Wenn auch im Raum Backnang die Öffnungszeiten schrumpfen

Reduzierte Öffnungszeiten sind ein Ärgernis, mal größer, mal kleiner. Es reicht vom wegfallenden Mittagstisch im Lieblingslokal bis hin zum früheren Schluss in der Kita. Die Gründe für geänderte Öffnungszeiten sind dabei unterschiedlich. Oft fehlt das notwendige Personal.

Das Landratsamt hat die Öffnungszeiten der Führerscheinstelle verkürzt, weil das Personal anderweitig gebraucht wird. Foto: Benjamin Büttner

Das Landratsamt hat die Öffnungszeiten der Führerscheinstelle verkürzt, weil das Personal anderweitig gebraucht wird. Foto: Benjamin Büttner

Von Anja La Roche

Rems-Murr. Da bewegt man sich extra zur Apotheke, um dann festzustellen, dass sie geschlossen ist. Und das werktags an einem Nachmittag? Frechheit, möchte man denken. Tatsächlich kommt es in verschiedenen Branchen zu eingeschränkten Öffnungszeiten. Und auch die öffentlichen Verwaltungen sehen sich dazu gezwungen, in manchen Bereichen den Kundenkontakt zu reduzieren. Wir haben im Rems-Murr-Kreis bei ein paar Stellen nachgehakt, warum es dazu gekommen ist.

Das Landratsamt Rems-Murr-Kreis etwa hält seit vergangenem Jahr die Fahrerlaubnisbehörde mittwochs für Kunden geschlossen. Darüber hinaus ist das Amt für Soziales und Teilhabe am Dienstagvormittag und Donnerstag nicht mehr telefonisch erreichbar, Gleiches gilt für den Fachbereich Ausländerrecht (Ausländeramt) am Mittwoch. Die Änderungen bei der Führerscheinstelle und dem Amt für Soziales und Teilhabe sollen aktuell bis Ende des Jahres bleiben, der Fachbereich Ausländerrecht soll bereits nach den Sommerferien wieder auch mittwochs telefonisch erreichbar sein.

Es bleibt eine Herausforderung, die Stellen zu besetzen

Die Einschränkungen seien weniger auf einen klassischen Personalmangel zurückzuführen, sondern eher auf den kurzfristig erhöhten Bedarf, berichtet die Pressesprecherin Melanie Barth. Bei der Führerscheinstelle etwa fresse die Umtauschpflicht alter Führerscheine viel Zeit und das Amt für Soziales und Teilhabe werde durch die vielen Anträge infolge des Ukrainekriegs herausgefordert. Zwar seien seit der Zunahme an Anträgen alle betroffenen Bereiche personell verstärkt worden, doch aufgrund des Fachkräftemangels sei und bleibe es eine Herausforderung, die Stellen langfristig und möglichst schnell zu besetzen.

Um dem entgegenzutreten, würden die internen Abläufe verbessert, insbesondere durch die Digitalisierung. „Die Landkreisverwaltung möchte hier mit gutem Beispiel vorangehen, auch wenn leider oftmals noch gesetzliche Hemmnisse vorhanden sind“, lässt Barth verlauten. Um bestehendes Personal zu halten und neue Mitarbeiter zu gewinnen, gebe es Benefits wie Zuschüsse für Bus- und Bahntickets und für Fahrradleasing. Künftig soll zudem das Arbeitgebermarketing verbessert werden. Besonders im Ausländeramt sucht das Landratsamt dringend neues Personal, aber auch im Amt für Soziales und Teilhabe gibt es immer wieder Vakanzen, oftmals aufgrund von Elternzeit der Mitarbeiter.

Terminvergabe in der Ausländerbehörde

Bei den Stadtverwaltungen Murrhardt und Backnang sieht es gut aus, die Öffnungszeiten im regulären Verwaltungsbetrieb sind gleich geblieben. „Lediglich mussten im Frühjahr die offenen Sprechstunden der Ausländerbehörde in Terminvergaben umgewandelt werden“, sagt der Pressesprecher Christian Nathan von der Stadt Backnang. Grund sei auch hier die derzeit hohe Zahl geflüchteter Menschen.

Mehr Schwierigkeiten bereiten in beiden Kommunen die Kindertagesstätten (wir berichteten). In Murrhardt etwa mussten bisher in einer Kita wegen mehrerer Krankheitsfälle die Öffnungszeiten verkürzt werden. In Backnang schließt die Sportkita Plaisir nach wie vor von Montag bis Mittwoch bereits um 15.30 Uhr sowie am Donnerstag und Freitag um 16 Uhr – statt wie geplant um 17.30 Uhr. Ein großes Ärgernis für betroffene Eltern. Immerhin können vom 28. August bis 8. September die Eltern von Ganztageskindern eine Randzeitbetreuung von 15.30 bis 17.30 Uhr beanspruchen. Ab 11. September ist eine tägliche Betreuung bis 16.30 Uhr möglich.

Die Arbeitsbelastung wegen der Nachtdienste kommt noch dazu und wird immer mehr

Das Problem Personalmangel kennt auch der Apotheker Hans-Volker Müller. Er leitet die Schiller-Apotheke, seine Tochter Ines Schweizer die dazugehörige Filiale Raphael-Apotheke, beide befinden sich in Backnang. Die Raphael-Apotheke hat seit zirka einem halben Jahr mittwochnachmittags und samstags geschlossen. Es finden sich nicht genügend Apotheker und die sind für den Betrieb notwendig. Ein paar Apotheker mehr bräuchte er, sagt Müller, aber die seien zum einen schwer zu finden und zum anderen nicht finanzierbar. Er und seine Tochter schieben also mehr Dienste, doch das geht natürlich nur zu einem gewissen Grad. Ihr Vorteil ist, dass die Filialen nah beieinanderliegen, „sonst könnten wir das nicht machen“, sagt Müller. Mittwochnachmittags und samstags kämen zudem sowieso weniger Kunden, weil auch viele Arztpraxen geschlossen hätten.

Für die kürzeren Öffnungszeiten musste der Apotheker sich die Erlaubnis von der Landesapothekenkammer einholen, die eine gewisse Präsenz in den Filialen vorschreibt. Zu dem normalen Betrieb steigt die Arbeitsbelastung außerdem wegen der Nachtdienste, die Ines Schweizer übernimmt. In den entsprechenden Nächten wird sie aus dem Bett geklingelt, wenn jemand Medikamente oder Beratung braucht. Weil andere Apotheken geschlossen haben, nehme die Frequenz für den Nachtdienst zu, erklärt Müller. Derzeit seien sie alle zwei Wochen pro Filiale dran.

Die Ansprüche der Kunden sind zu groß

Müller sieht die Lösung darin, dass die Einsatzkreise für den Nachtdienst vergrößert werden, die Kunden also im Zweifel weiter fahren müssen. Zudem müsse die Bevölkerung verstehen, dass man nur kommen sollte, wenn man unbedingt etwas braucht. Die Ansprüche seien zu hoch. Oftmals würden Kunden nachts klingeln, um etwas Banales wie beispielsweise Nasentropfen zu erhalten.

Knappes Personal, dieses Problem kennt die Gastrobranche nur zu gut. In der Backnanger Gaststätte Storchen von Dimitrios Pinakas kam es Schlag auf Schlag: Mit dem einen Koch hat es nicht funktioniert, der andere hat sich die Hand gebrochen, das war Ende Juni. Der Inhaber und seine Frau haben zunächst von 8 Uhr bis Mitternacht im Lokal gearbeitet, doch das ging auf Dauer nicht. Daher öffneten sie an vier Tagen die Woche erst um 16 Uhr und ließen den Mittagstisch weg. Nun hat Pinakas glücklicherweise neues Personal gefunden. Nach dem Urlaub von ihm und seiner Frau geht es ab 20. September im neuen Team weiter, zu gewohnten Öffnungszeiten. Doch die nächste Herausforderung lauert schon, denn im kommenden Jahr soll die Mehrwertsteuer auf ihr ursprüngliches Niveau von vor Corona angehoben werden.

Bekannt für eine Verkürzung der Öffnungszeiten sind auch die Banken. Die Kreissparkasse Waiblingen (KSKWN) hat ihre Zeiten im Oktober 2022 angepasst, auf Basis einer Kundenumfrage. In Backnang hat die Filiale deshalb eine Pause von 12.30 bis 14 Uhr eingeführt. Die Beratungszeiten und der telefonische Service gelten allerdings wie gehabt. Als Grund für die Änderungen nennt Eva-Maria Braschler von der KSKWN: „Die Kundenfrequenz für Service in unseren Geschäftsstellen ist extrem zurückgegangen.“ Von den Kunden habe es zu den verkürzten Öffnungszeiten vereinzelte Kritik gegeben, für die im Einzelfall nach einer Lösung geschaut wurde. In Großaspach, Murrhardt und Unterweissach sind die Servicezeiten gleich geblieben.

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Erstellt:
24. August 2023, 06:00 Uhr

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