Neue Studie zu Lungenkrebs

Warum Metastasen so häufig in der Lunge wuchern

Bei Krebspatienten bilden sich Metastasen besonders oft in der Lunge. Ein Grund dafür ist die Aminosäure Aspartat, die in der Lunge häufig vorkommt und Krebszellen über einen komplexen Mechanismus die Ansiedlung erleichtert, wie Biomediziner jetzt herausgefunden haben.

3D-Illustration einer metastasierenden Krebszelle in der Lunge.

© Imago/Dreamstime

3D-Illustration einer metastasierenden Krebszelle in der Lunge.

Von Markus Brauer

Mehr als die Hälfte der Krebspatienten, bei denen sich ein Tumor über die primäre Stelle hinaus in andere Körperteile ausbreitet, haben Metastasen in der Lunge. Das legt nahe, dass dieses Organ besonders anfällig für Krebs ist.

Die Lunge – ein verlockender Ort für Krebszellen

Aber was macht die Lunge zu einem derart beliebten Ort für Krebszellen? Ein Grund: Aufbau und Milieu der Lunge sind für Tumorzellen von Vorteil. Doch das allein kann die festgestellte Häufung nicht hinreichend erklären.

Warum sich Metastasen oft in der Lunge bilden, hat jetzt ein Forscherteam um Ginevra Doglioni von der Katholischen Universität (KU) Leuven in Belgien untersucht. Dafür nahmen die Biomediziner Proben von aggressiven Lungenmetastasen aus krebskranken Mäusen und Menschen und analysierten per RNA-Sequenzierung, welche Gene in den einzelnen Zellen aktiv sind, und welche Nährstoffe dort vorkommen. Die Studie ist im Fachmagazin „Nature“ erschienen.

Nature research paper: Aspartate signalling drives lung metastasis via alternative translation https://t.co/PxGwDd15Dc — nature (@Nature) January 2, 2025

Zellen in Lungenmetastasen stellen andere Proteine her

Die Forscher fanden bei ihren Untersuchungen Hinweise für ein überaktives „Übersetzungsprogramm“. Demnach wird der genetische Code in den Krebszellen in größerem Ausmaß in Proteine übersetzt als in gesunden Körperzellen.

Auslöser dafür ist eine nachträgliche Modifikation des sogenannten Initiationsfaktors eIF5A (englisch: Eukaryotic Translation Initiation Factor 5A). Dabei handelt es sich um ein Protein, das beim Menschen vom eIF5A-Gen kodiert (verschlüsselt) wird) und die genetische Translation (Übersetzung) in Gang setzt. Initiationsfaktoren sind Proteine und Proteinkomplexe in den Zellen aller Lebewesen, die notwendig für eine effiziente Translation der mRNA sind.

Was ist Messenger-RNA?

  • mRNA oder Messenger-RNA sind RNA-Moleküle mit verschiedenen Funktionen und Eigenschaften.
  • RNA – Ribonukleinsäure – hat wie DNA (Desoxyribonukleinsäure) eine wichtige, aber andere Funktion in der Genetik. Beides sind Nukleinsäuren.
  • Nukleinsäuren sind aus einzelnen Bausteinen (Nukleotiden) aufgebaute Makromoleküle, die bei allen Organismen (Viren und Zell-Organismen) die genetische Informationen enthalten.
  • Während die DNA den genetischen Code des Erbguts und somit den Bauplan des Lebens speichert, hat die RNA eine zentrale Rolle bei der Proteinbiosynthese sowie wichtige regulatorische Funktionen.
  • mRNAs spielen bei der Produktion von Eiweißen (Proteinen) im Körper eine zentrale Rolle. Die Baupläne der körpereigenen Proteine sind im Erbgut – in der DNA im Zellkern – gespeichert. Sie werden dort in mRNA umgeschrieben. Ist die mRNA mit dem Bauplan für ein Protein gebildet, verlässt sie den Zellkern. Außerhalb des Zellkerns lesen dann sogenannte Ribosomen – Proteinfabriken der Zellen – diesen Bauplan ab und stellen das entsprechende Protein her.
  • Proteine sind die Motoren des Lebens. Erst durch sie können unsere Zellen arbeiten, wachsen und verschiedene Funktionen übernehmen. Auch Enzyme, Hormone und viele Immunbotenstoffe sind Proteine. Ohne sie wäre kein Leben möglich.
  • Aminosäuren kommenin allen bekannten Lebewesen vor. Sie sind die Bausteine von Proteinen und werden frei bei der Zerlegung von Proteinen – der sogenannten Proteolyse.
  • Durch die Modifikation ist eIF5A überaktiv, so dass eine Reihe von Proteinen verstärkt hergestellt werden. Darunter ist auch Kollagen, das es den Krebszellen erleichtert, in der Lunge zu wachsen. Die Folge sind aggressivere Metastasen in der Lunge. Kollagen gibt als Strukturprotein Knochen, Gelenken, Haut und Gewebe Halt. Es ist das am häufigsten im menschlichen Körper vorkommende Eiweiß.

Aspartat verändert Proteinproduktion in Krebszellen

Aber wie kommt es zu dieser vermehrten Proteinherstellung in aggressiven Metastasen? „Wir fanden hohe Aspartat-Spiegel in der Lunge von Mäusen und Patientinnen mit metastasierendem Brustkrebs im Vergleich zu Mäusen und Patientinnen ohne Krebs“, berichtet Doglioni. „Das deutet darauf hin, dass Aspartat für die Lungenmetastasierung wichtig sein könnte.“

Aspartat ist eine Aminosäure, die im Blut nur in sehr niedrigen Konzentrationen vorkommt. In der Lungenflüssigkeit von Mäusen und Menschen mit Krebsmetastasen kommt dieser Proteinbaustein dagegen in sehr großen Mengen vor. Dort bindet Aspartat an einen Oberflächen-Rezeptor auf den Krebszellen und löst so eine Kettenreaktion aus, die letztlich zur Modifikation von eIF5A führt, wie die Experimente zeigten. Auf diese Weise führt Aspartat zu der veränderten Proteinproduktion in den Krebszellen.

Besonderheit von Lungenmetastasen

Krebszellen in Lungenmetastasen besitzen zudem mehr von Aspartat-bindende Rezeptoren als Krebszellen in Metastasen aus anderen Organen.

„Diese Korrelation deutet darauf hin, dass die Aspartat-Signalübertragung ein charakteristisches Merkmal von Krebszellen sein könnte, die in der Lunge wachsen“, erklärt Sarah-Maria Fendt von der KU Leuven. Demnach sorgt eine Kombination aus hohem Aspartatspiegel und speziellen Krebszellen in der Lunge dafür, dass dort besonders viele Zweittumore auftreten.

Die Erkenntnisse könnten künftig helfen, Krebspatienten zu behandeln und Metastasen zu verhindern. „Es gibt Medikamente, die auf den von uns identifizierten Mechanismus abzielen, so dass mit weiterer Forschung eine Übertragung in ein klinisches Umfeld möglich sein könnte“, sagt Sarah-Maria Fendt.

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Erstellt:
6. Januar 2025, 09:12 Uhr
Aktualisiert:
6. Januar 2025, 13:22 Uhr

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