Weihnachtsmärkte in der Region: Zwischen Nostalgie und Partystimmung
Nach zwei Jahren Coronapause ist die Lust auf Glühwein, Bratwurst und gebrannte Mandeln offenbar so groß wie nie zuvor. Obwohl die Konkurrenz am Wochenende groß war, herrschte auf den Weihnachtsmärkten in der Region dichtes Gedränge.

© Tobias Sellmaier
Für seine urige Atmosphäre ist der Weihnachtsmarkt in Großhöchberg bekannt. Viele Dorfbewohner heißen die Gäste hier in ausgeräumten Garagen, Scheunen und Kellern willkommen.
Von Kornelius Fritz
Rems-Murr. Am zweiten Adventswochenende hatten Weihnachtsmarktfans in der Region große Auswahl. Nach zweijähriger Zwangspause wegen der Coronapandemie finden diesmal auch in vielen kleineren Orten wieder Märkte statt. Dabei hat jeder seinen ganz eigenen Charakter, wie eine Stippvisite in vier Gemeinden zeigt.

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Frank Dürrschnabel serviert heiße Suppe in seiner Heuhütte in Großhöchberg.
Großhöchberg: Nur etwa 100 Einwohner leben in dem zu Spiegelberg gehörenden Weiler, doch wenn alle zwei Jahre der Weihnachtsmarkt stattfindet, pilgern Gäste aus der gesamten Region nach Großhöchberg. „Der Markt ist total urig und man hat das Gefühl, dass das ganze Dorf mitmacht“, beschreibt Klaus Neidhardt aus Großerlach den besonderen Charme. Auch seine Schwester, die extra aus der Nähe von Pforzheim angereist ist, ist begeistert. Zu den Besonderheiten des Großhöchberger Weihnachtsmarktes gehört, dass die Besucher nicht nur an Ständen begrüßt werden, sondern auch in ausgeräumten Garagen, privaten Gärten und Scheunen. Brigitte Hanke hat sogar ihre Waschküche zum Verkaufsraum umfunktioniert. Auf der abgedeckten Waschmaschine verkauft sie selbst genähte Deckchen. Wer den Kellerraum des alten Fachwerkhauses betritt, muss den Kopf einziehen, um nicht an die Deckenbalken zu stoßen. Der Stand von Frank Dürrschnabel besteht aus einer selbst gezimmerten Holzkonstruktion, die er mit Heuballen ausgestopft hat. Darin serviert er einen „500-Meter-Marsch“. Der deftige Eintopf trägt seinen Namen, weil fast alle Zutaten im Umkreis von 500 Metern angebaut wurden. Die Idee für den Großhöchberger Weihnachtsmarkt hatte vor zwölf Jahren Siegfried Malek, der Vorsitzende des Musikvereins Spiegelberg. „Wir wollten einen nostalgischen Markt machen, ohne Bistrotische, Zelte oder Schirme“, erzählt er. Der Aufwand ist dadurch zwar größer, aber das Konzept kommt gut an. Inzwischen ist die Resonanz so groß, dass erstmals an beiden Tagen Shuttlebusse zwischen Großhöchberg, Spiegelberg und Sulzbach an der Murr pendelten. Damit wollten die Veranstalter diesmal das Parkchaos vermeiden, das bei den letzten Märkten herrschte.
Weihnachtsmärkte am zweiten Adventwochenende
Auenwald: Von wegen stille Nacht. Der TSV Oberbrüden beschallt den Platz vor der Ratsscheuer am Samstagabend mit Ballermannhits. Unter anderem ist das viel diskutierte Lied von der „wunderschönen Layla“ zu hören. Am Nachmittag habe man noch weihnachtliche Musik gespielt, erzählt Stephan Fritz, der die Tennisabteilung leitet. Am Abend sei nun aber Partystimmung angesagt. „Auenwald hat Spaß“, sagt Fritz und blickt zufrieden auf die Menge, die sich vor dem Stand drängt.

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Nicht länger als drei Minuten sollen die Flammkuchen im 400 Grad heißen Holzofen backen. Louis Klöpfer braucht dafür in Auenwald aber keine Stoppuhr.
Lang ist auch die Schlange bei der Neuapostolischen Gemeinde, wo Louis Klöpfer im Akkordtempo Flammkuchen backt. Zum Glück hat er schon Erfahrung, denn bei dem 400 Grad heißen Holzofen muss das Timing stimmen. „Das ist Gefühlssache. Die ersten versemmelt man meistens“, verrät der Mann mit der roten Bäckermütze. Eine Institution auf dem Auenwalder Weihnachtsmarkt ist auch Claudia Hornig mit ihren handgestrickten Socken. Vier bis fünf Stunden pro Tag klappern bei ihr die Stricknadeln. Da kommt innerhalb eines Jahres so einiges zusammen, das sie schon seit drei Jahrzehnten auf dem Weihnachtsmarkt an die Frau und den Mann bringt. Neben warmen Wollsocken hat sie auch gestrickte Tiere und Babyschühchen im Angebot. Wer echten Auenwalder Wein trinken möchte, ist bei Franz Matyas und Achim Keser richtig. Die Ebersberger Vinöre haben vor einigen Jahren den Weinbau in der Gemeinde wiederbelebt und schenken nun Kostproben davon aus. Glühwein haben sie aber nicht im Angebot: „Dafür ist unser Wein zu schade“, findet Matyas.

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In Althütte findet der Markt im und vor dem Rathaus statt. Hobbykünstler aus dem Ort präsentieren hier unter anderem weihnachtliche Dekoartikel.
Althütte: Filzhüte im Ordnungsamt, warme Wollsocken im Personalamt und Holzschnitzereien im Trauzimmer – beim adventlichen Hobbykünstlermarkt in Althütte wird das Rathaus zur Ausstellungsfläche. Sogar Bürgermeister Reinhold Sczuka musste am Freitagmittag sein Büro räumen: Dort verkauft nun Rolf Hüttner seine handgesägten Schwibbögen, einige davon mit Althütter Motiven. Im Sitzungssaal, wo sonst der Gemeinderat tagt, gibt es unter anderem kreative Mützen: Ob Krümelmonster, Minion oder Irokesenfrisur – jede der handgestrickten Kopfbedeckungen von Sybille Vraschek ist ein Unikat. Bei der Asterix-Mütze ist sogar ein falscher Schnauzbart inklusive. „Den kann man aber mit einem Druckknopf rausmachen, wenn man einen Glühwein trinken möchte“, erklärt Vraschek. Den gibt’s draußen vor dem Rathaus, wo sich verschiedene Vereine aus Althütte um die Bewirtung kümmern. Bürgermeister Reinhold Sczuka, der den Markt 1993 in seinem ersten Amtsjahr eingeführt hat, freut sich über die große Resonanz, auch die Schwäbische Waldfee Kim-Laura Rützler gibt sich am Sonntagnachmittag die Ehre. „Durch den Fokus auf die Hobbykünstler unterscheidet sich unser Markt von anderen Weihnachtsmärkten“, sagt der Bürgermeister. Für weihnachtliche Stimmung im Rathaus sorgen traditionell Isolde Heim und ihre Althütter Stubenmusik. Mit Hackbrett, Geigen, Flöten und Kontrabass pflegt die Gruppe schon seit drei Jahrzehnten diese alpenländische Form der Hausmusik, mittlerweile sind auch wieder einige jüngere Gesichter mit dabei.

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Pastor Sascha Kielwein backt auf dem Allmersbacher Weihnachtsmarkt Crêpes im Akkord. Die Einnahmen spendet die „Gemeinde Gottes“ an soziale Projekte.
Allmersbach im Tal: „So voll habe ich den Platz hier noch nie gesehen“, staunt Sascha Kielwein am Samstagabend. Die Schlange vor dem Stand der „Gemeinde Gottes“, bei der Kielwein Pastor ist, ist zu diesem Zeitpunkt mindestens 15 Meter lang und die Helferinnen und Helfer hinter der Theke kommen beim Würstchenbraten und Crêpesbacken ganz schön ins Schwitzen. Eine Abordnung sei gerade auf dem Weg zum Supermarkt, um Nachschub zu kaufen, erzählt Kielwein. Bei allem Stress überwiegt aber die Freude: „Je mehr wir verkaufen, desto besser, denn alle Einnahmen werden gespendet“, erklärt der Pfarrer. Die freikirchliche Gemeinde unterstützt damit unter anderem Sozialprojekte in Äthiopien und der Ukraine. Wer statt Würstchen lieber Pizza mag, ist am Stand der Hobbybackstube Häußer aus Heiningen richtig. Neben acht Sorten Gutsle, Christstollen und Schnitzbrot haben Sandra und Thomas Häußer diesmal auch ihren Pizzaofen mitgebracht. „Der steht normalerweise bei uns im Garten“, erzählt Sandra Häußer. Unter den Besuchern auf dem Platz am Rathaus sind viele Familien. Auch für die Kinder ist was geboten: Am Stand der Pfadfinder Royal Rangers können sie ein „Ranger-Jojo“ basteln, das Kinderhaus Mozartweg hat ein Geschichtenzelt aufgebaut. Dort hat sich eine große Schar um Erzieherin Claudia Spiegel versammelt, die das Märchen von Aladin und der Wunderlampe vorliest.

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Gedränge auf den Plätzen und Straßen: So voll wie hier in Unterbrüden war es am Wochenende auf vielen Märkten in der Region. Fotos: Tobias Sellmaier