Unterricht im Kinosaal in Backnang

Im Vorfeld des Naturvision-Filmfestivals haben sich Schülerinnen und Schüler aus Backnang mit verschiedenen Umweltthemen beschäftigt. Das Besondere: Der Unterricht fand im Kinosaal statt. Zunächst mit einer Doku, anschließend gab es eine Diskussionsrunde mit Experten.

Nach dem Film gab es eine Diskussionsrunde mit Expertin Lena Kopp von der Universität Hohenheim. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Nach dem Film gab es eine Diskussionsrunde mit Expertin Lena Kopp von der Universität Hohenheim. Foto: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Backnang. Bequeme Sessel statt Stühle im Klassenzimmer, eine große Leinwand statt Tafel, ein professionelles Soundsystem statt Laptoplautsprecher. Im Vorfeld des Naturvision-Filmfestivals, das vom 20. bis 23. Juli in Ludwigsburg stattfindet, haben sich Backnanger Schülerinnen und Schüler anhand von Dokumentationen im Kino Universum mit Umweltthemen beschäftigt. Dabei ging es um mehr als nur darum, einen Film auf der Kinoleinwand zu sehen: Bei der Veranstaltung für die Schulen fand nämlich nach dem gemeinsamen Anschauen der Dokumentation auch eine Diskussionsrunde mit Experten auf dem Gebiet statt. Der Film „Können Algen die Welt retten? 42 – Die Antwort auf fast alles“ zum Beispiel beschäftigte sich mit verschiedenen Möglichkeiten, bei denen Algen eingesetzt werden können.

Schülerinnen und Schülersprechen mit einer Algenexpertin

Darum geht es unter anderem: Nicht nur können Algen viel CO2 binden, auch gibt es bereits Projekte, bei denen aus sogenannten Mikroalgen alternative Energiequellen oder alternative Materialien hergestellt werden, zum Beispiel Kerosin, abbaubares Plastik oder Carbon, erklärt die Doku. Gerade dazu haben die jungen Zuschauer nach dem Film so einige Fragen, besonders zur Herstellung, die laut der Dokumentation sehr viel Platz benötigen würde. „Mit was werden die Mikroalgen gefüttert?“, will ein Schüler wissen. „Warum kann man die Mikroalgen denn nicht im Meer züchten?“, fragt eine andere Zuschauerin nach.

Antworten auf die Fragen weiß Lena Kopp. Sie wurde vom Naturvision-Filmfestival zur Nachbesprechung der Dokumentation eingeladen und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hohenheim, wo sie sich mit Algen und deren Möglichkeiten besonders für Ernährung und Medizin beschäftigt. „Man kann leider nicht einfach mit einem Kescher durchs Meer gehen. Die Mikroalgen müssen in einem geschlossenen System gezüchtet werden“, erklärt die Expertin. Das ist aktuell noch sehr teuer. Denn dafür benötigen sie viel Licht, Stickstoff und Phosphor.

Dazu gibt es auch kritische Nachfragen aus dem Publikum, so möchte ein Zuschauer beispielsweise wissen, ob nicht bei der Herstellung dieser Chemikalien weiteres CO2 ausgestoßen wird. „Das sind Probleme, über die wir noch nachdenken müssen“, stimmt die Expertin zu. Ziel sei es, zukünftig einen nachhaltigen Kreislauf zu entwickeln, in dem kein zusätzliches CO2 ausgestoßen wird. Als Beispiel nennt sie Projektideen, bei denen Mikroalgenfarmen zum Beispiel in der Wüste entstehen könnten. „Hier gäbe es genug Platz, der ohnehin nicht für die Landwirtschaft genutzt werden kann, und auch genug Licht“, sagt Lena Kopp.

Können Algen bei der Ernährung helfen?

Zuletzt ging es in der Diskussion aber noch um ein weiteres Thema, das auch in der Doku behandelt wurde: Können Algen bei der Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung helfen? „Algen passen perfekt zu gesunder Ernährung“, meint die Expertin zu dem Thema. Sie enthielten viele wichtige Nährstoffe und Proteine. Je nach Algenart können sie nicht nur Fleisch, sondern sogar Fisch ersetzen, da manche Algenarten besonders viel gesunde Omega-3-Fettsäuren beinhalten. Besonders die Algen Spirulina und Chlorella haben es ihr persönlich angetan.

Aber gerade in Deutschland sei man hier noch hinterher. Auf ihre Frage, wie viele der Jugendlichen denn schon Algen gegessen haben, heben nur wenige die Hand. „Anders als in asiatischen Kulturen fehlt in Deutschland leider noch die Akzeptanz“, meint sie. Für die wissenschaftliche Mitarbeiterin sind deshalb gerade solche Veranstaltungen wie die im Kino Universum wichtig, um das Thema mehr ins Bewusstsein der Menschen zu rücken. „Wir brauchen eine Offenheit vom Verbraucher.“ Für die Jugendlichen hat sie auch einige Lebensmittelprodukte mitgebracht, die aus Algen hergestellt wurden.

Weniger Ablenkungen im Kinosaal sorgen für mehr Fokus auf die Doku

Dass die Dokumentationen im Kinosaal angeschaut werden und nicht im Klassenzimmer, das hat laut Kinoinhaberin Annegret Eppler gleich mehrere Gründe. „Hier ist die Aufmerksamkeit eine ganz andere als im Chemiesaal oder im Klassenzimmer“, ist sie sich sicher. „Der Eindruck ist im Kino viel größer. Es gibt weniger Ablenkungen.“ Auch sei die Rückmeldung von Lehrkräften häufig positiv, da so manche Jugendliche in der anderen Atmosphäre eher aus sich herauskommen und sich aktiver beteiligen als im regulären Unterricht.

Für die Schulen war die Veranstaltung kostenlos, organisiert hat sie das Naturvision-Filmfestival. Zur Auswahl standen an dem Vormittag zwei verschiedene Filme: Während sich die älteren Schülerinnen und Schüler eben mit den Chancen der Algen für Weltklima, Lebensmittel und Co. beschäftigt haben, wurde für die eher Jüngeren der BR-Film „Von der Vielfalt alter Gemüsesorten“ gezeigt. Beim anschließenden Filmgespräch mit den Experten ging es dann darum, weshalb die Auswahl an unterschiedlichen Gemüsesorten vor etwa 100 Jahren noch deutlich größer war als heute. Die Antwort: Salat- und Gemüsesorten, die heute in den Supermärkten zu finden sind, sind vor allem die, welche sich gut an die Erfordernisse moderner Agrarwirtschaft und Massenproduktion angepasst haben.

Filmfestival Das Naturvision-Filmfestival findet vom 20. bis 23. Juli in Ludwigsburg statt. Gezeigt werden Filme rund um die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit. Im Central-Filmtheater und Open Air werden Dokus gezeigt, die unterhalten und kritisch informieren. Dabei kann man unter anderem mit den Machern und Macherinnen der Filme ins Gespräch kommen.

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Erstellt:
23. Juni 2023, 16:00 Uhr

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