Unerwartete Festnahme bei Motorradkontrolle
Zu Beginn der Motorradsaison kontrolliert die Polizei an der Sulzbacher Steige. Die Strecke ist zum Ärger der Anwohner bei Rasern sehr beliebt. Weniger geht es den Beamten dabei ums Bestrafen, vielmehr werben sie bei den Bikern für Sicherheit und Rücksichtnahme.
Von Carolin Aichholz
Sulzbach an der Murr. Gutes Wetter lockt die Motorradfahrer auf die Straßen und das ruft das Kompetenzteam Motorrad des Polizeipräsidiums Aalen auf den Plan. Die Steige zwischen Sulzbach an der Murr und Großerlach ist im Sommer beliebt – bei rücksichtsvollen wie auch bei rücksichtslosen Fahrern. Die gestrige Kontrolle war nicht nur wegen des gelegentlich einsetzenden Regens mäßig erfolgreich. „Unsere Kontrollstellen sind schnell verbrannt“, sagt Pressesprecher Maurice Haehl. Mehrere Einsatzwagen stehen gut sichtbar in einer Einbuchtung und Polizeioberkommissar Bertram Uetz lotst die Zielpersonen, also Motorradfahrerinnen und -fahrer, von der Straße in die Einbuchtung. Die Biker seien untereinander sehr gut vernetzt und verbreiten die Standpunkte der Kontrollen über die sozialen Medien, so Haehl. Ob verdeckte Kontrollen nicht vielleicht erfolgversprechender sind? „Wir wollen schon auch gesehen werden. Dann ist klar, hier stehen wir und schauen nach dem Rechten.“
Unangepasste Geschwindigkeit ist nach wie vor die häufigste Unfallursache, darum wird eine Laserkontrolle durchgeführt. Doch nicht nur Temposünder winken die Polizisten heraus. „Wir überprüfen auch die Papiere und Personalien und achten auf die Fahrtauglichkeit. Vor allem jüngere Fahrer sind gelegentlich mit Restalkohol oder unter Drogeneinfluss am Steuer“, so Haehl.
Von den Rasern geht den Polizisten an diesem Tag keiner ins Netz. Eine dreiköpfige Gruppe darf ihre Sonntagsfahrt nach einer Überprüfung der Papiere schnell fortsetzen. Eine Premiere für den Fahrer: „Ich fahre schon seit 35 Jahren Motorrad, aber das ist meine erste Kontrolle.“
Ein voll bepacktes Motorrad muss nach kurzer Inspektion durch Polizeioberkommissar Volker Nothdurft umgeladen werden. Der Fahrer fährt vom Urlaub nach Hause und hat seinen Rucksack mit Spanngurten hinter dem Sitz festgeschnallt. „Der Rucksack ist verrutscht und verdeckt die Bremslichter. Der Fahrer hinter ihm kann nicht sehen, wann er bremst, und das ist ein Risiko“, so Nothdurft. Ein Bußgeld gibt es dafür nicht, der Fahrer solle den Rucksack einfach aufsetzen. Die Kontrolle der Polizei nimmt der Biker gelassen hin. „Das ist gut und richtig, es passiert immer mehr auf den Straßen.“ Nothdurft sieht mit einer Taschenlampe nach, ob das Rad verändert wurde. „Schalldämpfer werden gerne mal ausgebaut oder der Auspuff wird manipuliert“, erklärt Maurice Haehl. Das ist hier nicht der Fall, zudem kann der Fahrer seine Erste-Hilfe-Ausrüstung und eine Warnweste vorweisen. So darf auch er weiterfahren.
Anwohner fühlen sich hilflos gegen Raser
Wichtig ist den Polizisten, nicht alle Biker unter Generalverdacht zu stellen. „Die meisten Mitglieder aus dem Kompetenzteam sind selbst leidenschaftliche Motorradfreunde und kennen sich dementsprechend gut aus“, sagt Haehl. Dieses Know-how brauchen sie, wenn sie die Räder auf Veränderungen überprüfen. Es hilft zudem, um mit den Kontrollierten leichter ins Gespräch zu kommen. „Unser höchstes Ziel ist, die Fahrer zu sensibilisieren – für die Sicherheit im Straßenverkehr und die Rücksichtnahme auf die Anwohner.“
Denn die sind weniger glücklich mit der Beliebtheit ihrer Straßen bei den Bikern. Ein Anwohner der beliebten Strecke gibt an: „Bei schönem Wetter entwickelt sich Großerlach zum rechtsfreien Raum für Motorradfahrer.“ Raser, einzeln oder in Gruppen, seien an der Tagesordnung. Anzeigen gegen Unbekannt brächten keine Wirkung. Selbst wenn das Kennzeichen notiert werde, könne die Polizei nichts machen. Unter den Helmen und Sturmmasken seien die Fahrer nicht zu identifizieren, eine generelle Halterhaftung gebe es nicht.
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Hilflos und frustriert fühlen sich die Lärmgeplagten. Jeder Versuch der Dokumentation des Treibens habe zu nichts geführt, vielmehr habe er manche Fahrer eher noch provoziert. Darum befürchtet der Anwohner Repressalien seitens der Motorradraser und möchte lieber anonym bleiben. Sämtliche Versuche, sich mit den Rathäusern der betroffenen Gemeinden in Verbindung zu setzen, seien erfolglos geblieben. Er wünscht sich mehr Initiative auf der Suche nach Lösungen.
Genervten Anwohnern kann Maurice Haehl nur raten, bei stattfindenden Rennen die örtlichen Polizeibehörden einzuschalten. „Die schicken Streifen los und sehen nach dem Rechten. Mit allem darüber hinaus müssen sich andere Institutionen befassen. Wir können kontrollieren und präventiv handeln, sonst sind uns leider auch die Hände gebunden“, so der Pressesprecher.
Darum sind zwei seiner Kollegen auch bei der örtlichen Tankstelle unterwegs und sprechen gezielt Biker an. „Die haben heute auch nicht so viel zu tun“, sagt Steffen Ellinger. „Eine Gruppe, mit der sie gesprochen haben, kam gerade vom Bikergottesdienst. Diese Fahrer gehören meist nicht zu unseren Zielpersonen“, sagt der Hauptkommissar und schmunzelt.
Erfolgreich war der Tag für die Polizisten dennoch: Bei der Überprüfung der Papiere eines Fahrers stellte sich heraus, dass ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vorliegt. „Wir bringen ihn nun zur örtlichen Wache und finden raus, was dahintersteckt und ob er in Gewahrsam bleiben muss“, sagt Maurice Haehl. Auf dem nächsten Polizeirevier wird Kontakt zur zuständigen Staatsanwaltschaft aufgenommen.
Das (übrigens nur ausgeliehene) Motorrad des Mannes wird abgeschlossen und vorerst abgestellt. Wenn er nicht mehr auf freien Fuß gesetzt wird, lassen die Beamten es abschleppen und sicher abstellen. Die Kontrolle hat also Wirkung gezeigt, wenn auch vielleicht nicht ganz so wie erhofft.
Die Stelle Auf der Schwarzwaldhochstraße beim Helbingfelsen auf der B500 oberhalb von Baden-Baden ist am Samstag der landesweit erste „Schweigekilometer“ eröffnet worden. Er soll an tödlich verunglückte Motorradfahrer erinnern. Allein in den vergangenen sechs Jahren kamen auf der Strecke sechs Biker ums Leben. Schwarze Hinweisschilder zeigen den Bikergruß – eine Faust mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger. Ein Mahnmal erklärt die Aktion, gesäumt von einer Rosenhecke.
Die erhoffte Wirkung Baden-Badens Oberbürgermeister Dietmar Späth denkt, so könne erreicht werden, dass die Motorradfahrer sich intensiv mit den Gefahren beschäftigen und „sich auch selbst ändern“.