Tötungsabsicht bei Fahrt gegen die Kelter in Weinstadt?
Staatsanwaltschaft fordert für Mutter mit vier kleinen Kindern im Auto viereinhalb Jahre Gefängnis. Die Verteidigerin plädiert auf Bewährung.

© Sang Hyun Cho auf Pixabay
Für eine Mutter stehen viereinhalb Jahre Gefängnis im Raum. Foto: Sang Hyun Cho auf Pixabay
Von Heike Rommel
Weinstadt. Viereinhalb Jahre Gefängnis fordert im Fall der Mutter, die mit vier kleinen Kindern im Auto frontal auf die Alte Kelter in Endersbach gefahren ist (wir berichteten), am Landgericht die Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Auf eine bewährungsfähige Strafe von unter zwei Jahren plädiert die Verteidigung. An der Frage, ob die Angeklagte sich und ihre Kinder umbringen wollte, scheiden sich vor der Schwurgerichtskammer demnach die Geister.
Die Angeklagte habe sich am frühen Morgen des 7. Dezember 2022 mit ihren Kindern auf den Weg gemacht, um sich und die Kinder umzubringen, begründete die Staatsanwältin ihre Forderung. Die Frau aus einer Gemeinde am Rand des Rems-Murr-Kreises sei bewusst auf die Sandsteinmauer der Endersbacher Kelter gefahren. Die Angaben der Mutter, sie habe nur weg wollen aus ihrer Familiensituation und sei durch das Quengeln eines der Kinder abgelenkt gewesen, wertet sie als Schutzbehauptung. Unterstützt sieht die Anklägerin ihren Strafantrag durch die Aussage einer Zeugin, die zuerst am Unfallort war. Im Gespräch mit dieser Zeugin habe die Angeklagte zugegeben, dass sie sich und ihre Kinder habe töten wollen. Dass die Mutter mit ihren Kindern absichtlich ungebremst mit mindestens Tempo 60 frontal auf die Kelter gefahren sei, ergebe sich auch aus dem Notruf von deren Mutter sowie aus Äußerungen gegenüber einer Justizvollzugsbeamtin zu Tötungsabsichten. „Das lässt keinen anderen Schluss zu“, sieht die Anklägerin die Tatmerkmale des versuchten Mordes an nicht gesicherten Kindern im Auto in Tateinheit mit versuchtem Totschlag an angeschnallten Kindern als erfüllt an. Außerdem gehöre der Mutter wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr drei Jahre lang die Fahrerlaubnis entzogen.
Ansichten gehen auseinander
„Ich bin anderer Ansicht“, plädierte die Verteidigerin Anja Rößler-Rudolf auf eine bewährungsfähige Strafe unter zwei Jahren, damit ihre Mandantin wieder mit ihren Kindern leben kann. Den Entzug der Fahrerlaubnis stellte sie ins Ermessen des Gerichts, wobei der Vorsitzende Richter Norbert Winkelmann lediglich ein Fahrverbot von bis zu sechs Monaten in den Raum geworfen und den rechtlichen Hinweis gegeben hatte, dass anstatt einer Verurteilung wegen versuchten Mordes auch eine wegen versuchten Totschlags in Betracht komme.
„Weg, weg, weg, einfach nur weg“: Darin sieht die Verteidigerin das Motiv der nicht vorbestraften Angeschuldigten nach einem Streit mit ihrer Mutter. „Die Fahrt begann nicht als versuchter Mord oder Totschlag“, bezog sich Rößler-Rudolf auf das psychiatrische Gutachten von Peter Winckler, der die Unterbringung der Angeschuldigten in der Psychiatrie für Straftäter ausschloss. Aus seiner Sicht war die 37-Jährige im psychischen Ausnahmezustand, weil sie sich mit der alleinigen Erziehung der vier kleinen Kinder besonders in der Pandemie überfordert und alleinegelassen fühlte.
Die beantragte Haushaltshilfe kam nicht, der Vater der Kinder kümmerte sich nicht und vom Jugendamt kam auch noch harsche Kritik, weil es mit einem Kind Probleme im Kindergarten gab: So begann aus der Sicht der Verteidigung die „Irrfahrt“ durch die Weinberge. „Ich übernehme die volle Verantwortung für mein Tun“, sagt die Angeklagte in ihrem letzten Wort vor der Urteilsverkündung am Montag, 19. Juni. „Ich wollte bremsen, konnte aber nicht. Mein Körper hat nicht reagiert.“