Vom Teigling zur Brezel

Heute ist der Tag der Brezel. Doch wie wird aus einem Stück Teig ein goldbraunes Kleingebäck? Die Bäckerei Trefz in Unterweissach hat uns einen Einblick in ihre Backstube gewährt.

Frisch aus dem Ofen: Gegen 8 Uhr morgens kommen die Brezeln direkt aus der Backstube. Mit etwas Glück sind sie noch warm. Fotos: M. Maier

© Melanie Maier

Frisch aus dem Ofen: Gegen 8 Uhr morgens kommen die Brezeln direkt aus der Backstube. Mit etwas Glück sind sie noch warm. Fotos: M. Maier

Von Melanie Maier

Weissach im Tal. Um kurz nach 5 Uhr ist Brezelzeit. Draußen, vor der Bäckerei Trefz in Unterweissach, ist es noch tiefe Nacht. Drinnen, in der Backstube, brennt schon seit 2.30 Uhr das Licht. Jeden Morgen steht Chef Uwe Müller als Erster auf, stellt die Mühle an, lässt die ersten Teige laufen. Rund zweieinhalb Stunden später ist Hochbetrieb. Mit einem grünen Plastikspatel holt Bardhyl Delijaj brotlaibgroße Portionen Brezelteig aus der großen Teigmaschine. Würde man diese im Sommer mit Wasser füllen und im Garten aufstellen, könnten vier Dreijährige bequem darin baden. Jetzt werden in der Maschine um die 50 Kilogramm Brezelrohmasse umgewälzt. Bis zu 75 Kilo passen hinein. Die braucht es auch am Wochenende, wenn 1200 statt wie an diesem Wochentag 750 bis 800 Brezeln über die Theken der Trefz-Hauptfiliale in Unterweissach sowie der Zweigstelle in Backnang gehen oder ausgeliefert werden.

In der Backstube riecht es wie erwartet nach Mehl und Teig. Und es ist warm. Der wandhohe Ofen, in dem von morgens bis mittags Brötchen, Brote, Kleingebäck und Kuchen backen, strahlt Hitze ab. Die sieben Bäckerinnen und Bäcker tragen weiße Schürzen, weiße T-Shirts und fast alle dazu kurze, schwarz-weiß karierte Hosen.

„Sechs Minuten wird der Teig langsam, vier Minuten schnell ausgeknetet“, erklärt Marco Müller. Der 30-jährige Juniorchef steht neben der Teigmaschine und fegt die lange, hölzerne Werkbank ab, auf der die Brezelteiglinge später geschlungen werden. „Der Teig“, fügt er hinzu, „besteht aus Mehl, Salz, Margarine, Weizenvorteig, den wir am Tag vorher ansetzen, und Wasser beziehungsweise Eis zum Kühlen.“

Schon Marco Müllers Ururgroßvater betrieb, mit einer kriegsbedingten Pause, eine Backstube auf dem Grundstück, auf dem er nun täglich von 3.30 Uhr bis 11 oder 12 Uhr Teig anrührt, knetet, formt und in den Ofen schiebt. 1905 erwarb Bäckermeister Karl Trefz die „Germania“, die damals neben der Bäckerei auch eine Wirtschaft und eine kleine Landwirtschaft beherbergte. 1970 wurde sie abgerissen, wich dem Gebäude, das noch heute steht. Von 1965 an führten Bäckermeister Günther Trefz, Karl Trefz’ Enkel, und seine Frau Gretel die Geschäfte. 2004 übernahmen deren Tochter Claudia und ihr Mann Uwe Müller den Betrieb. Sowohl Marco Müller als auch seine Schwester Kim sind ihren Eltern in den Beruf gefolgt. Kim Müller, 25 Jahre alt, arbeitet in der Konditorei, hilft aber auch in der Backstube aus. Zum Beispiel beim Brezelschlingen, wenn jede Hand gefragt ist.

Konditorin Kim Müller füllt die Teiglinge in die Maschine. Die presst sie in dünne Rollen.

© Melanie Maier

Konditorin Kim Müller füllt die Teiglinge in die Maschine. Die presst sie in dünne Rollen.

Bis es so weit ist, dauert es aber noch eine Weile. Zunächst portioniert Bardhyl Delijaj die Brezellaibe in ungefähr halb so große Stücke. Die nimmt Marco Müller entgegen. Er wiegt jeweils 2,4 Kilogramm Teig ab: „Da kriegen wir 30 Stück à 80 Gramm raus.“ Claudia Fenger ist die Nächste in der Reihe. Sie drückt den abgewogenen Teig auf eine bemehlte, rote Form, die rund und pizzagroß ist. Dann streut sie etwas Mehl auf den Teig, gibt die Form in eine Maschine. Die schneidet das eine, große Teigstück in viele kleine Stücke. „Normalerweise macht das alles die große Maschine“, sagt Marco Müller und zeigt auf das graue Ungetüm neben Fenger, das die Maße eines Kleiderschranks hat. „Aber vor zwei Tagen ist uns die Platine verreckt, die neue kommt erst heute Nachmittag. Deshalb machen wir die Brezeln heute noch mal von Anfang bis Ende wie früher, richtig handwerklich.“

Kim Müller füllt die kleinen Teiglinge in eine weitere Maschine. Diese presst daraus dünne Rollen, die eher nach Croissants als nach Brezeln aussehen. Die Maschine brummt, ab und zu piept der Ofen laut und schrill, es rattert, surrt. Wird eine Maschine ausgeschaltet, geht die nächste an.

Man merkt, wie eingespielt das Team ist. Jeder weiß, wann er was erledigen muss. Unaufgefordert holt mal der eine, mal die andere neue Bleche, befüllt Teigmaschinen, fegt den Boden. Anders gehe es in einer so kleinen Backstube aber auch nicht, meint Marco Müller. Zusammen mit der Verkaufsfläche, den Lager- und Kühlräumen, der Backstube und der Konditorei umfasst die Bäckerei gerade einmal 450 Quadratmeter.

Müller nimmt eine Handvoll der dünnen Rollen und wirft sie auf die Holzwerkbank. Er greift sich eine, fängt an, sie zu rollen: Erst mittig, dann immer weiter außen, sodass die Brezel einen schönen, dicken Bauch bekommt. Mit routiniertem Schwung schlingt Müller die Teigschlange. Es dauert keine zehn Sekunden, bis eine neue Brezel auf dem Backblech liegt. Das erste ist nach wenigen Minuten voll.

Beim Brezelschlingen ist jede Hand gefragt. Für Bardhyl Delijaj, Marco Müller, Kim Müller, Uwe Müller (verdeckt) und Claudia Fenger (von rechts) ist die Arbeit Routine.

© Melanie Maier

Beim Brezelschlingen ist jede Hand gefragt. Für Bardhyl Delijaj, Marco Müller, Kim Müller, Uwe Müller (verdeckt) und Claudia Fenger (von rechts) ist die Arbeit Routine.

Gelernt hat der 30-Jährige das bereits in seiner Ausbildung, in einer Bäckerei in Weinstadt. „Am Anfang ist es schon schwierig, aber nach zwei, drei Wochen hat man den Bogen raus.“ Brezelschlingen, sagt er, sei ein bisschen wie Radfahren: „Sobald man es kann, schwätzt man nebenher und muss auch gar nicht mehr groß hingucken.“ Seine Tipps: Den Bauch anvisieren, den man frei lässt, und die Teigschlange zur Seite hin mit gleichmäßigem Druck ausrollen. „Man darf sie nicht ziehen!“, betont er. Wie die perfekte Brezel für ihn aussieht? „Sie hat nicht zu dünne Ärmchen und einen goldgelben Ausbund, am Bauch etwas Salz.“ Mit dem eigenen Produkt ist er zufrieden: „Manche Kunden kommen für unsere Brezeln sogar aus Fellbach.“

Seit acht Jahren arbeitet Marco Müller im Betrieb der Eltern. Dass er einmal Bäcker werden möchte, war ihm früh klar. „Ich durfte schon als Kind in der Backstube mit anpacken, die Vorteige anrühren und so, das hat mir immer gefallen“, sagt er. Selbst der frühe Arbeitsstart macht ihm nichts aus: „Das ist alles Gewöhnungssache.“ Der Mittagsschlaf sei aber wichtig, fügt er an.

Um 6.15 Uhr schiebt er die vollen Bleche in den Gärraum. „Das ist quasi die Sauna für die Brezeln“, erläutert Müller. „Bei 30 Grad dürfen sie noch ungefähr eine Stunde vor sich hin reifen.“

Nach der Brezelruhepause lassen der Juniorchef und Daniel Kress, der für den Ofen zuständig ist, das Kleingebäck durch die Laugenmaschine laufen. „Die Brezeln bekommen quasi eine Dusche“, sagt Müller. Von oben spritzt Laugen-Wasser-Mischung auf das Gebäck. Auf der anderen Seite des Geräts schlitzt Kress die glänzenden Bäuche auf und streut Salz darüber. Anschließend gehen die Brezeln für zehn, zwölf Minuten in den Ofen. Den Timer stellt Kress aber nur auf neun Minuten, damit sie nicht versehentlich zu dunkel werden.

Daniel Kress ist für den Ofen zuständig. Mit dem „Schießer“ holt er die Brezeln heraus.

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Daniel Kress ist für den Ofen zuständig. Mit dem „Schießer“ holt er die Brezeln heraus.

Schon nach kurzer Zeit verfärbt sich der Teig, wird goldbraun. „Wir backen unsere Brezeln direkt auf der Herdfläche, dadurch werden sie knuspriger als auf einer Folie – ähnlich wie bei einer Steinofenpizza“, sagt Müller. Höchstens drei bis vier Bleche Teiglinge pro Tag bleiben übrig. Sie ergeben neuen Vorteig oder werden eingefroren.

Pünktlich nach neun Minuten piepst der Ofen. Daniel Kress schaut kurz hinein. Er lässt die Brezeln noch ein, zwei Minuten in der Hitze, bevor er sie mit einer schneeschippenartigen Schaufel, dem „Schießer“, herausholt und in hellgraue Körbe füllt, die sofort in den Verkaufsraum wandern. Es ist kurz vor 8 Uhr. Wer seine Brezel jetzt kauft, bekommt sie ofenwarm.

Vom Teigling zur Brezel

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„Sie hat nicht zu dünne Ärmchen und einen goldgelben Ausbund, am Bauch etwas Salz.“

Marco Müller (Juniorchef Bäckerei Trefz), über die perfekte Brezel

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Erstellt:
26. April 2022, 06:00 Uhr

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