Urteil über Ex-Handballtrainer in Sicht

Im Missbrauchsprozess vor dem Landgericht wird Freiheitsstrafe von zwei bis zehn Jahren erwartet.

Zum Schutz der Opfer ist die Öffentlichkeit bisher zum größten Teil ausgeschlossen gewesen. Archivfoto: Alexander Becher

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Zum Schutz der Opfer ist die Öffentlichkeit bisher zum größten Teil ausgeschlossen gewesen. Archivfoto: Alexander Becher

Von Heike Rommel

Fellbach/Stuttgart. Im Missbrauchsprozess gegen einen ehemaligen Handballtrainer des SV Fellbach (wir berichteten), soll vor dem Stuttgarter Landgericht voraussichtlich am Donnerstag kommender Woche, 19. Mai, ab 9 Uhr das Urteil verkündet werden. Die Verhandlungen verliefen größtenteils zum Schutz der Opfer unter Ausschluss der Öffentlichkeit, sodass – das gebietet die Strafprozessordnung – auch die Schlussvorträge nicht öffentlich waren. Ebenfalls ausschließlich vor den Prozessbeteiligten machte der psychiatrische Gutachter Hermann Ebel Ausführungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten. Der Rest der Anwesenden musste den Saal verlassen, damit hier die Intimsphäre des Angeklagten geschützt wird. Offenbar stufte Ebel den Angeklagten als schuldfähig ein. In den Plädoyers forderten Staatsanwaltschaft und Verteidigung eine Haftstrafe von sechs beziehungsweise fünf Jahren. Der Angeklagte hatte die ihm zur Last gelegten Taten bereits am ersten Verhandlungstag vollumfänglich gestanden.

Einen Teil der insgesamt 567 Einzeltaten an acht Opfern über den Tatzeitraum 2006 bis 2021 hat die Jugendkammer eingestellt, weil sie sich nicht groß auf das Strafmaß ausgewirkt hätten. Übrig blieben 13 Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, 38 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und 210 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, davon 160 Fälle tateinheitlich mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen. Etliche der Opfer sollen im Tatzeitraum zumeist in der Fellbacher Wohnung ihres damaligen Trainers vom Kindes- bis ins Jugendalter missbraucht worden sein. Beschuldigt wird der vollumfänglich geständige Mann auch des Besitzes kinderpornografischer Schriften, weil er seine Opfer gefilmt und ihnen Filme vorgeführt hat, in denen Kinder sexuell missbraucht werden.

Was das Publikum am vergangenen Verhandlungstag mithören durfte, waren die Angaben zur Person des 53-Jährigen, vorgetragen von seinem Verteidiger Bernd Kiefer. Aufgewachsen ist der heutige Fellbacher zusammen mit einer älteren Schwester in Ditzingen, wo er nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2019 seine Mutter gepflegt hat. Nach seinem Studium der Pädagogik, Soziologie und Psychologie war der Angeklagte beim Landratsamt Ludwigsburg als Bezirkssozialarbeiter und EDV-Anwendungsbetreuer beschäftigt, bis es am 20. Januar dieses Jahres zu einem Aufhebungsvertrag kam. Da war der Angeklagte nach seiner Festnahme am 29. November vergangenen Jahres bereits im Untersuchungsgefängnis Stuttgart-Stammheim.

Arbeitsunfähig, so der Verteidiger, sei sein Mandant schon ab August vergangenen Jahres gewesen, als ihn der Hausarzt ins Zentrum für Psychiatrie Winnenden eingewiesen habe. Fortgesetzt habe der Angeklagte die psychotherapeutische Behandlung in Saarbrücken. Von seiner im Mai 2008 geheirateten Frau sei der Fellbacher seit wenigen Jahren geschieden. Die Hobbys des Ex-Handballtrainers, der im Gerichtssaal seine Opfer wiedersah: EDV, Spielekonsolen, Tennis, Musik (insbesondere Klavier und Gitarre) und natürlich Handball. Vorstrafen hat der 53-Jährige, über den die Kammer unter Vorsitz von Richter Johannes Steinbach am 19. Mai das Urteil sprechen will, keine.

Womit der ehemalige Handballjugendtrainer des SV Fellbach im Falle eines Schuldspruchs rechnen muss, ist eine Freiheitsstrafe von zwei bis zehn Jahren, je nachdem, wie das Gericht sein Geständnis bewertet. Im Zuge dessen sagte er, er hoffe, dass es den Betroffenen und deren Angehörigen gelingt, das Erlebte zu verarbeiten. Fest steht bislang, dass der Mann seine Machtposition als Trainer zum Zwecke seiner eigenen sexuellen Befriedigung ausgenutzt hat.

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Erstellt:
10. Mai 2022, 06:00 Uhr

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