlauslösers kann sich sehen lassen: Sieben Katzen sind den Frauen in die Fallen gegangen. Zwei, die noch sehr jung aussehen, werden wieder freigelassen und stürmen ins Freie. Mit fünf Samtpfoten geht es zu Tierarzt Thomas Schauß, mit dem sie ein Zeitfenster für vier Kastrationen vereinbart haben. Bei Nummer fünf soll sich Schauß das Auge anschauen, das entzündet oder verletzt zu sein scheint.
Sie ist auch die erste, die sich der Veterinär vornimmt. Er betäubt die Samtpfote. „Sie hat die Zähne schon durchgewechselt“, stellt der Tierarzt fest. Somit ist sie geschlechtsreif und nachdem Schauß eine Schwangerschaft ausgeschlossen hat, bietet er an, auch sie zu kastrieren. Vorher versorgt er das Auge der kleinen Lady. Die unebene Stelle auf der Hornhaut könnte Resultat eines Kampfs sein. „Das wird verheilen.“ Nach der Kastration der Tiere kennzeichnet Schauß sie, wobei eine Tätowierung (meist im Ohr) oder das Einsetzen eines Chips möglich ist.
Die beiden Frauen sind sehr zufrieden mit ihrem Einsatz. Nicht nur, dass sie fünf Tiere einfangen konnten. Nachdem Anne Leimeter am Nachmittag in die Praxis zurückkehrt, um die Tiere abzuholen, hört sie, dass alle Eingriffe gut verlaufen sind. Mittlerweile ist auch das Geschlecht klar: Vier Kätzinnen und ein Kater haben nun keinen Reproduktionsdruck mehr. Sie bringt die Tiere zurück auf den Hof, wo sie in einem geschützten Raum in ihren Körben übernachten. „Tierarzt Schauß weist immer darauf hin, dass sie noch eine Nacht in der Sicherheit des Katzenkorbs bleiben sollen, da sie nach der Narkose noch Probleme mit der Orientierung haben und auf die Gefahren und den Straßenverkehr nicht angemessen reagieren können“, erklärt sie. Nach einer gewissen Zeit wollen die Frauen wieder auf den Hof gehen, um erneut aktiv zu werden. „Wir finden es toll, dass der Landwirt dafür aufgeschlossen ist“, sagt Sabine Dreier. Um möglichst alle Tiere zu behandeln, braucht es ein gewisses Durchhaltevermögen. „Ist es eine sehr große Gruppe, kann sich das schon mal über Jahre ziehen.“
Netzwerk Anne Leimeter engagiert sich in Murrhardt und Umgebung mit weiteren Frauen für Straßenkatzen. Dazu hat sie dieses Jahr mit zusätzlichen Mitstreiterinnen eine kunsthandwerkliche Ausstellung auf die Beine gestellt, um Spenden zu sammeln. Beispielsweise konnte auch eine Großerlacherin unterstützt werden, die 20 streuende Katzen aus Murrhardt und Teilorten bei sich aufgenommen hat, sie versorgt und zu vermitteln versucht. Leimeter arbeitet schon länger mit Sabine Dreier zusammen, die sich unter anderem als Katzenfängerin im Rems-Murr-Kreis engagiert. Die Arbeit umfasst auch die Kooperation mit den Kommunen und dem Tierschutzverein Backnang und Umgebung sowie dem Tierheim in Großerlach.
Kastration Gern räumt Dreier mit falschen Annahmen rund um die Kastration auf. Etwa klärt sie auf, dass auch weibliche Tiere kastriert und nicht nur sterilisiert werden sollten oder Katzen durch den Eingriff nicht das Mausen einstellen. Eher umgekehrt: Brautschau und Aufzucht kosten Kraft, die dann in die Jagd fließen kann.
Hilfe Wer die Arbeit unterstützen möchte, findet Infos unter www.tierschutzverein-backnang.de. Wer Interesse hat, sich in puncto Katzenfangaktionen ausbilden zu lassen und so zu helfen, kann sich bei Sabine Dreier via E-Mail an katzenmama930@gmail.com melden.