Neue Sicherheitspolitik
Was Trump von den Römern lernen könnte
Die USA kanzeln mit ihrer neuen Sicherheitspolitik Europa ab. Genau darin liegt eine gewaltige Chance für Deutschland, meint unser Autor Franz Feyder.
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© dpa/Kay Nietfeld
Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Emblem der Nato
Von Franz Feyder
Lassen Sie uns über Chancen reden – und dafür einen kurzen Ausflug in die Geschichte machen. Hilfskohorten waren über Jahrhunderte entscheidend für die Expansionspolitik und den Machterhalt römischer Kaiser. Die in den unterworfenen Provinzen rekrutierten Militärverbände ergänzten die römischen Legionen zahlenmäßig. Sie hatten Bogenschützen, leichte Infanterie und Reiterei, die den Römern gänzlich fehlte. Sie waren als schnell verlegbare Einheiten verfügbar und sicherten die Nachschubwege des antiken Roms.
Am vergangenen Freitag haben die USA deutlich gemacht, was sie von ihren europäischen Nato-Partnern halten: Sie sind im neuen Reich des Donald Trump als dessen Hilfskohorten – lateinisch Cohortes Auxiliares – vorgesehen. Vorsorglich will der 78-Jährige schon einmal wie ein Schulmeister Zettelchen von den Verbündeten ausfüllen lassen, auf denen die brav Anzahl der Soldaten und Art der Ausrüstung notieren sollen. Die will der selbst ernannte Friedensfürst nach einem Deal mit dem Russendiktator Wladimir Putin in die Ukraine geschickt wissen. Grenzsicherung also – eine der wichtigsten Aufgaben römischer Hilfskohorten.
Die USA waren schon einmal existenziell auf ihre Verbündeten angewiesen
Wahrscheinlich hat dem US-Präsidenten noch niemand erklärt, dass die USA bei einem möglichen militärischen Engagement im indopazifischen Raum existenziell auf ihre europäischen Verbündeten angewiesen ist: Im Ersten Golfkrieg 1990/91 steuerten Großbritannien und Frankreich Soldaten zur US-Invasionsarmee gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein bei. Deutschland lieferte für 16 Milliarden Dollar Ausrüstung, Waffensysteme, Munition und versorgte Verwundete.
Die US-Invasion in Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wäre ohne die europäischen Verbündeten nicht möglich gewesen. Dass Trump im Februar 2020 – ohne Absprache mit seinen Partnern – den Zeitplan den Abzug seiner Truppen vom Hindukusch bis zum Mai 2021 vorgab , führte entscheidend mit zum Desaster von Kabul wenige Monate später. Auch ungezählte römische Kommandeure und Tribune von Hilfskohorten kannten dieses Chaos, das ihre unfähigen Vorgesetzten viel zu oft verursachten.
Die US-Invasion in den Irak 2003 wäre ohne die logistische, infrastrukturelle und auch direkte militärische Unterstützung durch die europäischen Verbündeten zu einem Desaster für die USA geraten. Nicht zuletzt wurde deutlich: US-Präsidenten überschätzen den Kampfwert ihrer Streitkräfte notorisch.
Für eine Auseinandersetzung mit China wird Trump Europas Hilfe brauchen. Auch wenn kein Schuss fällt – und erst recht wenn. Ohne die britischen und französischen Militärstützpunkte in der Region wird er keine Macht im indopazifischen Raum demonstrieren können. Ohne deutsche U-Boote, ohne Europas Marine und ohne Nato-Luftaufklärung wird er das Seegebiet kaum kontrollieren können. Ohne Europa als logistisches Drehkreuz kein Essen, keine neuen Unterhosen für seine Soldaten. Die Nato ist auf den euro-atlantischen Raum fokussiert.
Die Macht der Hilfskohorten
Europa hat also allen Grund, dem Absolutisten im Weißen Haus selbstbewusst und auf Augenhöhe gegenüberzutreten. Gerade dann, wenn die EU-Sicherheitspolitik nach allen rhetorischen Bekenntnissen in den vergangenen Jahrzehnten ernst genommen und finanziell abgesichert aktiv gestaltet wird. Für Trump mag ein Blick in die Geschichtsbücher spannend sein: Es war der unzufriedene Kommandeur von Hilfskohorten, der im Jahr 9 drei römische Legionen in Germanien vernichtete. Die von der Fahne gegangenen, fehlenden Hilfskohorten trugen Jahrhunderte später entscheidend zum Zusammenbruch des römischen Reiches bei.