Warum man jetzt Blutspenden sollte

Heute ist der Tag der Blutspende. Aktuell sind die Vorräte an Blutkonserven knapp, auch in den Rems-Murr-Kliniken. Damit es nicht zu einem Notstand kommt, appellieren die Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes dringend dazu, Blut zu spenden.

Jeder kann mit einer Blutspende nicht nur anderen, sondern auch sich selbst etwas Gutes tun. Archivfoto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Jeder kann mit einer Blutspende nicht nur anderen, sondern auch sich selbst etwas Gutes tun. Archivfoto: Jörg Fiedler

Von Anja La Roche

Rems-Murr-Kreis. Zum heutigen Tag der Blutspende schlagen die Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Alarm. Das Auslaufen der Coronaregelungen, hohe Temperaturen, Ferien, Feiertage sowie ein hohes Reiseaufkommen sorgen seit Wochen für eine rückläufige Spendenbereitschaft und mittlerweile für eine bundesweit kritische Versorgungslage. Dabei werden täglich etwa 15 000 Konserven für Operationen, die Behandlung schwerer Krankheiten und zur Versorgung von Unfallopfern benötigt.

Auch in den Rems-Murr-Kliniken in Winnenden ist der Vorrat an Blutkonserven derzeit knapp, bestätigen die Chefärzte Stefan Kath und Heiner Lange. Laut der Webseite des DRK Baden-Württemberg / Hessen ist der Vorrat (Stand gestern) bei allen Blutgruppen niedrig bis kritisch; bei der Blutgruppe „Null negativ“ sogar bedrohlich.

Das DRK wirbt mit einer neuen Kampagne

Bisher spenden lediglich drei Prozent der Bevölkerung ihr Blut. Mit der Kampagne „#missingtype“ will das DRK auf den akuten Mangel aufmerksam machen und neue Spender gewinnen. Prominente Botschafter der Kampagne sind der Fußballer Leon Goretzka und die Schlagersängerin Vanessa Mai aus Backnang. Die DRK-Verbände appellieren, „die angebotenen Termine über den Sommer hinweg zu nutzen“. Nur so könne ein Konservennotstand abgewendet werden.

Das Ziel des DRK ist es, mit der Kampagne nicht nur Personen für eine erste Blutspende zu begeistern, sondern sie als „kontinuierlich aktive Lebensretter für die Blutspende zu gewinnen“. An diesem Freitag sind zum Beispiel noch Termine in Oppenweiler offen (siehe Infokasten).

Alle Blutbestandteile werden benötigt

Sowohl Vollblutspenden als auch einzelne herausgefilterte Bestandteile werden benötigt; darunter fallen Präparate mit roten und weißen Blutkörperchen sowie Blutplättchen und Plasma. „Mit Blick auf Plasmaprodukte ist die Versorgung aktuell gewährleistet, da diese Produkte eine deutlich längere Haltbarkeit haben. Jedoch ist abhängig von der Dauer der Pandemie auch hier mittelfristig mit Versorgungsengpässen zu rechnen“, teilt das DRK mit. Rote Blutkörperchen sind nur etwa 42 Tage haltbar, Blutplättchen sogar nur vier bis fünf Tage.

In den Rems-Murr-Kliniken in Winnenden ist noch kein Fall eingetreten, bei dem ein Patient nicht mit dringend benötigtem Blut versorgt werden konnte. Das liege an der in Deutschland flächendeckenden Infrastruktur, der noch ausreichenden Spendenbereitschaft und der vorausschauenden Transfusionsstrategie, so die Chefärzte Kath und Lange.

Ein Arzt gibt grünes Licht für die Spende

Viele Leute würden zwar gerne etwas zum allgemein notwendigen Bedarf an Blutkonserven beisteuern, trauen sich aber aufgrund gesundheitlicher Sorgen nicht. Die Allgemeinmediziner Daniela und Jens Steinat, die eine Hausarztpraxis in Oppenweiler führen, können jegliche Sorgen nehmen. „Im eigentlichen Sinne ist die Blutspende nie ungesund“, sagt Daniela Steinat. Und wenn sie das doch sein könnte, dann wird der jeweiligen Person auch kein Blut entnommen. „Daher werden alle Blutspender vorher ärztlich untersucht“, erklärt die Ärztin. Zum Beispiel gebe es bei manchen Personen Risiken wie auftretende Herz-Kreislauf-Beschwerden. „Auch bei bestehender Blutarmut sollte man nicht spenden, sondern diese stattdessen durch Eisensubstitution ausgleichen“.

Allgemein empfohlen wird Personen, die sich freiwillig dem Aderlass hingeben, auf eine eisenhaltige Ernährung zu achten. Dadurch soll der Verlust des mit dem Blut abgezapften Eisens frühzeitig ausgeglichen werden. Zudem sollten Menschen am Tag der Spende viel trinken und ihrem Körper davor und danach etwas Ruhe gönnen.

Besserer Blutdruck durch das Spenden von Blut

Doch abgesehen davon kann Blutspenden sogar gesund sein. Zum Beispiel senkt es bei Hypertonie-Betroffenen den Blutdruck, wie eine Studie von Sundrela Kamhieh-Milz und Co. 2016 herausfand. Zudem gaben die Studienteilnehmer an, dass sie sich durch regelmäßiges Blutspenden leistungsfähiger fühlten.

Einer der Autoren der Studie, Andreas Michalsen, vermutet, „dass regelmäßige Blutspender im Vergleich zu Nicht-Blutspendern seltener an Erkältungen erkranken und eine gesteigerte Immunabwehr aufweisen.“ Der Oppenweiler Arzt Jens Steinat bestätigt: „Blutspenden hat positive Effekte auf den Blutdruck. Regelmäßige Spender haben zum Beispiel einen dauerhaft niedrigeren Blutdruck.“ Zudem seien positive Effekte auf das Immunsystem, die Infektabwehr und das subjektive Wohlbefinden zu erwarten.

Schlechte Blutwerte kommen ans Licht

Ein weiterer, nicht unwesentlicher, Vorteil ist der kostenfreie Gesundheitscheck, den man als Spender erhält – auch wenn dieser selbstverständlich keine umfassende ärztliche Untersuchung ersetzen kann. „Jedes Blut wird auf übertragbare Krankheiten wie HIV, Hepatitis A/B/C/E, Syphilis und das Parvovirus B19 getestet“, erklärt Ärztin Daniela Steinat. „Zudem wird der Hämoglobinwert (Eisenwert) bestimmt und natürlich auch die Blutgruppe festgestellt“.

Manche Blutspendedienste würden für regelmäßige Spender auch umfangreichere Gesundheitschecks anbieten, inklusive den Werten von Leber, Niere, Cholesterin und der Harnsäure. Das ist laut DRK allerdings bislang nur in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Sachsen und Schleswig-Holstein der Fall.

Ob in der Praxis Steinat Patienten bereits durchs Blutspenden von einer Krankheit erfahren haben? Daniela Steinat bestätigt: „Ja, meistens von einer bestehenden Blutarmut, die dann medikamentös behandelt werden musste. Häufiger wird auch eine bis dato unentdeckte Bluthochdruckerkrankung festgestellt“.

Verschwendung von Eigenblutspenden

Aber es gibt auch Kritiker an den aktuellen Regelungen rund um die Blutspende. Unter ihnen ist der ehemalige Chefarzt der Rems-Murr-Kliniken in Winnenden, Ingolf Hoellen, der 2016 in den Ruhestand gegangen ist. Er kritisiert, dass Eigenblutspenden in Deutschland weggeworfen werden müssen, wenn der Patient sein eigenes Blut nicht benötigt. „Das finde ich eine Schande in Zeiten von Blutmangel“, erklärt Ingolf Hoellen.

Patienten können rechtzeitig vor einer geplanten Operation eigenes Blut abzapfen lassen, das dann bei einem gewissen Blutbildabfall während des Eingriffs wieder zurückgeführt wird. Oftmals wird das eigene Blut allerdings nicht benötigt, und dann eben trotz allgemein mangelnder Blutkonserven vernichtet.

Als Grund dafür wird angeführt, dass Eigenblutspenden nicht so streng auf Krankheiten kontrolliert werden müssen wie Fremdblutspenden.

Ingolf Hoellen kann diese Begründung nicht nachvollziehen: „Die Bedingungen für die Spende sind genauso hoch angesetzt wie bei Fremdblut“. Das sei immer wieder Thema bei Ärztekongressen gewesen, so der pensionierte Chefarzt. Geändert habe sich jedoch nichts.

Unabhängig von dieser Kontroverse ist klar: Regelmäßiges Blutspenden kann Vorteile für die eigene Gesundheit mit sich bringen. Und man kann anderen Menschen das Leben retten. „Man hilft den Mitmenschen, die in Not sind. Das ist doch der wichtigste positive Effekt“, sagt der Arzt Jens Steinat.

Nächster Termin in Oppenweiler

Termin Das DRK Oppenweiler nimmt Blut am Freitag zwischen 14.30 und 19.30 Uhr in der dortigen Gemeindehalle ab. Unter www.drk-blutspende.de findet man viele weitere Termine.

Kein Rückgang Kim-Laura Rützler vom DRK Oppenweiler berichtet: In der aktuellen Ferien- und Sommerzeit wird wie üblich weniger gespendet; am kommenden Freitag sind nur 130 der 200 Termine vergeben. Vergleichbar zu ähnlichen Jahreszeiten vor Corona haben sich aber mehr statt weniger Blutspender gemeldet. Rützler vermutet, dass das an den vielen Stammspendern und der seit Corona eingeführten Online-Terminvergabe liegt. Denn dank dieser und den eingeplanten Pufferplätzen gebe es so gut wie keine Wartezeiten mehr.

Blutmangel Dennoch brauche es noch viel mehr Spender, betont Kim-Laura Rützler. Viele der Stammspender seien älter und könnten nicht mehr allzu lange mitmachen.

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Erstellt:
14. Juni 2022, 06:00 Uhr

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