Versöhnung als fortwährende Aufgabe
In einer Zeit, in der Kriegsgeschehen wieder die Nachrichten prägen, wird beim Totengedenken zum Volkstrauertag auf dem Stadtfriedhof in Backnang die Friedensarbeit in den Mittelpunkt gestellt.
Von Klaus J. Loderer
Backnang. „Wir leben nicht in einer Welt ohne Krieg“, konstatierte Rainer Köpf, der erst vor einer Woche eingesetzte neue evangelische Dekan bei einer Gedenkstunde auf dem Backnanger Stadtfriedhof am Samstagnachmittag. Diese würdigte den Volkstrauertag am gestrigen Sonntag, der seit 1952 der Toten des Ersten und Zweiten Weltkriegs gedenkt.
Das Mahnmal für die Oper des Kriegs und der Gewaltherrschaft bot den Hintergrund der Gedenkstunde, zu deren Beginn die Friedensglocke in der Friedhofkapelle läutete. „Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg“ lautete das diesjährige Motto des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge, der zusammen mit der Stadt Backnang zum Totengedenken geladen hatte. Alle Redner der Gedenkfeier mahnten deshalb vor dem Hintergrund der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und in Israel die wichtige Aufgabe einer aktiven Friedensarbeit an.
Redner fordern zum Einsatz für den Frieden auf
Dass die Sicherung von Frieden uns alle angeht, das betonte auch Oberbürgermeister Maximilian Friedrich in seiner Begrüßungsansprache: „Es gilt, offenen Auges die Bedrohungen zu erkennen und gegebenenfalls Stellung zu beziehen.“ Der Volkstrauertag sei zwar den Opfern der beiden Weltkriege und der Gewaltherrschaft gewidmet, doch soll er auch in der Gegenwart zum Frieden mahnen. Das Gedenken dürfe aber nicht zum Ritual erstarren, sondern müsse auch viele Jahre nach Kriegsende die Menschen ansprechen, so der Oberbürgermeister. „Die Erinnerung an die Opfer von Kriegen, die Schrecken gewaltsamer Konflikte, die Ängste und das Leid von Millionen unschuldiger Menschen dürfen niemals verblassen. Dies ist unerlässlich, um die Wertschätzung für den Frieden in unserer Zeit zu bewahren.“ Gerade Deutschland trage eine entscheidende Verantwortung, betonte Maximilian Friedrich: „Der Einsatz für Frieden und Versöhnung bleibt eine fortwährende und verantwortungsvolle Aufgabe.“
Dekan Rainer Köpf ging in seiner Ansprache auf seine eigenen Erinnerungen an den Volkstrauertag ein. An diesem nahmen in den 1970er-Jahren noch viele Menschen teil, die noch selbst lebhafte Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg hatten. Kriegerwitwen und traumatisierten ehemalige Soldaten begegnete man damals noch häufig, berichtete er. Erst in den 1990er-Jahren trat die Erinnerung in den Hintergrund: „Wir haben zwar ein Gefühl der Unverwundbarkeit entwickelt. Doch dieses Sicherheitsgefühl täuscht. Wir sind verletzbar.“
Erhaltung des Friedens ist Aufgabe aller
Allerdings sei es gar nicht so einfach, so der Dekan, bei einer Bedrohung für den Frieden einzutreten und das Land zu verteidigen: „Egal was wir tun, wir werden schuldig. Wie sollen wir mit dieser Ambivalenz leben?“, fragte er. Dekan Köpf verwies auf Jesus Christus, der den Menschen hilft, mutig handeln zu können, denn: „Frieden zu stiften muss gelernt werden.“ Aber auch dafür gibt das Christentum eine Hilfe, so Köpf: „Gott gibt uns die Kraft der Liebe und Besonnenheit.“
„Wohin soll ich mich wenden“ war das zentrale Lied, das der aus Liederkranz und Liedertafel vereinigte Chor unter Markus Menrath anstimmte. Mit Zitaten der deutsch-jüdischen Schriftstellerin Nelly Sachs, die sich im Dritten Reich aus Deutschland nach Schweden ins Exil retten konnte, inszenierten Fabian Stroemer und Schülerinnen und Schüler der elften Klasse der Freien Waldorfschule Backnang eine Textcollage, die von Björn Albrecht mit der Geige unterlegt wurde mit musikalischen Motiven aus der Ukraine und Israel.
Die Kranzniederlegung und Totenehrung durch die Reservistenkameradschaft Backnang illuminierte die Jugendgruppe des Technischen Hilfswerks Backnang festlich mit Fackeln, dazu spielte das Städtische Blasorchester Backnang unter Andreas Ermer „Ich hatt einen Kameraden“.
In seinem Schlusswort betonte Klaus-Dieter Fackler als Vorsitzender des Ortsverbands Backnang des Deutschen Roten Kreuzes die Rolle jedes Einzelnen zur Erhaltung des Friedens. „Friede ist alles andere als selbstverständlich“, betonte er und forderte deshalb die dauerhafte Verantwortung. „Der Volkstrauertag ist eine Mahnung an uns“, dessen Bedeutung auch die junge Generation erkennen müsse. Allerdings sei das Netzwerk des Friedens mit einer Vielzahl von Organisationen in Deutschland und auch in Backnang groß. Mit „Einigkeit und Recht und Freiheit“ klang das Totengedenken aus.