Weissacher Pflegeheim könnte doch erhalten bleiben
In der jüngsten Gemeinderatssitzung hat die monatelange Debatte um das Pflegeheim in Weissach eine überraschende Wendung genommen. Nach Gesprächen mit der Eigentümergemeinschaft soll noch einmal geprüft werden, ob das bestehende Heim umgebaut werden kann.
Von Melanie Maier
Weissach im Tal. Dass der Andrang in der jüngsten Weissacher Gemeinderatssitzung größer ausgefallen ist als gewöhnlich, war vor allem dem Tagesordnungspunkt vier geschuldet: dem Pflegestandort Weissach im Tal. Der Vorlage zufolge sollten die Räte und Rätinnen die Stuttgarter Stadtentwicklungsgesellschaft STEG mit der Entwicklung eines neuen Pflegestandorts auf der Fläche gegenüber dem bestehenden Heim am Rand von Unterweissach beauftragen. Der Neubau könnte vor dem Hintergrund der im Jahr 2009 in Kraft getretenen Landesheimbauverordnung (LHeimBauVO) notwendig werden: Da das bestehende Heim deren Ansprüchen momentan nicht genügt, darf es – so der derzeitige Stand – nur noch bis 31. Juli 2026 betrieben werden (wir berichteten).
Wie genau der Neubau aussehen könnte und welche Rolle die STEG beim weiteren Vorgehen spielen würde, trug Projektleiter Götz Hofmann auch in der Sitzung vor. Doch ob die Zusammenarbeit tatsächlich zustande kommt, steht noch nicht fest. Denn Bürgermeister Daniel Bogner änderte die Beschlussvorlage in der Sitzung ab. Erst Anfang der Woche habe er ein Gespräch mit zwei Vertretern der Interessengemeinschaft (IG) geführt, sagte er. Die IG hatte sich im Juni 2022 aus der aus mehr als 40 Parteien bestehenden Eigentümergemeinschaft zusammengeschlossen, um die Interessen der Eigentümerinnen und Eigentümer im Hinblick auf die herausfordernde Situation bezüglich der LHeimBauVO zu vertreten.
Die Interessengemeinschaft schlägt einen Umbau ohne Anbau vor
Die IG, berichtete Bogner, habe neue Messungen durchführen lassen und schlage nun eine Inhouse-Lösung für das Heim vor, also einen Umbau ohne einen zusätzlichen Anbau. Eine solche Lösung wäre natürlich weitaus günstiger für die Eigentümerinnen und Eigentümer als die Maßnahmen, von denen bisher ausgegangen worden war, um das bestehende Heim zu erhalten. Ob die Lösung der IG umgesetzt werden kann, müsse man nun aber erst einmal planerisch prüfen lassen, erklärte Bogner. Seine neue Beschlussvorlage sah daher vor, dass das Gremium die Möglichkeit der Entwicklung eines neuen Standorts zunächst einmal nur zur Kenntnis nehmen solle. Die Verwaltung solle damit beauftragt werden, das weitere Vorgehen mit der Eigentümergemeinschaft, dem Betreiber Alexanderstift sowie der Heimaufsicht zu besprechen und eine entsprechende Umbaukonzeption abzuwarten, bevor weitere Schritte folgen. Denn ob das Heim wirtschaftlich weiterbetrieben werden kann, hängt auch davon ab, wie viele Plätze nach einem Umbau übrig bleiben würden. Das Alexanderstift geht beispielsweise von 45 Plätzen aus, die dafür benötigt werden.
Die Rätinnen und Räte begrüßten die Änderung und stimmten der Beschlussvorlage später denn auch geschlossen zu. „Für mich muss ein Neubau immer ein Plan B sein“, betonte etwa Heike Oesterle (UBL). Eine Weiternutzung der Gebäude sei auch eine Frage der Nachhaltigkeit, sagte auch Irmgard Hestler (SPD). „Wir sollten dem bestehenden Gebäude auf jeden Fall Priorität einräumen und schnell feststellen, ob wir einen Neubau brauchen oder nicht“, fügte Wilhelm König (UBL) hinzu. Er erkundigte sich außerdem nach den Kosten für einen etwaigen Umbau und die Bauzeit. Zu den Kosten könne er keine belastbaren Zahlen nennen, sagte Projektleiter Götz Hofmann. „Fakt ist aber, dass ein Neubau schon aufgrund der rechtlichen Voraussetzungen teurer wäre als der Umbau eines Bestandsgebäudes.“ Auch auf die zu Pflegenden würden bei einem Neubau wahrscheinlich höhere Kosten zukommen.
Auf der Fläche gegenüber dem Heim könnte ein Neubau entstehen
Die Bauzeit betrage ungefähr zwei Jahre, dazu komme ein mehrmonatiges Genehmigungsverfahren und Zeit, die für die Vorentwicklung des Projekts benötigt werde. Bogner ergänzte: „Es sind zwar noch drei Jahre Zeit, bis die Betriebserlaubnis ausläuft, aber mit Blick auf den Kalender sollten wir nicht warten, bis wir stark unter Druck geraten.“ Einen kleinen Zeitpuffer habe die Gemeinde aber noch, um die beste Entscheidung abzuwägen. Jörg Schaal (CDU/FWV) kommentierte, der vorliegende Beschlussvorschlag sei einer, mit dem er gut leben könne. „Man muss leider noch ein bisschen Geduld haben, aber einen kleinen Schritt sind wir vorangekommen.“
Mit der positiven Abstimmung war das Thema aber noch nicht beendet. Trotz des Beschlusses, erst einmal abzuwarten, ob das bestehende Pflegeheim weiterbetrieben werden kann, enthielt die Tagesordnung auch noch eine Beschlussvorlage für die Aufstellung des Bebauungsplans „Brüdenwiesen Süd“. Die Fläche gegenüber dem Gebäudekomplex Brüdenwiesen 7-9 hatte die Verwaltung im Februar erwerben können. Dieses Areal hatte das Gremium für einen eventuellen Neubau stets bevorzugt, allerdings hatte es lange danach ausgesehen, dass mit den Eigentümern keine Einigung erzielt werden könne. „Damit haben wir zumindest eine sichere Möglichkeit zur Neuentwicklung oder Erweiterung des Heims, wenn alle Stricke reißen“, bewarb Bogner die Aufstellung des Bebauungsplans. In Anbetracht des demografischen Wandels könnte er sich in Unterweissach auch einen erweiterten Seniorencampus vorstellen.
Die Meinungen im Gremium zur Aufstellung des Bebauungsplans waren gespalten. „Warum die Eile, mit diesem Bebauungsplan auf den Weg zu gehen, wenn noch nicht einmal geklärt ist, was mit den bestehenden Gebäuden geschieht?“, erkundigte sich Dietmar Schönberger (SPD). Luciano Longobucco (CDU/FWV) dagegen sagte, er habe keinen Schmerz mit der Aufstellung des Bebauungsplans. „Wir vergeben uns ja nichts damit. Es ist nichts entschieden.“
Bei der Abstimmungen votierten acht Rätinnen und Räte mit Ja, Dietmar Schönberger und Günter Sanzenbacher (CDU/FWV) stimmten dagegen. Thomas Obermüller (LWB), Heike Oesterle und ihre Fraktionskollegen Wilhelm König, Thomas Heller und Josef Konrad enthielten sich. Der Bebauungsplan war somit aufgestellt.
Befangenheit Nach Paragraf 18 der baden-württembergischen Gemeindeordnung darf ein Gemeinderat oder eine Gemeinderätin wegen Befangenheit bei einer Gemeinderatssitzung nicht mitwirken, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm oder ihr selbst beziehungsweise nahestehenden Personen (wie zum Beispiel Ehepartner oder Verwandte) einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann.
Situation in Weissach im Tal Im Lauf der Diskussion erkundigte sich Gemeinderat
Luciano Longobucco (CDU/FWV) danach, ob einige im Gremium beim Thema Pflegeheim nicht befangen seien und wie damit umzugehen sei. Bürgermeister Daniel Bogner entgegnete, er habe sich dahingegen bereits an die Rechtsaufsicht gewandt. Die Antwort: Das Thema sei zu allgemein, daher sei eine Befangenheitserklärung der betroffenen
Rätinnen und Räte nicht notwendig. Eine freiwillige Enthaltung aus der Diskussion und aus dem Beschluss aus Befangenheitsgründen sei jedoch möglich. In Anspruch nahm diese Option aber niemand.