Unterbringung von Geflüchteten: Städte und Gemeinden am Limit
Der Zustrom von Geflüchteten aus der Ukraine lässt nicht nach, die Zahlen liegen inzwischen weit höher als in der Flüchtlingskrise 2015. Die Kommunen stellt das vor große Probleme, wie eine Umfrage im Raum Backnang zeigt.
Von unserer Redaktion
Backnang Im Jahr 2017, auf dem Höhepunkt der letzten Flüchtlingswelle, musste die Stadt Backnang 248 Personen unterbringen, dieses Jahr werden es laut Erstem Bürgermeister Siegfried Janocha am Ende wohl fast 500 sein. Und obwohl es bei Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine wesentlich leichter fällt, privaten Wohnraum zu finden, als etwa für Männer aus Afrika oder dem arabischen Raum, fehlen bis Jahresende noch immer 73 Plätze. „Wir tun uns unsagbar schwer“, gibt Janocha offen zu. Inzwischen belegt die Stadt selbst Immobilien, die man bisher niemandem zumuten wollte, etwa eine Wohnung im Vereinshaus, in dem regelmäßig das Städtische Blasorchester probt. 60 bis 80 Plätze sollen außerdem in einer Containeranlage auf dem sogenannten Aurelis-Areal an der Maubacher Straße entstehen. Bis die zur Verfügung stehen, werden aber noch einige Monate vergehen. Trotzdem ist Janocha zuversichtlich, dass die Stadt ihre Aufnahmeverpflichtung in diesem Jahr zumindest annähernd erfüllen kann. Sollte der Zustrom im nächsten Jahr allerdings weitergehen, werde die Stadt an ihre Grenzen stoßen. „So viele Menschen wie in diesem Jahr bekommen wir definitiv nicht noch einmal unter“, stellt der Erste Bürgermeister klar.
Murrhardt In der Stadt Murrhardt sind zurzeit 205 Flüchtlinge untergebracht. 63 von ihnen leben in städtischen Unterkünften, 142 Menschen sind privat untergekommen. Die letztere Zahl bezieht sich ausschließlich auf Flüchtlinge, die aus der Ukraine in die Walterichstadt gekommen sind, wie Bürgermeister Armin Mößner berichtet. „Erfahrungsgemäß gibt es noch mehr privat untergebrachte Flüchtlinge, die sich allerdings nicht ermitteln lassen“, erläutert er. Im Zuge der Anschlussunterbringung muss Murrhardt bis Jahresende noch bis zu 50 weitere Personen aufnehmen. In Bezug auf die Unterbringung greift die Stadt teils auf Gebäude zurück, die sich in ihrem Eigentum befinden, teils hat sie auch Wohnraum für diesen Zweck angemietet. Zwar gibt es zurzeit in den städtischen Gebäuden noch Kapazitäten, aber diese werden nicht ausreichen, kann der Bürgermeister schon jetzt sagen. Die Stadt hat vor diesem Hintergrund einen Aufruf gestartet, um Eigentümerinnen und Eigentümer zu erreichen, die sich vorstellen können, Wohnraum in diesem Sinne zur Miete anzubieten – als amtliche Bekanntmachung. „Die Lage ist ernst und wird uns auf kommunaler Ebene alles abfordern. Die Zahlen werden die kommenden Wochen mit Eintritt in den Winter weiter steigen“, so Armin Mößner.
Aspach „Momentan sind wir voll belegt“, sagt Carolin Scholz, die das Sachgebiet öffentliche Ordnung im Aspacher Rathaus leitet. 38 Geflüchtete hat die Gemeinde derzeit in vier eigenen Unterkünften untergebracht, 69 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wohnen in privaten Unterkünften. Doch auch dieses Angebot ist endlich: „Die mir bekannten Wohnungen sind nun alle belegt“, sagt Scholz. Für einige bereits untergebrachte Ukrainer wird sogar eine neue Bleibe benötigt, da sie zum Beispiel bei Familien in deren Gästezimmern wohnen, was keine Dauerlösung sein kann. Außerdem erwartet die Gemeinde die Zuweisung weiterer Geflüchteter. Etwa 25 Personen habe das Landratsamt bereits angekündigt, berichtet Carolin Scholz. „Dabei wird es aber nicht bleiben. Wir gehen von weit mehr aus“, sagt Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff. Die Gemeinde plane deshalb, zwei Wohnhäuser in Großaspach zu sanieren und für die Flüchtlingsunterbringung zu nutzen. Auch die Wohnungen über dem Hort in der Alten Schule Rietenau sind schon mit Geflüchteten belegt.
Weissach im Tal In der Tälesgemeinde sind nach wie vor zahlreiche Geflüchtete untergebracht, die in den vergangenen Jahren angekommen sind. Neu aufgenommen wurden 2022 bisher 47 Personen, sodass derzeit insgesamt rund 150 Geflüchtete in Weissach im Tal leben. In diesem Kalenderjahr muss die Gemeinde Stand jetzt weitere 39 Personen unterbringen. Diese Quote werde sich bis zum Jahresende jedoch wohl nochmals erhöhen, teilt Bürgermeister Daniel Bogner mit. Freie Unterkünfte sind in Weissach momentan nicht mehr verfügbar. Gemeinsam mit dem Gemeinderat stehen verschiedene Überlegungen an, so Bogner. Ein größeres Bestandsgebäude könnte umgebaut werden. Zudem wird die Gemeinde wohl auf Containerlösungen zurückgreifen müssen. Die Standortfrage sei noch nicht abschließend geklärt, sagt Bogner. „Wichtig wären zudem weitere Angebote von Privatwohnungen aus der Bevölkerung als Sofortlösung“, fügt er hinzu. Die Lage sei sehr angespannt: „Ein weiteres Jahr mit ähnlich hoher Zuweisung würde unsere Kapazitäten sprengen.“ Auch auf die Infrastruktur würden sich die hohen Zuweisungszahlen auswirken, sagt Bogner: „Die Sozialbetreuung ist bereits am Anschlag. Zudem fehlen Kindergartenplätze, die Schulklassen sind sehr voll und auch die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum ist schwierig.“
Auenwald Im laufenden Jahr hat die Gemeinde Auenwald bislang 57 Flüchtlinge aufgenommen; aktuell muss sie noch weitere 34 Flüchtlinge aufnehmen. Insgesamt leben in Auenwald um die 145 Flüchtlinge. Allerdings steht der Gemeinde derzeit keine wesentliche Unterbringungsmöglichkeit zur Verfügung. Mittels privatrechtlichen, zeitlich begrenzten Mietverträgen können bis zum Jahresende 2022 weitere 15 bis 20 Personen aufgenommen werden. Aktuell befindet man sich in der konzeptionellen Entwicklung, mittelfristig Personen auch in Wohncontainern unterzubringen. Auenwalds Bürgermeister Kai-Uwe Ernst ist gar nicht glücklich über die Situation. Er schreibt: „Ich sehe die Lage mehr als kritisch. Wir befinden uns jetzt schon an der Belastungsgrenze und können die Unterbringung nur in Zusammenarbeit sowie mit Unterstützung unserer Bürgerinnen und Bürger ermöglichen.“
Sulzbach an der Murr Die Gemeinde Sulzbach hat derzeit insgesamt 106 Flüchtlinge untergebracht. Laut Liste des Landratsamtes Rems-Murr müssen noch 47 Personen aufgenommen werden. Zur Verfügung stehen derzeit jedoch nur noch Unterkünfte für 25 bis 30 Personen. Und auch dafür sind noch wenige Sanierungsarbeiten durchzuführen. Die Gemeinde ist laut Haupt- und Ordnungsamtsleiter Michael Heinrich momentan sicher nicht in der Lage, die Zuweisungsquote ad hoc zu 100 Prozent zu erfüllen. In den vergangenen Wochen konnten aber regelmäßig Flüchtlinge nach Sulzbach an der Murr umziehen. Heinrich sagt: „Wir sind sehr froh darüber, dass uns immer wieder Wohnungen zur Anmietung für Flüchtlinge aus der Ukraine angeboten werden. Wir hoffen, dass dieser Trend weiter anhalten wird.“ Sollte sich die Zahl der Flüchtlinge entsprechend erhöhen, kann die Lage aber durchaus dramatisch werden. Die logische Konsequenz für Heinrich: „Überlegungen zur Erstellung von gemeindeeigenem Wohnraum oder auch die Anmietung von Containern halten wir daher für dringend angebracht.“
Allmersbach im Tal Im Rahmen der sogenannten Anschlussunterbringung wohnen derzeit 37 Flüchtlinge in gemeindeeigenen Räumlichkeiten. Zudem halten sich 44 ukrainische Personen in privaten Wohnungen in Allmersbach im Tal auf. Dadurch, dass in der Gemeinde Allmersbach im Tal zwei Standorte zur Erstunterbringung im Landkreis (GU) mit zirka 100 Plätzen betrieben werden, besteht aktuell keine Aufnahmeverpflichtung von weiteren Personen für die Gemeinde. Die Kommune ist derzeit bemüht, weitere Räumlichkeiten für die Unterbringung von geflüchteten Menschen zu suchen. Allerdings sind die gemeindeeigenen Möglichkeiten nahezu ausgeschöpft. Bürgermeisterin Patrizia Rall: „Die Lage ist überaus angespannt. Wir haben in Allmersbach im Tal keine großen Kapazitäten, weitere Personen aufzunehmen.“ Die Gemeinde Allmersbach im Tal leiste seit Beginn der Flüchtlingsthematik im Jahr 2015 mit zwei Erstunterkünften des Landkreises einen überproportionalen Beitrag im Vergleich zur Einwohnerzahl zur Bewältigung der Herausforderung. Rall: „Ich bin sehr dankbar und froh, dass bei unseren Bürgerinnen und Bürger großes Verständnis für die Situation der Hilfesuchenden und großartige Hilfsbereitschaft herrscht.“
Oppenweiler Rein rechnerisch hat die Gemeinde aufgrund der Einwohnerzahl eine Aufnahmeverpflichtung für 75 Geflüchtete – tatsächlich befinden sich aktuell aber nur 19 Flüchtlinge in Oppenweiler. Die Gemeinde spielt mit mehreren Überlegungen, um Platz für weitere 56 Menschen schaffen zu können. Zum einen prüfe man die Anmietung und der Erwerb von privatem Wohnraum. Auch die Aufstockung der bestehenden Containeranlage oder der Ausbau des Dachgeschosses in einer bereits genutzten Unterkunft wären eine Option.
Althütte 77 Personen sind momentan in der Gemeinde Althütte untergebracht. Bürgermeisters Reinhold Sczuka bezeichnet die Situation als dramatisch, „übersteigt die Zahl der Flüchtlinge aktuell doch die Zahl aus dem Jahr 2015, der Hochphase des Flüchtlingszustroms“, präzisiert Sczuka. In den verschiedenen Unterkünften der Gemeinde gebe es noch vereinzelte Plätze, teilt der Bürgermeister mit, die Gemeinde sei ihrer Aufnahmeverpflichtung aber bereits nachgekommen.
Kirchberg an der Murr Die Gemeinde Kirchberg an der Murr hat derzeit 86 Flüchtlinge mit ukrainischer Staatsangehörigkeit und 44 weitere Flüchtlinge mit sonstigen Staatsangehörigkeiten im Ort untergebracht. „Wie viele Flüchtlinge wir in den nächsten Wochen noch aufnehmen müssen, ist uns derzeit nicht bekannt. Wir rechnen aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen jedoch mit einer Aufnahme von weiteren rund 30 ukrainischen Flüchtlingen. Diese werden wir teilweise ,verrechnen’ können, da wir aufgrund der in den vergangenen Jahren erhöhten Aufnahme von Flüchtlingen in Kirchberg ein ,Guthaben’ haben“, erklärt Bürgermeister Frank Hornek. In gemeindeeigenen Gebäuden für die Flüchtlingsunterbringung sind noch Restplätze frei. Sollten diese nicht ausreichen, wäre eine Notfalllösung, beispielsweise die Belegung der Gemeindehalle, denkbar. Hornek: „Allgemein spitzt sich die Lage weiter zu. Hinsichtlich der Unterbringung und der Kosten sehe ich die Flüchtlingslage am Anschlag. Ein ,Weiter so‘ im Jahr 2023 ist gerade im Raum Stuttgart, wo Wohnraum knapp ist, nicht umsetzbar.“
Burgstetten Erst in der letzten Woche hatte es groß auf der Titelseite des Mitteilungsblattes gestanden: Die Verwaltung Burgstettens hat ihre Bürger um Unterstützung bei der Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge gebeten. Trotz dieses Aufrufes sieht Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz die Flüchtlingslage in ihrer Gemeinde noch nicht als dramatisch an. Stand Montag sind dort 76 Flüchtlinge untergebracht, einige davon konnten privat unterkommen. Weitere zehn wurden für die kommende Zeit angekündigt. Freie Plätze gibt es noch ausreichend; aktuell sind es 18. Dennoch bleibt man nicht untätig. Geplant ist die Anmietung eines Hauses, um weitere Unterkünfte anbieten zu können. Denn auch wenn es momentan ganz gut mit Unterbringungsmöglichkeiten aussieht, möchte die Rathauschefin für die Zukunft ausreichend gerüstet sein: „Die Lage ist angespannt. Wenn es so weitergeht, wird es eng.“
Großerlach In der kleinen Gemeinde sind aktuell 28 Geflüchtete untergebracht. Für die kommenden Wochen stünden laut Landratsamt noch 23 weitere Aufnahmen offen. Allerdings wurde hier eine in Großerlach vom Landkreis angemietete Gemeinschaftsunterkunft noch nicht angerechnet. „In dieser stehen rechnerisch noch Kapazitäten zur Verfügung, welche nach unserer Information aus baulichen Gründen aktuell nicht belegt werden“, sagt Bürgermeister Christoph Jäger. Eine gemeindeeigene Anschlussunterbringung mit acht Plätzen (zwei Wohnungen) soll spätestens ab November zur Verfügung stehen. „Wir bemühen uns nach Kräften, wobei die privaten Initiativen zur Aufnahme von Geflüchteten uns eine große Hilfe sind“, sagt Jäger. Großerlach sei auf die Aktivierung von Bestandsimmobilien angewiesen. Den Bau von eigenen größeren Unterkünften kann die Gemeinde zumindest kurzfristig aus eigener Kraft nicht leisten.
Spiegelberg Im Moment sind in Spiegelberg 16 geflüchtete Menschen untergebracht, teils in kommunalen Räumlichkeiten, teils privat. Aktuell bereitet die Gemeinde Platz für weitere zehn Personen in kommunalen Räumlichkeiten vor, die in den nächsten 14 Tagen zur Verfügung stehen. Spiegelberg ist laut der Liste des Landratsamtes verpflichtet, 37 Personen aufzunehmen. Das heißt, es fehlt noch Platz für elf Geflüchtete. „Die kommunalen Räumlichkeiten sind erschöpft“, sagt Bürgermeister Uwe Bossert. Die Suche nach privaten Unterbringungsmöglichkeiten sowie nach Ideen und Varianten hat begonnen. Hier kommt es auf die Gespräche mit den Eigentümern an. „Sollte sich die Lage weiter verschärfen, sehe ich die Situation für Spiegelberg schon als drastisch an“, so Bossert.