Wer Unfälle knipst, riskiert Haft
Gaffer sollen bei Unfall auf A 8 Tür eines Krankenwagens geöffnet haben – Die Polizei ermittelt, das Rote Kreuz dementiert den ungeheuren Vorfall
Gaffer -
Pforzheim /KEW/DPA - /KEW/DPA - /KEW/DPA - /KEW/DPA - /KEW/DPA - /KEW/DPA - /KEW/DPA - /KEW/DPA - Rettungskräfte kämpfen um das Leben schwer verletzter Unfallopfer. Derweil halten andere schamlos ihre Handykamera hin und hoffen auf reißerische Fotos. „Um an Bildmaterial zu gelangen, wird bei einzelnen Schaulustigen ein provokatives, teilweise respekt- und pietätloses Verhalten beobachtet“, erklärte ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums.
So war es auch bei dem tödlichen Unfall, der sich am Mittwoch auf der Autobahn 8 bei Pforzheim ereignet hat. Es sei zu massiven Störungen durch Gaffer gekommen, klagte die Polizei. Mehrere Platzverweise wurden ausgesprochen. Vier Personen wurden aufgefordert, Fotos von ihren Handys wieder zu löschen.
Dabei hatte die Politik zuletzt im vergangenen Jahr auf das „sinkende Verständnis für Rettungsarbeiten“ reagiert und die Gesetze verschärft. Seither kann die unbefugte Anfertigung von „Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen“ mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden. Zudem kann die Polizei die Handys beschlagnahmen. Das reine Gaffen ist als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe von bis zu 1000 Euro bewehrt. Unklar ist allerdings, inwiefern der neue Strafenkatalog auch Anwendung findet. „Aktuell verfügt das Innenministerium über keine statistischen Daten dazu“, erklärte ein Sprecher.
Meist haben Rettungskräfte und Polizei am Unfallort auch anderes zu tun, als sich um Gaffer zu kümmern. So war es auch bei dem Unfall am Mittwoch, bei dem Schaulustige immer wieder versucht haben sollen, in den Rettungswagen hineinzufotografieren. Man habe alle Hände voll zu tun gehabt, weshalb es nicht gelungen sei, die Personen festzustellen, sagte ein Polizeisprecher. „Sobald die Kollegen damit beginnen, Ausweise zu kontrollieren, verdrücken sich die Leute ja“, sagte eine Sprecherin der Polizei.
Unklar ist allerdings noch, wie weit die Gaffer auf der A 8 wirklich gingen. Die Polizei hatte zunächst berichtet, einzelne hätten sogar die Tür des Rettungswagen geöffnet, um bessere Sicht zu haben. Die Sprecherin des Rot-Kreuz-Kreisverbandes, Daniela Kneis, erklärte, Schaulustige hätten von einer Anhöhe in den Wagen geschaut, die Tür aber nicht selbst geöffnet. Die Polizei berief sich bei ihrer Darstellung auf den Bericht einer Rettungssanitäterin am Unfallort. Möglicherweise handele es sich dabei aber um ein Missverständnis, sagte Kneis am Tag nach dem Unfall.
Allerdings sei die Bergung des verunglückten 59-jährigen Lastwagenfahrers schwierig gewesen. Er war bei Pforzheim auf ein Stauende aufgefahren und ums Leben gekommen. Die Leiche habe nicht vor neugierigen Blicken geschützt werden können. Schaulustige seien nicht weggegangen, obwohl sie dazu aufgefordert worden seien. Ein Rettungswagen habe nicht umparken können, weil Gaffer keinen Platz gemacht hätten. Solche Vorfälle seien für Retter, die um Menschenleben kämpften, eine hohe zusätzliche Belastung.
Die Polizei blieb am Donnerstag bei ihrer Darstellung. In dem Fall werde weiterhin ermittelt. Es sei schlimm, dass die Ermittlungsbehörde in solchen Fällen personell zu effektiven Kontrollen nicht in der Lage sei, kritisierte der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft DPolG, Ralf Kusterer. „Ein solches Verhalten ist einfach widerlich“, sagte er.