Balkonkraftwerke: Warum sich die Anschaffung lohnt

Wenn die Sonne lacht, lacht auch sein Herz: Gerd Wagner installierte im vergangenen Jahr ein nach Süden gerichtetes Balkonkraftwerk. In diesem Jahr kommen zu den beiden Modulen zwei weitere hinzu, die nach Osten ausgerichtet sind. Der 59-Jährige ist höchst zufrieden und davon überzeugt, dass sich die Anschaffung rechnet.

Gerd Wagner mit seinen nach Süden ausgerichteten Modulen (links), rechts daneben die nach Osten ausgerichteten. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Gerd Wagner mit seinen nach Süden ausgerichteten Modulen (links), rechts daneben die nach Osten ausgerichteten. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Backnang. Mittlerweile lacht sein Herz, wenn die Sonne scheint, denn dann weiß Gerd Wagner, dass auch sein digitaler Stromzähler im Schaltschrank reichlich zu tun hat. Viele Jahre vergingen, in denen sich der heute 59-Jährige zwar über die Sonne freute, nicht aber darüber, dass er ihre Kraft nicht in selbst produzierte Energie umwandeln konnte. Bis vor einigen Jahren die ersten steckerfertigen PV-Anlagen auf den Markt kamen. Da sich die Mini-Fotovoltaikanlagen bestens dafür eigneten, dass man sie am Balkongeländer befestigt, hatten sie schnell ihren Spitznamen weg. Seither spricht jeder von Balkonkraftwerken. In Deutschland sind diese derzeit nur bis 600 Watt zugelassen.

Gerd Wagner besitzt und bewohnt zusammen mit seiner Frau eine Wohnung in Backnang-Maubach in einem Mehrfamilienhaus. Seine Wohnung im zweiten Obergeschoss verfügt über einen Eckbalkon, der nach Osten und Süden ausgerichtet ist. Dass die nach Süden ausgerichtete Seite durch die eigene Wohnung etwas verschattet wird, stört ihn kaum. „Die Sonnenscheindauer reicht mir völlig.“ So war es nur eine Frage der Zeit, bis er sich das Projekt „Energieerzeugung durch Sonnenkraft“ vornahm.

Hürde in Mehrfamilienhäusern

„Was Elektrik anbelangt, bin ich nicht ganz auf den Kopf gefallen. Basiswissen hab ich“, untertreibt der gelernte Energiegeräteelektroniker, der den Elektromeister draufsattelte und sich durch interne Schulungen noch weiterbildete. Mittlerweile ist er im mittleren Management bei Bosch im IT-Bereich tätig. Aber einfach loslegen? Da gibt es zunächst eine Hürde in Mehrfamilienhäusern. Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) muss jeweils ihr Okay geben. Sie muss darüber abgestimmt haben, dass Balkonkraftwerke installiert werden dürfen. Dabei kann es Vorgaben geben, beispielsweise dass diese aus optischen Gründen schwarz sein müssen. In der Regel haben die meisten Hausverwalter über die WEG-Versammlungen bereits die Zustimmung eingeholt, im Fall Gerd Wagner auf seinen Antrag hin.

„Ich hab mir dann im März vergangenen Jahres ein Grundmodul bestellt. Zwei 200er-Module und einen 300er-Wechselrichter.“ Der Elektromeister ergänzt: „Die zweimal 200-Watt-Module sind in Reihe geschaltet.“ Deswegen sei die Verschattung etwas ungünstig. Auch wenn Befestigungsmaterial mit im Paket dabei war, bekennt der Hobbyhandwerker: „Ich hab die Originalbefestigung nachgebaut, aber so, dass es auch sicher ist, dass es wirklich bombenfest ist und dass das Geländer sichtbar ist.“ Die Montage im Mai sei dann gar kein Problem gewesen. „Da stand alles dabei, so schaltest’s und so passt’s, nur die Stecker zusammen und gut ist. Wenn du nicht grad voll pennst, kannst du eigentlich nichts falsch machen.“ Aus diesem Grund rät er zum Kauf von Komplettpaketen, wo die Module und der Wechselrichter aufeinander abgestimmt sind. Der Wechselrichter hängt zwischen Modul und Balkon direkt am Geländer.

Wieland-Steckdose ist nicht verpflichtend – eigentlich

Zu den beiden nach Süden ausgerichteten Modulen sagt Wagner: „Im Sommer hat man später Sonne, im Winter hat man relativ früh sofort Sonneneinwirkung. Das hängt also wirklich von der Jahreszeit ab. Optimale Jahreszeiten sind Frühjahr und Herbst. Dann hat man die maximale Ausbeute.“ Zunächst hatte der IT-Experte die Module flach ans Balkongeländer montiert und getestet, hatte dann die Module unten provisorisch um rund 30 Zentimeter ausgestellt und dann erstaunt festgestellt: „Mensch, 30 Prozent mehr Ausbeute. Deswegen hab ich’s dann mit Gewindestangen fix gemacht und befestigt.“

Zum Anschluss ans Stromnetz hat Wagner seine haushaltsübliche Schuko-Steckdose gegen eine sogenannte Wieland-Steckdose ausgetauscht. Zwar besteht keine gesetzliche Pflicht zum Einsatz eines Wieland-Steckers. Aber einige Netzbetreiber setzen für die Anmeldung eines Balkonkraftwerks voraus, dass Betreiber eines Balkonkraftwerks eine Wieland-Steckdose anschließen. Alles in allem, inklusive Verlängerungskabel, hat der Maubacher 700 Euro für das erste Paket ausgegeben.

Ist er zufrieden? „Es gibt ja den Spruch: Das rentiert sich erst nach zehn Jahren“, sagt Wagner. Aber er denkt anders: „Wenn ich 1000 Euro konservativ in einem Fonds anlege, dann bekomme ich vielleicht fünf, sechs Prozent Dividende, wenn ich Glück hab. Wenn ich aber 1000 Euro in diese Anlage investiere, hab ich gemerkt: Allein schon die ersten sieben Monate haben mir eine Stromersparnis von 120 Euro gebracht.“

Haushaltsgeräte laufen je nach Wetter

Schmunzelnd bekennt der 59-Jährige, der sehr viel im Homeoffice arbeitet, dass sich der Alltag beziehungsweise die Hausarbeit, die von vielen elektrischen Helferlein erledigt wird, schon auch nach dem Wetter richtet. Denn wenn die Sonne lacht, dann schaltet Wagner die Spülmaschine ein. „Wenn die fertig ist und die Sonne scheint immer noch, schalten wir die Waschmaschine ein.“ Und er lädt mehrere Akku-Lämpchen, die dann in den Abendstunden Licht spenden. Denn den Strom, den die Balkonkraftwerke liefern und den er nicht verbraucht, hat er sozusagen verschenkt.

Da auch erfasst werden muss, wie viel Strom Wagner mit seiner Anlage kostenlos ins Stromnetz einspeist, benötigt er einen Stromzähler, der in beide Richtungen messen kann, Einspeisung und Verbrauch. Der Wechsel seines alten gegen einen neuen digitalen Zähler verlief kostenlos. Allerdings verlangen einige Stromanbieter eine geringe Gebühr für einen neuen Zähler. Wagner zahlt rund 2,50 Euro pro Monat, sagt er.

Mit dem Blick eines Kraftwerkbetreibers ist Wagner bewusst geworden, dass er auch extrem lang Sonne im Osten hat. „Wieso soll ich die Seite verschenken?“, hat er sich gefragt und dann im Februar zwei 400er-Module und einen 600er-Wechselrichter an der Ostseite des Balkons installiert. „Die sind parallel angeschlossen. Von der Stromstärke passt das und von der Spannung her auch.“ Wagner produziert jetzt jede Menge Strom. Dadurch ist allerdings sein Eigenverbrauch auf 45 bis 55 Prozent gesunken, wie er sagt. „Das hat mich zu der Überlegung gebracht: Ich brauche Speicher. Das ist jetzt mein nächstes Projekt.“

Mindestens 3.200 Euro an Fördergeldern stellt die Stadt Backnang 2023 noch für Balkonkraftwerke zur Verfügung

Förderung Mit einem Fördertopf von insgesamt 10.000 Euro unterstützt die Stadt Backnang 2023 die Nutzung von Sonnenenergie. Backnanger können seit 1. April einen Zuschuss von 100 Euro für den Kauf einer steckerfertigen PV-Anlage erhalten (wir berichteten). Die genauen Richtlinien sind abrufbar unter: https://t1p.de/ceq8m

Anträge Bisher wurden bereits 60 Anträge bearbeitet und genehmigt, 8 befinden sich derzeit in Prüfung. Aktuell (Stand 14. August) sind noch 4000 Euro beziehungsweise 3200 Euro zur weiteren Förderung verfügbar.

Anmeldung Die Besitzer eines Balkonkraftwerks müssen dieses sowohl bei den Stadtwerken Backnang wie auch beim Netzbetreiber und Marktstammdatenregister anmelden. „Wir wissen aber, dass dies nicht immer passiert“, sagt Stadtwerke-Chef Thomas Steffen. Er gehe aber davon aus, dass seit der Einführung des Förderprogramms die Quote der Anmeldungen angestiegen ist, da man hierfür den Nachweis vom Marktstammdatenregister benötigt. Bekannt sind den Stadtwerken 116 solcher Anlagen, davon 104 aus 2023. „In der Realität sind es sicherlich mehr“, sagt Steffen.

Interesse Balkonkraftwerke sind ein zunehmendes Thema innerhalb der Bevölkerung. So gab es beispielsweise im Mai sehr großes Interesse an der entsprechenden Informationsveranstaltung von Klimabündnis Rems-Murr und Klimaentscheid Backnang, die auch seitens der Stadt Backnang unterstützt wurde.

Obergrenze Als Kaufhemmnis wird nach wie vor die aktuelle Obergrenze von 600 Watt gesehen, so die Erfahrung der Stadt Backnang. „Da nun schon seit vielen Monaten die Rede davon ist, dass diese auf 800 Watt steigen soll, rufen immer wieder Bürgerinnen und Bürger an und bitten um eine Einschätzung, ob diese Änderungen wohl noch in diesem Jahr kommt“, sagt Pressesprecher Christian Nathan. „Wir weisen (...) darauf hin, dass man lieber früher als später damit beginnen sollte, die Sonne zu nutzen (...). Den Kauf deshalb aufzuschieben macht allein vor dem Hintergrund wenig Sinn, dass die Mehrwertsteuersenkung auf Null Prozent für Balkonkraftwerke nur bis Jahresende läuft. Außerdem gibt es auch bereits Anlagen, die einen gedrosselten 800 Watt-Wechselrichter haben.“

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Erstellt:
15. August 2023, 06:00 Uhr

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