Tragisches Ende einer verheißungsvollen Liebe
23-Jähriger wegen fahrlässiger Körperverletzung zu fünf Monaten Freiheitsentzug auf Bewährung verurteilt

© Romolo Tavani
Statt vor dem Standesamt, musste ein junger Mann nun vor dem Gericht über seine nunmehr ehemalige Freundin reden. Foto: Fotolia/Tavani
Von Hans-Christoph Werner
BACKNANG. Vor gut acht Monaten hatte der 23-jährige Mann zusammen mit seiner Freundin aus Oppenweiler Heiratspläne. Bis in jener Mainacht 2018 alles zerbrach. Vor dem Amtsgericht Backnang hat sich der junge Mann wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen.
Vor drei oder vier Jahren haben sie sich kennengelernt. Die Freundin des jungen Manns aus Gambia könnte es genau sagen, aber diese ist aufgrund ihrer emotionalen Betroffenheit nicht fähig zur Zeugenaussage. Immer war der junge Mann in der Familie seiner Zukünftigen zu Gast. Wie ein eigenes Kind, so gibt die Mutter, als Zeugin vernommen, an, sei er aufgenommen worden.
Ihrer Tochter machte allerdings der Alkohol- und Drogenkonsum ihres Freunds zu schaffen. Und als er in jener Mainacht anruft, da merkt sie gleich an seiner Stimme, dass er wieder getrunken hatte und verbittet sich seinen Besuch. Aber er hört nicht auf sie und erscheint trotzdem. Das heißt: In einer bahnhofsnahen Wirtschaft, in der gerade ein Geburtstag gefeiert wurde, macht er erst mal Station.
Die anwesenden Gäste tun sich schwer mit dem Neuen, ist er doch nicht eingeladen. Ferner wird er zunehmend ausfällig. Auch die Schwester seiner Geliebten ist unter den Gästen. Sie weiß, wo der junge Mann hingehört, und bringt ihn in die nahe Wohnung von Mutter und Schwester. Dort will man mal nicht so sein. Obwohl er entgegen des Verbots erschienen ist, will man ihn seinen Rausch auf der Wohnzimmercouch ausschlafen lassen. Das Zimmer seiner Geliebten bleibt ihm allerdings verwehrt. Das wiederum will der potenzielle Schwiegersohn nicht akzeptieren. So geht er zurück zur Geburtstagsfeier. Aber dort haben sich die Meinungen über ihn nicht geändert. Über WhatsApp erhält die Schwester seiner Geliebten Nachricht, dass sich die Sache zuspitzt. Daraufhin holt sie ihn wieder ab und übergibt ihn der Mutter. Diese ist bereit, den jungen Mann zur seiner Unterkunft nach Großaspach zu fahren. Man hat auch schon mal seine Sachen zusammengepackt und übergibt ihm die Tasche. Ärgerlich wirft er diese von sich.
Da erscheint seine Freundin. Aus Rage und Enttäuschung geht er nun auf die Auserwählte los, fuchtelt wild mit den Armen, entledigt sich seiner Jacke und lässt diese wie ein Lasso kreisen. Da muss es gewesen sein, dass seine Jacke seine Freundin trifft. War es ein Metallknopf an derselben oder war es der Reißverschluss, die junge Frau zieht sich eine blutende Wunde zu. Nun reicht’s der Schwester der Getroffenen, sie ruft die Polizei, während sich der Täter wieder davontrollt. Am Bahnhof wird er von einem jungen Mann ob seines Verhaltens zur Rede gestellt. Aber statt zu antworten, verpasst der Angetrunkene dem Fragenden einen Faustschlag. So schnell lässt dieser sich aber nicht abschütteln, was ihm nochmals zwei Schläge des 23-Jährigen einbringt. Da ist auch schon die Polizei zur Stelle. Und weil er das Sofa im Haus seiner Geliebten verschmäht hat, muss er nun mit der Pritsche in der polizeilichen Arrestzelle vorliebnehmen.
Mutter des Opfers beschreibt den Angeklagten als netten Kerl
Dass nun alles aus sein sollte, konnte der junge Mann nicht akzeptieren. Trotz Verbots nähert er sich immer wieder dem Haus seiner Freundin, legt mal einen Blumenstrauß, mal ein Stofftier ab. Ungleich schwerer nimmt es seine ehemalige Freundin. Bei ihr zeigen sich Schlafstörungen, sie leidet unter Angstzuständen, hat Suizidgedanken. In ihren schulischen Leistungen sackt sie so ab, dass sie die Klasse wiederholen muss.
Vor Gericht schießen die Emotionen hoch. Sowohl Mutter als auch Schwester erklären, dass der Angeklagte ein netter Kerl sei, aber dass jene Mainacht so eskalierte, können sie nicht verwinden. Unter Tränen bitten sie das Gericht, den Beschuldigten doch nicht einzusperren, sondern ihm wegen seiner Alkohol- und Drogenproblematik Hilfe zugutekommen zu lassen. Staatsanwältin, Verteidiger und Richter verständigen sich: Angesichts solcher Befindlichkeit der beteiligten Person, wird auf die Vernehmung der vormaligen Freundin des Angeklagten verzichtet. Aber auch dem Angeklagten geht die Sache nahe. Still weint er in sein Taschentuch.
Die Staatsanwältin sieht in ihrem Plädoyer die Anklage bestätigt. Mit fünf Monaten Gefängnis auf Bewährung will sie’s abgehen lassen. Der Verteidiger des Angeklagten will weg vom Vorwurf „gefährliche Körperverletzung“. Das Herumwirbeln einer Jacke sieht er nur als fahrlässige oder unbewusste Körperverletzung. Zum letzten Wort aufgefordert, entschuldigt sich der Angeklagte für das Geschehene. Nach kurzer Beratungszeit fällt der Richter das Urteil: fünf Monate auf Bewährung wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Zudem werden dem Verurteilten Suchtberatungsgespräche und der Besuch eines Gewaltpräventionsprogramms auferlegt. Was die in Backnang verhandelte Sache anbelangt, wird der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben. Doch ist gegen ihn eine in Waiblingen in Arbeit befindliche Sache anhängig, sodass es vorläufig bei seinem Wohnort „Stuttgart-Stammheim“ bleibt.