Ukrainer in Kirchberg: Weihnachten in der Fremde
Für die ukrainische Familie Pachikov ist das Beisammensein mit Freunden und Verwandten an den Feiertagen sehr wichtig. Sie sind froh, dass dies auch an den Festtagen fern der Heimat möglich ist – in Kirchberg an der Murr.

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Die Ukrainer Katerina Pachikova und Emil Pachikov feierten nun mit ihren beiden Kindern das erste Mal fernab ihrer Heimat im Schwabenland Weihnachten. Foto: Alexander Becher
Von Simone Schneider-Seebeck
Kirchberg an der Murr. Vor etwa einem halben Jahr ist Kirchberg an der Murr zur neuen Heimat von Katerina Pachikova und Emil Pachikov geworden. Gemeinsam mit den beiden Kindern bewohnen sie dort eine Einliegerwohnung mit wunderschönem Ausblick auf das Murrtal.
Ganz anders ist es in der beschaulichen kleinen Gemeinde als in ihrer Heimatstadt Melitopol, die in der Oblast Saporischschja etwa 60 Kilometer nördlich des Asowschen Meeres liegt und eigentlich um die 180000 Einwohner hat.
Unterkriegen lassen sie sich von der aktuellen Situation in ihrem Heimatland jedoch nicht. Sehr dankbar sind die beiden, dass sie in der Zweizimmerwohnung untergekommen sind. „Für meine Familie ist es sehr gut“, sagt Emil Pachikov.
Weihnachtsstimmung ist hier trotz der Umstände zu spüren. Ein Adventskalender hängt an der Wand, zwei Adventskränze sind aufgestellt. Die hat Katerina Pachikova selbst gebastelt, zusammen mit der Familie, bei der sie untergekommen sind. „In der Ukraine gibt es diese Tradition nicht“, verrät der Familienvater. Daher sei das gemeinsame Basteln und Schmücken der Kränze eine sehr interessante Erfahrung gewesen und auch schon eine schöne Einstimmung auf die kommenden Festtage. Jeden Sonntag wurde eine neue Kerze angezündet, die dann die ganze Woche über bis zum nächsten Adventssonntag geleuchtet hat. Adventskalender sind dagegen auch in der Ukraine seit einigen Jahren schon bekannt.
Weihnachtsstimmung in schwierigen Zeiten
Sehr froh sind die beiden, dass es den meisten ihrer Familienangehörigen und ihren Freunden gelungen sei, ebenfalls nach Deutschland zu kommen und in der näheren Umgebung eine Unterkunft zu finden. Denn so sei es ihnen möglich, die Weihnachtsfeiertage gemeinsam zu verbringen, genauso, wie sie es auch sonst immer gemacht haben. Bereits an den Adventssonntagen habe man zusammen in Stuttgart den Gottesdienst und anschließend den Weihnachtsmarkt in der Kirche besucht. Auch das ist eine neue Erfahrung, denn Weihnachtsmärkte gibt es bei ihnen keine.
Da Familie Pachikov der evangelischen Kirche angehört, wird traditionell wie hierzulande am 24. Dezember das Weihnachtsfest gefeiert. An diesem Tag haben sie gemeinsam mit Familie und Freunden den Gottesdienst in Stuttgart besucht. Anschließend hat man sich gegenseitig beschenkt, den Rest des Heiligen Abends hat die Familie dann zu viert verbracht. „Familienzeit“, sagt Emil Pachikov und lässt den Blick über seine Frau und die beiden kleinen Jungs schweifen. Die Familie und die Gemeinschaft sind dem ukrainischen Paar sehr wichtig und gehören insbesondere zur Weihnachtszeit einfach dazu. Am zweiten Weihnachtsfeiertag werden daher auch in diesem Jahr Freunde besucht.
An einem Feiertag vor zwei Jahrenin ihrer Heimat hatten sie 25 Gäste
„Im Dezember und im Januar gibt es in der Ukraine viele Feiertage“, erklären die beiden. Und diese werden ausgiebig für Besuche genutzt. Vor zwei Jahren hatten sie sogar 25 Gäste zu Hause bewirtet, erinnert sich der Familienvater.
Für die Anhänger der orthodoxen Glaubensrichtung ist der 6. Januar der Heilige Abend. Daher wird Weihnachten auch oft zweimal gefeiert und gleich zweimal die Gelegenheit zum gemeinsamen Festmahl genutzt. Denn gerade die Gemeinschaft, das Gemeinsame, die Zusammengehörigkeit werden in dieser Zeit besonders gefeiert. So gebe es auch die Überlegung, am 6. oder 7. Januar mit allen Ukrainern in Kirchberg gemeinsam zu feiern.
Nicht aus den Augen verloren wird dabei der eigentliche Grund, weshalb Weihnachten überhaupt ein Festtag ist. In der Stuttgarter Gemeinde, in der die Familie regelmäßig den Gottesdienst besucht, gehört Katerina Pachikova zu den Helfern bei der Sonntagsschule für die Kinder. Zusammen haben sie Engel gebastelt, Lebkuchen gebacken und, ganz wichtig, über die Geburt Jesu gesprochen: „Oft kennen die Kinder gar nicht die wahre Bedeutung des Feiertags, sondern nur Geschenke, Weihnachtsbäume und Adventskalender“, sagt sie. Die Erinnerung an die Geburt Jesu möchte sie unbedingt wachhalten.
Auch wenn das Weihnachtsfest in diesem Jahr anders ist, als die Familie es bisher kannte, blickt sie mit Zuversicht in die Zukunft. „In Melitopol waren wir natürlich daran gewöhnt, dass jeder Verwandte und enge Freunde in der Nähe hat, aber wir sind Gott sehr dankbar für die guten Menschen, die uns hier aufgenommen haben“, erklärt Katerina Pachikova. „Wir haben hier neue Freunde gefunden und viel Neues und Interessantes kennengelernt.“