Vom Glauben an das Gute im Menschen

Theater Lindenhof aus Melchingen zeigt im Backnanger Bürgerhaus eine starke Inszenierung von Brechts „Hans im Glück“

Hans ist ein etwas einfältiger Mann, der immer an das Gute im Menschen glaubt, aber von allen nur betrogen wird. Mit einer mitreißenden Inszenierung des Stücks „Hans im Glück“ von Bertolt Brecht gastierte das Theater Lindenhof aus Melchingen im Backnanger Bürgerhaus.

Besitz ist nicht alles: Cornelius Nieden und Linda Schlepps in „Hans im Glück“. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Besitz ist nicht alles: Cornelius Nieden und Linda Schlepps in „Hans im Glück“. Foto: A. Becher

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Eine schräg nach unten abfallende Plattform bildet das minimalistische Bühnenbild. Im Hintergrund ist eine Schattenwand aufgebaut, auf die Videos und Fotos projiziert werden und hinter der Figuren agieren.

Hans, mit herrlich dümmlichem Gesichtsausdruck und tapsigem Gang gespielt von Cornelius Nieden, lebt einfach und zufrieden mit seiner Frau Hanne (Linda Schlepps) in ländlicher Idylle. Als ein feiner Herr (Oliver Moumouris) auf dem Bauernhof Halt macht, um sein Pferd neu beschlagen zu lassen, nehmen die Verwicklungen ihren Lauf. Hanne betrügt ihren Mann mit Herrn Feili und verlässt mit ihm den Hof, um ein besseres Leben zu haben. Weil Hans seine Frau liebt und möchte, dass sie glücklich wird, lässt er sie gehen. Von da an taumelt der Verlassene durchs Leben und gerät nur an Menschen, die ihn ausnutzen wollen.

Wie im Märchen „Hans im Glück“, das die Brüder Grimm im Jahr 1818 geschrieben haben, tauscht Hans sein Hab und Gut in vermeintlich immer wertlosere Dinge ein. Im Jahr 1919, als 21-Jähriger, hat Bertolt Brecht das Stück geschrieben, das auf gleichnamigem Märchen beruht. Er ließ es jedoch in der Schublade verschwinden, da er mit dem Ergebnis haderte. Erst 1998, zu Brechts 100. Geburtstag, wurde das Stück in Hamburg uraufgeführt.

Die projizierten Fotos und Videos sowie die Musikuntermalung in der Inszenierung von Christof Küster versetzen das Stück in neuere Zeit. Wohnwagen sind im Hintergrund zu sehen, wenn Hans seinen Hof gegen Wagen von reisenden Kaufleuten (Berthold Biesinger und Bernhard Hurm) eintauscht. Für den Gegenwert von Freundschaft gibt er einen Wagen an einen redegewandten Halunken her: „So ein Freund ist was wert“, ist Hans der Ansicht.

Den zweiten Wagen zieht er fortan mit eigener Körperkraft. Hinter dem laufenden Hans wird das Video einer Landstraße eingeblendet, auf der sich ein Wohnwagen bewegt. Hans kann jeder Situation etwas Positives abgewinnen und genießt beim Schleppen des Fahrzeugs die schöne Natur. Allen Menschen, denen er begegnet, geht es um materielle Werte und eigene Vorteile. Hans aber bereut keinen Tausch und freut sich an dem scheinbar Wertlosen.

Den zweiten Händlerwagen mit allen Waren tauscht er gegen ein Jahrmarktskarussell von der kaugummikauenden Betreiberin (Kathrin Kestler) ein. Immer mehr wird im Laufe der Vorstellung die schräge Plattform in Modulen demontiert. Inzwischen hat die Holzkonstruktion eine runde Form. Drei einfache Stangen stellen das Karussell dar, auf dem Hans wirbelt und in Glücksmomente fliegt. Doch wichtiger als dieser Kindheitsspaß ist es ihm, seiner Hanne zu helfen, die er mittellos und hungernd wiedertrifft. Für eine Gans als Mahlzeit gibt er das Vergnügungsfahrzeug her.

Positives Denken trifft auf

Habgier und Manipulation

Aber da ist es bereits zu spät. Um dem Hunger zu entgehen, hat sich Hanne ertränkt. Selbst die Gans wird ihm noch abgenommen. Er tauscht sie gegen Freiheit ein. „Ich möchte nicht in deiner Haut stecken, da steckt ein Trottel drin“, bekommt er zu hören. Doch für Hans sind Liebe, Freundschaft, das Genießen der Natur und Freiheit von größerem Wert als Besitztümer.

Allein und mittellos steht Hans am Ende da, doch sein positives Denken kann ihm niemand nehmen. Das eineinhalbstündige Stück wirft die Frage an die Zuschauer auf, was Glück bedeutet, und ist eine bis heute gültige Parabel auf die Gesellschaft. Habgier und die Manipulation von Menschen zu eigenen Gunsten werden entlarvt. Der einfältige Hans ist selbst in seinen letzten Atemzügen beim Anblick des Sternenhimmels noch im Glück: „Es ist alles so schön.“ Lang anhaltenden Applaus gab es im Bürgerhaus. Die Vorstellung hätte allerdings einige Besucher mehr verdient.

Zum Artikel

Erstellt:
11. Juni 2018, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen