Was Bettwanzen mit Renten verbindet
Russland führt Krieg mit falschen Nachrichten. Für diese Gefahr braucht es mehr Bewusstsein.
Von Rebekka Wiese
Berlin - Im vergangenen Jahr gab es eine große Bettwanzen-Plage in Paris. Das dachten zumindest viele. Immerhin gab es etliche Schlagzeilen über Bettwanzen in der Metro, in Kinos und Schulen der französischen Hauptstadt. Das französische Parlament diskutierte darüber, Minister kamen zu Krisentreffen zusammen. Das Verkehrsministerium ordnete eine Untersuchung der Pariser Bahnen an. Und fand: keine Bettwanzen. Inzwischen geht die französische Regierung davon aus, dass die Hysterie gezielt geschürt und befeuert wurde – aus Moskau. Wer die Berichte über die Bettwanzen gelesen und geglaubt hat, ist somit Opfer russischer Einflussnahme geworden.
Bestimmte Nachrichten und Meinungen künstlich zu verstärken oder falsche Meldungen zu erfinden und einzustreuen, zählt zu den mächtigsten Instrumenten der hybriden Kriegsführung des Kremls – und zu den am meisten unterschätzten. Dass Russland auch in Deutschland versucht, die politische Stimmung im eigenen Interesse zu beeinflussen, ist in den vergangenen Jahren oft berichtet und gezeigt worden. Trotzdem wird die Gefahr nicht ernst genug genommen. Das muss sich endlich ändern.
Die aus Russland gesteuerte Bettwanzen-Hysterie mag skurril wirken. Aber sie ist ziemlich ernst. Kampagnen wie diese sollen das Vertrauen in staatliche Institutionen schwächen und die Demokratie destabilisieren. In Paris sah es erst so aus, als sei der Staat unfähig, ein eigentlich simples Problem zu lösen. Als später herauskam, dass sogar die Regierung auf eine russische Kampagne hereingefallen war, trug auch dies nicht zum Staatsvertrauen bei. Wie würde die Bevölkerung jetzt wohl reagieren, wenn es tatsächlich eine solche Plage gäbe? Nicht ausgeschlossen, dass viele das nicht ernstnehmen würden.
Russlands Saat geht auf. Auch in Deutschland manipuliert der Kreml Nachrichten. Vor zwei Jahren deckten Behörden die sogenannte Doppelgänger-Kampagne auf, die verschiedene Manipulationstaktiken nutzt. Unter anderem verbreitet sie Links, die zu täuschend echt wirkenden Fälschungen von Nachrichtenseiten führten. „Renten der Deutschen werden in der Ukraine verbrennen“, war zum Beispiel auf einer Klon-Website der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zu lesen – ein Artikel, den die Redaktion nie verfasst hatte.
Was wichtig ist, um zu verstehen, wie diese Kampagnen vorgehen: Es geht nicht nur um Falschnachrichten à la Bettwanzen-Plage. Die erfundenen Meldungen sind nur ein Teil davon. Ein anderer ist Stimmungsmache auf sehr hohem Niveau. Das funktioniert, indem Russlands Fake-Fabriken in den sozialen Medien bestimmte Positionen automatisiert verbreiten. Dem Kreml genehme Meinungen werden dann künstlich tausendfach verstärkt. Darin liegt die Gefahr. Ziel dieser Strategie ist es, bestimmte politische Kräfte in Deutschland zu stärken – etwa AfD und BSW, die russlandfreundliche Positionen vertreten.
Um das zu verhindern, müssen soziale Netzwerke stärker in die Pflicht genommen werden. Es geht nicht darum, bestimmte Inhalte oder Meinungen zu verbieten. Sondern nur darum sicherzustellen, dass die Verbreitung nicht von Russland manipuliert wird. Es liegt aber auch an jedem Einzelnen zu prüfen, woher welche Information kommt. Und nicht zuletzt sind die Medien selbst in der Verantwortung. Über die Bettwanzen in Paris wurden Tausende Artikel geschrieben. Dass es keine offiziellen Zahlen gibt, die die Plage bestätigen, wurde selten erwähnt.
Was noch nicht genug verstanden wird: Russland führt auf diesem Weg schon längst einen Krieg gegen Deutschland – nicht mit Raketen, aber mit gezielter Manipulation.