Werbung für den IS mit Haft bestraft

Zurück ins Gefängnis muss ein junger Mann aus Backnang. Im Alter von mutmaßlich 18 Jahren hat der Afghane in sozialen Medien Werbung für den Islamischen Staat gemacht, zum Dschihad aufgerufen und entsprechende Symbole gezeigt. Zudem hat er Menschen beleidigt und bedroht.

Auf diversen Instagram-Accounts hat er Videos und Fotos mit Verherrlichung des Islamischen Staats (IS) gepostet. Symbolfoto: Webster/Pixabay

© Pixbay

Auf diversen Instagram-Accounts hat er Videos und Fotos mit Verherrlichung des Islamischen Staats (IS) gepostet. Symbolfoto: Webster/Pixabay

Von Florian Muhl

Backnang/Waiblingen. Mit Fassung nimmt der junge Mann das Urteil entgegen. Er muss zurück in den Knast. Dorthin, wo er bereits in den vergangenen Monaten in U-Haft saß. Für insgesamt ein Jahr und drei Monate. Der Afghane versteht die deutsche Sprache, spricht sie auch, trotzdem hapert es immer wieder mit der Verständigung. Er lässt sich die Urteilsbegründung von einer Dolmetscherin übersetzen.

Ein langer Verhandlungstag, der um 9.30 Uhr am Waiblinger Amtsgericht begonnen hatte, geht gegen 15.30 Uhr zu Ende, als Martin Luippold das Urteil begründet. Wichtig ist es dem Vorsitzenden Richter des Schöffengerichts zu sagen, dass der Mann auf der Anklagebank nicht dafür bestraft wird, dass er als gläubiger Muslim seine Religion ausgelebt hat. In Deutschland gelte die Religionsfreiheit. Er werde dafür bestraft, was ihm strafrechtlich gesehen zur Last gelegt worden ist.

Gleich nach dem Verlesen der Anklageschrift räumt der Beschuldigte, dessen Dokumente sein Geburtsjahr mit 2002 ausweisen, der laut eigenen Angaben aber erst im Jahr 2005 geboren sein will, alle ihm zur Last gelegten Taten ein. Ja, er hat diverse Instagram-Accounts betrieben, auf denen er Videos und Fotos mit Verherrlichung des Islamischen Staats (IS) und verbotene Kennzeichen gezeigt hat. Und ja, er hat auch zum Dschihad, zum Heiligen Krieg, aufgerufen. Und ja, er hat den Mann, der in Hamburg lebt und der eine Mohammed-Karikatur veröffentlicht hat, per Sprachnachricht beleidigt und bedroht. Die Sprachnachrichten werden im Verhandlungsraum abgespielt. Da fallen Worte wie Bastard und Hurensohn und noch schlimmere. Er, der Angeklagte, werde den Mann in Hamburg finden und töten, mit dem Messer einfach den Kopf abschneiden.

Angenehmer Gesprächspartner

Man will es dem schmächtigen jungen Mann kaum zutrauen, wenn man ihn auf der Anklagebank sitzen sieht. Aufgeweckt wirkt er, der viel spricht, für seinen Verteidiger des Öfteren zu viel, der ein jugendliches Gesicht hat, mit einem dunklen Bartansatz, den Kopf stets bedeckt mit einer schwarzen Wollmütze. Als angenehmer und netter Gesprächspartner wird er geschildert, beispielsweise von seinem Bewährungshelfer. Und auch von einem Backnanger Bürger, der ehrenamtlich die insgesamt achtköpfige Familie betreut, wie er in einer Verhandlungspause erzählt. Allerdings habe er zu dem ältesten der insgesamt sechs Kinder, allesamt Jungs, nur wenig Kontakt gehabt. Er sei ihm aber als notorischer Schulschwänzer bekannt gewesen.

Einen Schulabschluss hat der Angeklagte, der noch bei seinen Eltern lebt, nicht, auch keine Ausbildung und kein Einkommen. Im Heimatland hätten die islamistischen Taliban seine Eltern, die Bauern waren, bedroht; deshalb seien sie geflohen. An Afghanistan habe er keine richtigen Erinnerungen mehr, er sei zu jung gewesen, als sie das Land verlassen haben und über Heidelberg nach Backnang kamen. Die Schule in Backnang hat er vor dem Hauptschulabschluss abgebrochen, wegen der Sprache und weil Mathe zu schwer war.

Er gerät auf die schiefe Bahn, wird auch gewalttätig. Und wird geschnappt. Deshalb steht er im Oktober vergangenen Jahres erstmals in Deutschland vor Gericht. Am 23. Dezember 2019 soll er in der Dilleniusstraße in Backnang einer unbekannten Person eine Ohrfeige gegeben haben. Im Januar vergangenen Jahres hat er in Backnang eine Person verfolgt, gestellt und ihr aus kurzer Entfernung Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Ebenfalls im Januar hat er mit einem Freund zwei Jugendliche, die auf der Treppe zur Grabenstraße saßen, durchsucht und eine Musikbox mitgehen lassen. Im Februar folgt in Stuttgart eine weitere Körperverletzung und in einem Drogeriemarkt in Backnang lässt er Parfum im Wert von 400 Euro mitgehen. Für die Straftaten wird er zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

Doch mit der Bewährungsauflage nimmt’s der junge Mann nicht so genau. Er wird aus dem Sozialtrainingskurs geschmissen, weil er zweimal fehlt. Und die 50 Stunden gemeinnützige Arbeit tritt er nicht an. „Obwohl ich ihn immer wieder daran erinnert und ermutigt habe“, sagt der Bewährungshelfer, der trotz wöchentlicher Kontakte letztlich an seine Grenzen stößt.

Hohes Gefährdungspotenzial

Ein Kriminalkommissar vom Staatsschutz schildert als Zeuge die Ermittlungsarbeiten. Täglich wird das Netz nach verbotenem Propagandamaterial durchkämmt. Dabei seien die Accounts des Angeklagten aufgefallen. Die IP-Adresse sei die seines Vaters gewesen. „Bei der Befragung hat der Angeklagte alles eingeräumt“, sagt der Kommissar. Beim Belehrungsgespräch habe er gesagt, er habe verstanden, er werde es nie mehr wieder tun. Nur wenige Tage danach fand der Staatsschutz einen neuen Account von ihm. Auf die Frage des Richters, wie hoch er aus polizeilicher Sicht das Gefährdungspotenzial einschätze, sagt der Zeuge: „Sehr hoch.“ Stress dann in der U-Haft. Der junge Afghane gerät – offensichtlich aus religiösen Gründen – mit einem Kurden in Streit, der zu einer Schlägerei ausartet.

Das Gericht fasst die Strafe von 2020 – neun Monate – und die neue Strafe zu insgesamt einem Jahr und drei Monaten zusammen. Während der Verteidiger am Ende für eine Bewährungsstrafe plädiert, sieht das Gericht dafür keine Möglichkeit. Der Verurteilte zeige keine Einsicht, sondern würde stets versuchen, seine Straftaten zu rechtfertigen. Selbst in seinem letzten Wort.

Zum Artikel

Erstellt:
11. Dezember 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen