Vollbremsung bei der Legalisierung der Mountainbiketrails im Kreis?

Das Mountainbikekonzept im Rems-Murr-Kreis, bei dem die Sportler durch legale Trails im Wald so gelenkt werden, dass es weniger Konflikte gibt, scheint erfolgreich zu sein. Ob es aber so weitergehen kann, ist unklar. Strengere Naturschutzvorgaben erschweren die Legalisierung.

Auch im Backnanger Plattenwald gibt es einen legalen Trail. Der ist vor allem für Kinder geeignet. Die Interessengemeinschaft der Mountainbiker hätte gerne noch weitere und auch anspruchsvollere legale Trails. Doch das steht aktuell auf der Kippe. Archivfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Auch im Backnanger Plattenwald gibt es einen legalen Trail. Der ist vor allem für Kinder geeignet. Die Interessengemeinschaft der Mountainbiker hätte gerne noch weitere und auch anspruchsvollere legale Trails. Doch das steht aktuell auf der Kippe. Archivfoto: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Rems-Murr. Noch vor wenigen Jahren herrschte dicke Luft in den Wäldern der Region. Vermehrt übten Mountainbiker ihr Hobby im Wald aus, dabei kam es regelmäßig zu Konflikten. Die Biker beschwerten sich über unhöfliche Wanderer, gefährliche – meist absichtlich hinterlassene – Hindernisse auf den Trails und fehlende Möglichkeiten, ihrem Hobby legal nachzugehen. Und alle anderen Waldnutzer – Jäger, Waldbesitzer und Wandervereine – beschwerten sich über die „rücksichtslosen“ Mountainbiker. Es wurde sich gegenseitig beschimpft und sogar gedroht.

Heute ist von dem Ärger zwischen Alpenverein und Radfahrern keine Spur mehr da, im Gegenteil. Wege werden gemeinsam gepflegt, bei Begegnungsverkehr wird sich gegrüßt, statt zu streiten, und auch das Wanderheim Eschelhof ist zu einem gemeinsamen Ort des Austauschs geworden. So übernehmen die Mountainbiker mittlerweile nicht nur Bewirtungsdienste am Eschelhof, auch sind dort in Zusammenarbeit eine Radreparaturstelle und eine kostenlose Ladestation für E-Bikes eingerichtet worden. „Bei den Wanderern fällt kein böses Wort mehr über die Mountainbiker“, erzählt Roland Luther von einem kürzlichen Treffen der Ortsverbände des Schwäbischen Albvereins im Rems-Murr-Kreis. „Wenn jetzt eine Wandergruppe Mountainbikern entgegenkommt, bildet sich auch mal Spalier, man klatscht sich ab oder unterhält sich kurz“, berichtet er begeistert.

Mehr Verständnis unter den verschiedenen Interessengruppen

Wie es zu diesem Sinneswandel gekommen ist? Kommunikation, konstruktiver Austausch, klare Regeln, gegenseitige Rücksichtnahme sowie legale und klar gekennzeichnete Trails für die Mountainbiker. Erreicht wurde das durch runde Tische, an denen alle Interessengruppen – aufgeteilt in die verschiedenen Regionen – beteiligt wurden. Denn: „Es ist nicht die Frage, ob im Wald Mountainbike gefahren wird, sondern wo“, sagt Janet Weick von der Dimb IG Rems-Murr, eine Interessengemeinschaft innerhalb der Deutschen Initiative Mountainbike. Ziel der runden Tische und des Forstamts, welches als Initiator und Mediator fungierte, war es, den Mountainbikern Möglichkeiten zu geben, ihr Hobby legal auszuüben – und sie gleichzeitig so im Wald zu lenken, dass besondere Schutzzonen für die Tier- und Pflanzenwelt nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Das Ergebnis nach rund vier Jahren Austausch, Kartierung und viel ehrenamtlicher Arbeit: legale Trails auf insgesamt rund 50 Kilometern Länge (siehe Infotext), Verhaltensregeln für Biker, ein klares Beschilderungskonzept, Ansprechpartner bei Problemen und mehr Verständnis für andere Waldnutzer.

Die Stimmung im Wald hat sich deutlich verbessert

Der runde Tisch scheint also ein absoluter Erfolg gewesen zu sein – zumindest für die Stimmung zwischen Wanderern und den Mountainbikern. Trotz aller Harmonie gibt Luther auch zu: Probleme mit Einzelpersonen, die sich bewusst nicht an die gemeinsamen Abmachungen halten, gibt es hin und wieder immer noch. „Das ist wie im Straßenverkehr, da gibt es auch immer die, die sich nicht für die Regeln interessieren. Aber im Großen und Ganzen funktioniert das Miteinander richtig gut.“

Auch vonseiten der Jägerschaft war man eigentlich recht begeistert vom Austausch der Interessengruppen. „Der runde Tisch hat für alle Teilnehmer echt viel gebracht“, sagt Markus Laiblin, Vorsitzender der Kreisjägervereinigung Backnang und selbst auch Waldbesitzer. Durch den Austausch habe es Einsicht auf beiden Seiten gegeben. Die Mountainbiker seien sensibler beim Thema Wild und Waldarbeiten geworden, die Jägerschaft zeige mehr Verständnis für die Radfahrer. „Wenn man miteinander spricht und sich wirklich zuhört, dann funktioniert das auch.“ Zwar habe es zum Teil noch Probleme mit Nachtfahrern gegeben, doch auch hier habe Aufklärungsarbeit viel gebracht. Kürzlich sei dann aber wieder viel des aufgebauten Vertrauens verloren gegangen – durch einen Mountainbiketag, bei dem die ausgeschriebene Strecke auf zuvor nicht mit der Jägerschaft abgesprochenen Trails verlaufen war. „Wir haben gerade Brut- und Setzzeit. Das hat das Wild total durcheinandergebracht“, sagt Markus Laiblin. „Wir haben ja gar kein Problem mit so einer Veranstaltung. Aber wenn man das im Vorfeld abgesprochen hätte, dann hätte es sicher deutlich weniger Ärger mit den Jägern gegeben.“

Bürokratie und Auflagen könnten die Legalisierung weiterer Trails stoppen

Auch die Mountainbiker, von denen sich viele Individualsportler unter dem Dach der 2020 gegründeten Dimb IG Rems-Murr zusammengefunden haben, sind überzeugt von dem Prozess. „Wir haben mittlerweile schon ein sehr gutes Netz. Die breite Masse nimmt das auch gut an“, sagt IG-Sprecherin Janet Weick, besonders rund um Fellbach habe man tolle und legale Angebote geschaffen. Sie sieht aber noch deutliche Ausbaumöglichkeiten. Denn noch immer gibt es im Rems-Murr-Kreis zahlreiche Gebiete und Kommunen, auf denen keine legalen Trails genehmigt werden konnten. „Gerade im ländlichen Bereich, zum Beispiel Richtung Murrhardt, haben wir noch gar keine legalen Trails“, sagt Weick. Dabei gibt es gerade dort viele Trails, die bereits seit Jahren genutzt werden. Auch könne man durchaus noch mehr Angebote für verschiedene Schwierigkeitsstufen schaffen. „Wenn man die Leute auf legale Wege lenken will, dann muss man Angebote schaffen“, sagt Janet Weick.

Ob in der Zukunft allerdings weitere Trails im Kreis legalisiert werden, das steht aktuell auf der Kippe. „Im Moment haben wir noch einen Trail im Genehmigungsverfahren. Ob wir weitere beantragen werden, ist noch unklar“, sagt Weick. Denn schon bei den zuletzt freigegebenen Trails in Rudersberg habe man es mit einem Bürokratiemonster aufnehmen müssen. Dort forderte das Amt für Umweltschutz für den Trail einen naturschutzrechtlichen Ausgleich im Verhältnis eins zu 20 an anderer Stelle. Die Begründung: Jeweils zehn Meter rechts und links des Trails werden Störungen verursacht. Diese Auflagen des Landratsamts habe es bei früheren Trails nicht gegeben, sagt Weick. In Rudersberg habe die Gemeinde sich nach vielen Absprachen bereit erklärt, diese Ausgleichsfläche bereitzustellen. Ob das andere Kommunen auch tun werden, das bezweifelt Weick, schließlich müsse dann ein Teil des Nutzwalds – und damit auch eine Einnahmequelle – stillgelegt werden. „Andere Kommunen haben schon geäußert, dass sie sich bei dem Prozess nicht beteiligt hätten, wenn es die Forderung nach den Ausgleichsmaßnahmen da schon gegeben hätte“, berichtet Weick. Für die Dimb-Mitglieder, die viel Zeit und Aufwand in die ehrenamtliche Kartierung und Suche nach passenden Trails stecken, sei diese Entwicklung „extrem frustrierend“. Warum es nun vonseiten der Umweltschutzbehörde diese strengeren Auflagen gibt, konnte das Landratsamt bis Redaktionsschluss nicht mehr beantworten.

Diese legalen Trails gibt es mittlerweile im Rems-Murr-Kreis

Trailnetzwerk Insgesamt gibt es mittlerweile auf fast 50 Kilometern genehmigte Trails im Landkreis. Dabei handelt es sich um Pfade im Wald, die weniger als zwei Meter breit sind und deshalb eine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, damit man sie mit dem Rad befahren darf.

Zweimeterregel Denn in Baden-Württemberg gilt noch immer die sogenannte Zweimeterregel. Soll ein Trail legal werden, muss man für diesen eine Ausnahme von der Regel beantragen. Dafür müssen neben dem Forstamt dann auch weitere Behörden beteiligt werden. Die Dimb plädiert schon seit Jahren für eine Abschaffung dieser Regel.

Die Trails In bisher elf Kommunen im Kreis konnten Trails legalisiert und beschildert werden. Bei den meisten handelt es sich um bestehende Trails. Auch werden Trails umgeleitet, um Konflikte mit Wanderern oder Tieren zu vermeiden, Schutzzonen zu umfahren oder aus vielen Trails nur einen legalen zu machen.

Zum Artikel

Erstellt:
24. Mai 2024, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen