U-Haft statt Chefarztposten

Aufsichtsrat der Rems-Murr-Kliniken zieht Notbremse – Mediziner steht unter Betrugsverdacht

SCHORNDORF/NEUBURG (zvw/not). Gerade noch gut gegangen. Der Aufsichtsrat der Rems-Murr-Kliniken hatte vergangene Woche den Nachfolger für den Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe in Schorndorf, der in Ruhestand geht, bereits bestimmt, als der eilige Anruf in der Redaktion einging: Bitte hebt die per Pressemitteilung verkündete Personalentscheidung noch nicht ins Blatt. Nun, Tage später, wird klar, warum: Der Nachfolge-Chefarztaspirant steht unter Betrugsverdacht.

Eine Sprecherin des Aufsichtsratsvorsitzenden, Landrat Richard Sigel, wollte am Mittwoch nur so viel bestätigen: Bei dem nun doch nicht Eingestellten handele es sich genau um jenen Mediziner, über den der Donaukurier zu Wochenbeginn folgendermaßen berichtete: „Chefarzt der Kliniken St. Elisabeth (in Neuburg an der Donau) verhaftet: Geld ausgeliehen und nicht zurückbezahlt.“ Demnach hatte die Staatsanwaltschaft Ingolstadt den 47-jährigen Mediziner verhaften lassen, unter dem Vorwurf des Betruges und Verstoßes gegen die Auflagen eines Urteils vom März 2018.

Den Aufsichtsräten der Rems-Murr-Kliniken blieb somit gerade noch eine Blamage erspart. Sie erfuhren im letzten Moment von den Vorwürfen gegen den Mediziner, wohl weil dieser wegen der U-Haft zu einem finalen Einstellungsgespräch zum Verhandeln von Vertragskonditionen für den Chefarztposten in Schorndorf nicht erscheinen konnte.

Verhängte Geldstrafe

wurde nicht fristgerecht bezahlt

Der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Ingolstadt, Nicolas Kaczynski, bestätigte gestern die Vorwürfe gegen den Mediziner. Dieser ist demnach am Montag gegen Kaution wieder aus der JVA Augsburg-Gablingen entlassen worden. Auch habe er während der U-Haft die gegen ihn verhängte Geldstrafe von 42000 Euro bezahlt. Das Schöffengericht hatte ihn damals wegen seines gefälschten griechischen Führerscheins und Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu 140 Tagessätzen zu je 300 Euro verurteilt. Weil die Strafe nach der gesetzten Frist nicht bezahlt worden ist, kam der Mann in Haft. Vor Gericht hatte der Arzt sein Nettogehalt mit 15000 Euro monatlich angegeben. Der Haftbefehl war laut Kaczynski auch wegen Fluchtgefahr ergangen. Schließlich habe der Mediziner ein kurzfristiges Darlehen nicht zurückgezahlt und vorgehabt, seinen Arbeitsplatz zu wechseln. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte, dass es sich bei dem Darlehen um 5000 Euro handelt, die der Kioskbetreiber des Krankenhauses Neuburg dem Chefarzt geliehen und nicht mehr zurückbekommen habe. Daraufhin erstattete er Anzeige. Möglicherweise liegen weitere ähnliche Fälle vor. Polizeibeamte durchsuchten laut Staatsanwaltschaft nicht nur Räume im Neuburger Wohnhaus des Arztes, sondern auch dessen Büro im Krankenhaus. Außerdem befragten sie Mitarbeiter. Laut Donaukurier sprach sich der Vorgang herum und „sorgte für Unruhe im Krankenhaus“. Polizei und Staatsanwaltschaft wollen nun die Gründe für den offenbar chronischen Geldmangel des Arztes ermitteln und alle Hintergründe aufklären, kündigte Kaczynski gestern an.

Der Mediziner war drei Jahre lang im Neuburger Krankenhaus als Leiter der neuen Hauptabteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe beschäftigt. Die OP-Zahlen und vor allem die Geburten – letztlich auch wegen der Schließung der Geburtshilfe in Schrobenhausen – stiegen deutlich. Vor Kurzem hatte er „aus familiären Gründen“ gekündigt.

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Erstellt:
20. Juli 2018, 06:00 Uhr

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