Walderlebnisse im Freien und im Kleinen
Der 20. Tag des Schwäbischen Waldes hat gestern coronabedingt mit reduziertem Programm stattgefunden. Rege haben die Ausflügler Themenwanderungen und andere Angebote wahrgenommen. Mit etwas Glück ist man auch der Waldfee begegnet.
Von Nicola Scharpf
MURRHARDT/SULZBACH AN DER MURR. Viel im Freien sein und in kleinen Gruppen etwas unternehmen: Das charakterisiert den Tag des Schwäbischen Waldes. Auch im Coronajahr 2020, in dem der Tag des Schwäbischen Waldes seine 20. Auflage gefeiert hat, ließ sich der traditionelle Aktionstag gestern daher umsetzen.
So feiert der Schwäbische Wald: In den Vorjahren hat es eine zentrale Auftaktveranstaltung zum Tag des Schwäbischen Waldes an einer der vielen, vielen Stationen in einer der teilnehmenden Gemeinden gegeben. Ohne Corona wäre es wohl auch im Jubiläumsjahr so gewesen. Stattdessen ist man dieses Mal dezentral unterwegs. Es gibt keinen offiziellen Part, der das 20-jährige Bestehen wort- und programmreich würdigt. Landrat Richard Sigel und die Schwäbische Waldfee Leonie Treml sind dennoch im Schwäbischen Wald unterwegs und tauchen an ausgewählten Orten auf. So sind die beiden in Welzheim kurz vor Mittag anzutreffen, als der Jubiläumszug – die Schwäbische Waldbahn feiert dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen – im Tannwald haltmacht. Mittags dreht die Waldfee eine Runde durch die Kaisersbacher Kräuterterrassen, bevor sie in ihrem grünen Feen-Outfit die Ausflügler am geologischen Pfad in Gaildorf, am Naturparkzentrum in Murrhardt und beim Rathaus in Sulzbach an der Murr überrascht. Das Programm ist mit 30 Punkten zwar deutlich reduziert gegenüber den Vorjahren. Aber: „Das Wesen des Aktionstages, Veranstaltungen in kleinen Gruppen und viel draußen anzubieten, hat uns positiv in die Karten gespielt“, sagt Barbara Schunter, Geschäftsführerin des Vereins Schwäbischer Wald Tourismus. „Wir spüren einen deutlichen Erholungsdruck auf den Schwäbischen Wald. Die Menschen sind ausgehungert.“
So läuft’s im Wald: Diese Sehnsucht nach Veranstaltungen und das Entfallen der Startgebühr im Jubiläumsjahr dürften die Erklärung dafür sein, dass sich für den Wandermarathon mit knapp 500 Teilnehmern mehr als doppelt so viele Starter wie sonst angemeldet haben. Morgens um acht Uhr haben die beiden Waldmeister Walter Hieber und Manfred Krautter am Sulzbacher Rathaus, wo die drei Strecken unterschiedlicher Länge beginnen, bereits alle Hände voll zu tun, die Frühaufsteher unter den Bewegungsfreudigen startklar zu machen. Darunter sind Tanja aus Oberstenfeld, die schon mehrere 40-Kilometer-Wanderungen absolviert hat, und Lilly aus Wüstenrot, die mit einem gebrochenen Zeh antritt. „Es zwickt schon ein bisschen. Aber wegen allem die Flinte ins Korn werfen?“ Die beiden Frauen, für die es die vierte Teilnahme an einem Wandermarathon der Wandermeister ist, haben sich die Halbmarathonstrecke vorgenommen. „Wir wollen gemütlich laufen. Es soll Entspannung sein und kein Wettbewerb, dieser Gedanke steht nicht im Vordergrund“, sagt Lilly. „Es reicht, wenn man im Alltag Termindruck hat.“ Jürgen Hirsch ist morgens aus Göppingen angereist, um dabei zu sein. Statt in klotzigen Wanderstiefeln läuft er barfuß. Es stärkt seine Fußmuskulatur, seine Psyche, sein Immunsystem. Es dient der Entschleunigung, dem Stressabbau, der Erdung: „Barfuß ist alles schöner.“ Er laufe das ganze Jahr über barfuß, auch im Winter, nur in der Arbeit nicht. Im Rucksack hat er dennoch Schuhe dabei. Bei grobem, spitzigem Schotter zieht er Schuhe an. Ob bei einem Spaziergang mit Alpakas oder einem mit Bürgermeister, ob ausgedehnt oder knapp gehalten, den Schwäbischen Wald zu Fuß zu erkunden, das ist nur eine Möglichkeit beim Aktionstag. Der Naturraum lässt sich auch erfahren, auf zwei Rädern zum Beispiel bei der Berg-und-Wieslauftal-Tour für Radfahrer in Rudersberg oder auf Segwaytouren in Aspach und Murrhardt. Wer viele Räder bevorzugt, ist in der Schwäbischen Waldbahn, die gestern bereits ab Stuttgart gefahren ist, richtig aufgehoben. Und wer es kleinspuriger mag, findet in der Gartenbahn in Spiegelberg das Passende.
So schmeckt der Wald: Auf etwas andere Art als sonst zeigt der Schwäbische Wald dieses Mal, was er kulinarisch zu bieten hat. Wer möchte, kann beim Aktionstag sonst von einem Gaumenschmaus zum nächsten tingeln, denn die Reihe der kulinarischen Angebote reißt nicht ab. In dieser Hinsicht ist der Waldtag übersichtlicher als in den Vorjahren: ein bisschen Weißwurstfrühstück auf der Lümmelwiese beim Kabirinett in Großhöchberg, ein bisschen musikalischer Frühschoppen im Fautenhau, ein bisschen Salzkuchen beim Herbschd-Feschdle in Cottenweiler, ein bisschen Kuchen beim Wanderheim Eschelhof. Wer den Tag des Schwäbischen Waldes schon am Samstag eingeläutet hat, kommt in Rietenau bei Wein und Most in den Genuss von Häppchen. Und beim Whisky-Trail durch die Schwäbischen Highlands bei Vordermurrhärle gesellt sich zum hochwertigen schottischen Single Malt ein Qualitätsburger mit Fleisch vom Gallowayrind. Der Trail bringt mit der Whisky-Verkostung einerseits und der Wanderung andererseits das Geschmacks- mit dem Naturerlebnis zusammen. Ganz ursprüngliche Geschmackserlebnisse haben die Kaisersbacher Kräuterterrassen, die erstmals beim Tag des Schwäbischen Waldes dabei sind, zu bieten. 270 Kräuter warten hier vor grandioser Landschaftskulisse darauf, befühlt, beschnuppert und probiert zu werden. In verschiedene Beete aufgeteilt gibt es hier Dekokräuter, Küchenkräuter, Heilkräuter, Färbekräuter, Teekräuter und – mit Voranmeldung – bei Führungen mit der Murrhardter Kräuterpädagogin Petra Baader Informationen über selbige. Der Zuspruch ist rege, worüber sich Mona Winter, die Vorsitzende des Gastgebervereins Kaisersbach, der die Kräuterterrassen mit 27 Paten betreut, sichtlich freut.
Das erzählt der Wald: Naturpädagogische, kulturelle, kulturhistorische Angebote und Themenwanderungen, die ihren Fokus auf einen Aspekt des Waldes legen, sind traditionell mit dem Tag des Schwäbischen Waldes verbunden. Die Waldbox von ForstBW, die nahe des Eschelhofs mit einem interaktiven Familienparcours Station macht, weitet den Blick. Denn der Wald ist eine ganze Welt: Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen, Rückzugs- und Erlebnisraum für Menschen, Rohstofflieferant, Luftfilter. Eine ganze Welt zu eröffnen, ist auch das Anliegen von Petra Weller: Erstmals hat die ausgebildete Märchenerzählerin einen Märchenspaziergang für Familien angeboten. 20 Teilnehmer treffen sich in Siegelsberg, um durch Wald und Wiesen zu spazieren und sich dabei von Geschichten über das Leben der Waldtiere verzaubern zu lassen. Petra Weller erzählt lebhaft vom Mäusemarielchen, das in die große weite Welt hinausgeht, um den Stärksten zum Heiraten zu suchen und schließlich beim kleinen Mäusekerl fündig wird. In der Kühle des Waldes erzählt sie vom Igelchen, das Schweine im Eichenhain hütet und die jüngste Tochter des Königs zur Frau haben will. Die Kinder und ihre Eltern lauschen aufmerksam. „Auf eine schlichte Art, nämlich durch das gesprochene Wort, lässt sich eine ganze Welt eröffnen“, freut sich Petra Weller über das Mittel, mit der Sprache, die Schätze des Waldes und der Natur zu präsentieren.
Tag des Schwäbischen Waldes
Regen Zuspruch fanden die Angebote, die es zum 20. Tag des Schwäbischen Waldes gab. Landschaftsgenuss traf auf Veranstaltungsvielfalt. Es eröffnete sich eine facettenreiche Welt des Waldes.
Eine Bildergalerie mit weiteren Fotos vom Tag des Schwäbischen Waldes gibt es im Internet unter www.bkz.de.