Weg zur Gigabit-Stadt ist noch weit

Glasfasernetz bis in jedes Backnanger Haus würde 60 Millionen Euro kosten – Stadt setzt auf Kooperation mit privaten Anbietern

Verglichen mit manchen ländlichen Gemeinden im Umland ist das Internet in Backnang schon recht schnell: 94 Prozent aller Haushalte erreichen Übertragungsraten von mindestens 30 Megabit pro Sekunde. Doch schon in wenigen Jahren wird das nicht mehr reichen. OB Frank Nopper würde Backnang deshalb gerne zur Gigabit-Stadt machen – das wird allerdings nicht billig.

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Auch in Backnang zeigt der Breitbandatlas noch weiße Flecken: Am Stiftsgrundhof, am Ungeheuerhof oder in Oberschöntal surfen die Bewohner momentan mit weniger als 30 Megabit pro Sekunde. Der größte Teil des Stadtgebiets ist auf der Karte allerdings grün eingefärbt. Also alles bestens? Nicht ganz, denn was heute noch als schnelle Verbindung gilt, dürfte schon in wenigen Jahren überholt sein. „Wir gehen davon aus, dass die Anforderungen an die Bandbreite in den nächsten zehn Jahren um den Faktor 13 steigen werden“, erklärt Jürgen Deller vom Backnanger Beratungsunternehmen tkt. Mit den heute noch weitverbreiteten Kupferkabeln werden sich solche Datenmengen nicht mehr transportieren lassen: „Wir werden an Glasfaserleitungen bis in die Häuser nicht vorbeikommen“, sagt Deller. Wie sich das in Backnang realisieren ließe, hat tkt im Auftrag der Stadt untersucht.

Die Ergebnisse der mit Fördergeldern des Bundes finanzierten Gigabit-Studie hat Deller nun im Backnanger Gemeinderat vorgestellt. Die Beratungsgesellschaft hatte dafür die Internetanbindung aller 8382 Häuser in Backnang untersucht und anschließend ermittelt, was es kosten würde, sie alle an ein Glasfasernetz anzuschließen. Die Zahl, die die Experten dabei errechnet haben, ist allerdings gewaltig: Wollte man Glasfaserleitungen bis in jedes Haus legen, würde das rund 60 Millionen Euro kosten. „Man müsste dafür rund 1850 Kilometer Kabel verlegen“, erklärte Jürgen Deller. Alleine die Tiefbauarbeiten würden mehr als 38 Millionen Euro kosten.

Dass die Stadt dies aus eigener Kraft stemmt, ist utopisch und auf Zuschüsse kann Backnang derzeit nicht hoffen. Die Fördergelder des Bundes fließen nämlich erst einmal in den ländlichen Raum, wo die Bandbreiten noch schlechter sind. Der städtische Wirtschaftsbeauftragte Ralf Binder sieht den Breitbandausbau aber ohnehin primär als Aufgabe des Markts. Er erinnerte an eine Kooperationsvereinbarung, die die Stadt kürzlich mit dem Telekommunikationsdienstleister Deutsche Glasfaser geschlossen hat. Dieser will in Zusammenarbeit mit Vodafone Glasfaserleitungen in allen Backnanger Gewerbegebieten verlegen. Auch die Deutsche Telekom ist laut Binder dabei, ihr Glasfasernetz auszubauen.

„Jede Tiefbaumaßnahme

wird schonungslos für den Breitbandausbau genutzt“

Klar ist allerdings auch: Unternehmen investieren nur dort, wo es sich für sie wirtschaftlich lohnt. Bei größeren Neubaugebieten, etwa in der Plaisir, habe man keine Probleme gehabt, einen Anbieter zu finden, der auf eigene Rechnung Glasfaserleitungen bis an die Häuser verlegt, berichtete Stadtbauamtsleiter Hans Bruss. Schwieriger ist es im Bestand: Dort sei „in Teilbereichen mit einem Marktversagen zu rechnen“, heißt es in dem Gutachten. Wenn die Stadt ein flächendeckendes Glasfasernetz anstrebt, müsste sie dort selbst aktiv werden.

Investitionen im großen Stil hält Ralf Binder im Moment aber nicht für sinnvoll. Wo immer es möglich ist, will er auch künftig auf Kooperationen mit privaten Betreibern setzen. Die Stadt will diese Bemühungen unterstützen, indem sie bei Tiefbauarbeiten, die ohnehin anstehen, Leerrohre mitverlegt. Diese könnten dann an Betreiber von Glasfasernetzen verpachtet werden, sodass sich diese die teuren Tiefbauarbeiten sparen können. Auch die Stadtwerke verlegen nach Angaben ihres Geschäftsführers Markus Höfer neuerdings überall, wo sie Gas- oder Wasserleitungen erneuern, auch Leerrohre. „Jede Tiefbaumaßnahme wird schonungslos für den Breitbandausbau genutzt“, sagte Oberbürgermeister Frank Nopper. Ralf Binder kann sich auch vorstellen, den Breitbandausbau in den noch schlecht angebundenen Teilorten durch das Verlegen von Leerrohren zu beschleunigen. Das sei allerdings erst sinnvoll, wenn man einen Pächter an der Hand habe, der bereit sei, diese dann auch mit Glasfaserleitungen zu füllen.

Im Gemeinderat bekam der Wirtschaftsbeauftragte Unterstützung für seinen Kurs. „Der Vorschlag ist ausgewogen“, befand die CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert. Grünen-Fraktionschef Willy Härtner regte an, auch an den Einsatz von Richtfunktechnik zu denken: „Man muss ja nicht überall graben.“ Einig war man sich allerdings, dass an der Glasfasertechnik kein Weg vorbeiführt. Wie schnell der Ausbau in Backnang vorankommt, wird wohl auch davon abhängen, welche Fördermöglichkeiten sich in Zukunft bieten werden. Jürgen Deller von tkt rechnet jedenfalls damit, dass der Bund in den nächsten Jahren weitere Programme auflegen wird, die dann auch für Backnang infrage kommen.

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Erstellt:
3. Juli 2018, 06:00 Uhr

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