Unklarheiten um das Drehfunkfeuer in Bezug zur Windkraft

Entgegen früherer Ankündigungen ist das Drehfunkfeuer Affalterbach nach wie vor in Betrieb. In den Plänen des Verbands Region Stuttgart taucht es im Hinblick auf mögliche Vorranggebiete für Windkraftanlagen dennoch nicht mehr auf. Das sorgt für Verwunderung.

Das Drehfunkfeuer bei Affalterbach liefert der Flugsicherung Informationen für die Ortung von Flugzeugen. Archivfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Das Drehfunkfeuer bei Affalterbach liefert der Flugsicherung Informationen für die Ortung von Flugzeugen. Archivfoto: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Aspach/Affalterbach. Eigentlich schien das Thema bereits vom Tisch zu sein. „Ein Hindernis weniger für die Windkraft im Rems-Murr-Kreis“ hieß es in unserer Zeitung im Juli 2022. Die Rede war von der für das Jahr 2023 geplanten Außerbetriebnahme des Drehfunkfeuers Luburg bei Affalterbach, welches zuvor den Bau von Windkraftanlagen innerhalb eines Radius von 15 Kilometern, zum Beispiel auf der Amalienhöhe in Aspach, vermeintlich ausschloss.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2024 und das Drehfunkfeuer ist noch immer aktiv. „Die Außerbetriebnahme unserer Anlage Luburg war zum geplanten Zeitpunkt noch nicht möglich, da die Anlage navigatorischer Bestandteil verschiedener Flugverfahren und damit aktuell noch nicht verzichtbar ist“, erklärt Ute Otterbein, Pressesprecherin der Deutschen Flugsicherung (DFS), welche die Anlage betreibt.

Ein wesentliches Element bei der Abwägung von Vorranggebieten für Windkraftanlagen scheint damit zumindest vorerst wieder im Spiel zu sein. Erstaunlicherweise ist das Drehfunkfeuer im Regionalplan des Verbands Region Stuttgart, welcher derzeit die Ausweisung von Vorranggebieten vorantreibt, dennoch nicht enthalten. „Das Drehfunkfeuer wurde im laufenden Verfahren aufgrund der vorliegenden Informationen zur Abschaltung nicht berücksichtigt“, bestätigt Alexandra Aufmuth, Pressesprecherin des Verbands Region Stuttgart. Die Schutzradien anderer Drehfunkfeuer in der Region seien in der Planung hinterlegt, gleichwohl diese nicht als Ausschlusskriterium für Vorranggebiete gälten.

Wie lange der Betrieb noch währt, ist unklar

Das einstige Hindernis scheint also keines mehr zu sein. In diesem Zusammenhang stellen sich vor allem zwei wichtige Fragen. Erstens: Wie lange wird das Drehfunkfeuer Affalterbach noch betrieben? Und zweitens: Welche Auswirkungen hätte ein Weiterbetrieb auch über mehrere Jahre hinweg? Auf die erste Frage gibt es seitens der DFS noch keine konkrete Antwort, gleichwohl an verschiedenen Stellen, unter anderem beim Landratsamt des Rems-Murr-Kreises, die Jahreszahl 2025 kursiert. „Inwiefern und wann eine Außerbetriebnahme erfolgen wird, kann derzeit leider noch nicht gesagt werden“, sagt Ute Otterbein.

In der Stellungnahme der Gemeinde Aspach zur Teilfortschreibung des Regionalplans wird das Fehlen des Drehfunkfeuers kritisch angemerkt. Ob dieses zeitnah abgeschaltet werde, spiele dabei keine Rolle, sagt Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff: „Sowohl in den Standortkarten der DFS als auch in den von der Fachagentur Windenergie veröffentlichten Karten ist das Drehfunkfeuer Affalterbach als Bestand enthalten. Für die Vollständigkeit und die Möglichkeit einer umfassenden Prüfung und einer fundierten Stellungnahme zum Entwurf des Regionalplans Windkraft sollte es selbstverständlich sein, dass der Istzustand in den Planunterlagen dargestellt ist, gegebenenfalls mit dem Hinweis: geplante Standortaufgabe.“

Schutzbereich heißt nicht Bauverbot

Noch mehr Unklarheiten birgt indessen die Suche nach einer Antwort auf die zweite Frage. Ob ein aktives Drehfunkfeuer nämlich ein Ausschlusskriterium ist oder lediglich ein Aspekt im Genehmigungsverfahren, dazu gibt es unterschiedliche Einschätzungen. „Für das Drehfunkfeuer bei Affalterbach hat das Bundesaufsichtsamt in Abstimmung mit der DFS einen Anlagenschutzbereich von 15 Kilometern für erforderlich gehalten, weshalb in diesem Radius ein Bauverbot besteht. Das Bauverbot entfällt, sobald das Drehfunkfeuer außer Betrieb genommen wird“, heißt es etwa vom Landratsamt. Bei der Deutschen Flugsicherung ruft diese Auskunft Irritationen hervor, denn Windräder im Umkreis von Funkfeuern seien grundsätzlich möglich und der Anlagenschutzbereich ausdrücklich eben keine Verbotszone – das werde oft falsch interpretiert. „Es gibt in Norddeutschland Anlagen, in denen über 100 Windräder innerhalb des Anlagenschutzbereichs stehen“, betont Ute Otterbein und erklärt das Prozedere. „Wenn innerhalb des Anlagenschutzbereichs ein Gebäude errichtet werden soll, werden wir am Verfahren beteiligt. Dann schauen wir auf jedes einzelne Bauwerk, auf den genauen Standort und die Höhe und mögliche Interferenzen mit den Signalen unserer Anlagen. So ist es durchaus möglich, dass wir einzelne Bauwerke als unbedenklich einstufen, dort kann dann, zumindest was unsere Themen betriff, gebaut werden.“ So ist es auch auf der Website des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung zu lesen. Die anderslautende Auskunft des Landratsamts könne sie nicht nachvollziehen, sagt die Pressesprecherin. „Sie ist leider mindestens irritierend.“ Zwar bestehe, sehr streng juristisch gesehen, ein Bauverbot, solange kein Genehmigungsverfahren erfolgt sei. „Wenn dieses aber begonnen wurde und wir beteiligt werden, dann sind die Chancen auf eine Zustimmung von uns sehr groß.“

In Aspach sieht man den Sachverhalt kritisch

Ein Drehfunkfeuer ist demnach also kein zwangsläufiges Ausschlusskriterium für Windkraftanlagen. Für Sabine Welte-Hauff verliert jenes in Affalterbach als Kriterium für die Ausweisung möglicher Vorranggebiete dadurch aber nicht an Gültigkeit. „Die Verlagerung der Prüfung von Hinderungstatbeständen auf die Ebene der Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen, nicht nur beim Drehfunkfeuer, sehe ich kritisch“, sagt die Bürgermeisterin. „Die Abwägung und Auseinandersetzung mit den betroffenen Schutzgütern hat bereits im raumplanerischen Verfahren zu erfolgen.“

Die Tatsache, dass das Drehfunkfeuer in Affalterbach technisch nicht mehr modernisiert wird (siehe Infotext), spricht für ein zeitnahes Auslaufen der Anlage. Ob diese bis dahin noch einmal Einfluss auf die Ausweisung der Vorranggebiete haben wird, dürften die kommenden Monate zeigen. Dem Verband Region Stuttgart liegen zur Laufzeit des Drehfunkfeuers und zur Frage, ob dieses durch Windkraftanlagen beeinträchtigt wird, bislang keine detaillierten Informationen vor, so Pressesprecherin Alexandra Aufmuth. „Hier ist das Beteiligungsverfahren abzuwarten, ob es konkrete Hinweise dazu gibt.“ Sollte dem so sein, müssten diese auch berücksichtigt werden.

Das Drehfunkfeuer Luburg bei Affalterbach

Funktion Die DFS betreibt in Deutschland neben Radaranlagen zur Ortung Navigationseinrichtungen wie zum Beispiel Funkfeuer. Die Ortung liefert die Informationen für den Fluglotsen, der so an seinem Monitor die Flugbewegungen sehen und überwachen kann. Das geht nicht nur mit diesen bodengestützten Navigationseinrichtungen, sondern auch mit Satellitennavigation. Eine Grundausstattung an Funkfeuern ist jedoch im europäischen Luftraum als „Minimum Operation Network“ vorgeschrieben.

Schutzbereich Jede der Anlagen der DFS ist von einem Anlagenschutzbereich umgeben. Bei Funkfeuern wie dem bei Affalterbach beträgt er 15 Kilometer. Wenn innerhalb dieses Bereichs etwas gebaut werden soll, sei es ein Hochhaus oder ein Windrad, wird die DFS ins Baugenehmigungsverfahren einbezogen. Dann führen Experten eine Einzelfallbetrachtung durch. Jedes einzelne Bauwerk mit genauer Position und der exakten Höhe wird auf sein mögliches Störpotenzial untersucht.

Umrüstung Die Anlage Luburg ist ein sogenanntes konventionelles Funkfeuer (CVOR). Daneben gibt es noch die robusteren Doppler-Drehfunkfeuer (DVOR). Für die Anlage bei Affalterbach war eine Umrüstung einst vorgesehen, davon wurde aber aufgrund der geplanten Außerbetriebnahme Abstand genommen. Laut der Pressesprecherin der DFS ist eine Umrüstung nicht mehr vorgesehen. Für die modernen Anlagen gilt seit November 2022 ein deutlich kleinerer Schutzbereich von sieben Kilometern.

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Erstellt:
30. Januar 2024, 06:00 Uhr

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