Wie gefährlich wird der Wolf im Rems-Murr-Kreis?

Noch ist der Wolf nicht wieder präsent in unseren Wäldern, aber er wird kommen, so der einhellige Tenor bei einer Infoveranstaltung des Landratsamts und der Gemeinde Großerlach in der Graber Schwalbenflughalle. Das Thema polarisiert.

Noch ist der Wolf nicht in den Wäldern der Region angekommen. Bei einem Infoabend in Großerlach sollten Ängste der Bürgerinnen und Bürger in den Blick genommen werden, falls es mal zu Wolfssichtungen kommt. Symbolfoto: stock.adobe.com/AB Photography

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Noch ist der Wolf nicht in den Wäldern der Region angekommen. Bei einem Infoabend in Großerlach sollten Ängste der Bürgerinnen und Bürger in den Blick genommen werden, falls es mal zu Wolfssichtungen kommt. Symbolfoto: stock.adobe.com/AB Photography

Von Carmen Warstat

GROßERLACH. Großer Andrang herrschte in der Schwalbenflughalle in Grab am Freitagabend. Etwa 200 Personen waren zu der von Bürgermeister Christoph Jäger und Gerd Holzwarth (Dezernent für Forst, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Vermessung beim Landratsamt) gemeinsam moderierten Veranstaltung erschienen. Die Besucherinnen und Besucher nutzten die Gelegenheit, sich zu dem Thema Wolf zu informieren und das Thema auch mit den Experten des Landratsamts zu diskutieren.

„Werden wir nicht zu Wölfen!“ Mit diesen Worten appellierte Jäger an die Diskussionskultur der Anwesenden, denn dass das Thema Kontroversen provozieren würde, stand von Anfang an fest. Mehrfach wurden die Veranstalter dafür gelobt, die Problematik schon jetzt, da Wölfe in unseren Wäldern noch nicht gesichtet wurden, auf die Agenda genommen zu haben und vorsorglich aktiv zu werden.

Es gelte, Ängste vor dem Beutetier ernst zu nehmen

Vom „Mythos Wolf“ war die Rede, der das Bild vieler Menschen von dem Wildtier seit Kindheitstagen prägt. Bei der Diskussion kamen sowohl seine Freunde als auch seine Gegner und moderatere Zeitgenossen zu Wort. Der Wolf sei ein Raubtier, aber nicht böse, erläuterte Christoph Jäger, denn es fehlten ihm der Plan und das Bewusstsein. Einzig der Mensch verfüge über die mentalen Voraussetzungen für Bosheit. Andererseits sei „der Wolf aber auch nicht ungefährlich“ und es gelte, Ängste vor dem Beutegreifer ernst zu nehmen. Der Großerlacher Bürgermeister erheiterte die Zuhörerinnen und Zuhörer mit einer kleinen Plauderei aus dem familiären Nähkästchen, die die Irrationalität von Ängsten veranschaulichte.

Bürgermeister Christoph Jäger sagt: „Der Wolf ist ein Raubtier, aber nicht böse. Denn es fehlen ihm der Plan und das Bewusstsein“ (Foto: Stefan Bossow)

© Stefan Bossow

Bürgermeister Christoph Jäger sagt: „Der Wolf ist ein Raubtier, aber nicht böse. Denn es fehlen ihm der Plan und das Bewusstsein“ (Foto: Stefan Bossow)

Deutlich wurde, dass der Mensch schon aus ökologischen Gründen auf die vom Wolf potenziell bedrohte Weidetierhaltung angewiesen ist, da diese auch als ein Naturschutzinstrument fungiert, wie Jochen Schäufele (in der Naturschutzbehörde als Leiter für Umweltschutz tätig) erläuterte. Trotzdem dürfe man das Thema nicht auf pro und kontra Wolf reduzieren. Dem Hinweis auf die streng geschützte Art stellte er mit Goethes Gedicht „Ziehn die Schafe von der Wiese“ eine von den Raubtieren verschonte Idylle gegenüber.

Viele weitere Experten äußerten sich bei der Veranstaltung zum Thema Wolf. Neben Wildtierbeauftragten und Vertretern der Jägerschaft, Tourismusexperten und Weidetierhaltern kam auch eine Vertreterin der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe zu Wort.

Weidetierhaltung beklagen sich über politische Entscheidungen

Felix Böcker von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg im Breisgau und seine Kollegin Laura Huber-Eustachi hielten sachlich-informative Vorträge über die Spezies Wolf sowie den Herdenschutz, welcher hauptsächlich mit Zäunen, deren Varianten ausführlich vorgestellt wurden, zu erfolgen habe. Unter anderem hieran entzündete sich dann auch die Diskussion. Weidetierhalter beklagten „Fehlentscheidungen der Politik“ und ihre schwierige Geschäftssituation, die von langen Arbeitstagen bei hohem Risiko und wenig Unterstützung durch Behörden geprägt sei. Detailliert wurden die verschiedenen Zaunmodelle besprochen und Fragen aus dem Publikum beantwortet.

Auch die Aufgaben der Wildtierbeauftragten (WTB) im Rems-Murr-Kreis wurden vorgestellt: Monitoring, Beratung, Aufklärung, Kommunikation und Wissenstransfer nannte Felix Böcker hier und betonte auch die Bedeutung der Wildtierbeauftragten als Multiplikatoren beziehungsweise auch für die Forschung etwa in der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt.

Aus dem Publikum gab es zahlreiche Fragen, auch an Dezernent Gerd Holzwarth (mittig am Rednerpult). Besonders beim Thema Weidetierhaltung und Herdenschutz entzündete sich eine Diskussion. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Aus dem Publikum gab es zahlreiche Fragen, auch an Dezernent Gerd Holzwarth (mittig am Rednerpult). Besonders beim Thema Weidetierhaltung und Herdenschutz entzündete sich eine Diskussion. Foto: Stefan Bossow

Karl-Dieter Diemer, seit April Geschäftsführer des Naturparks Schwäbisch-Fränkischer Wald und als solcher unter anderem für nachhaltigen Tourismus, Bildung und Regionalvermarktung mitverantwortlich, berichtete von einer kürzlichen Tagung des Netzwerks von mehr als 100 Naturparkvertretern: „Über 50 von ihnen haben den Wolf schon wieder, aber er macht keine Probleme.“ Auch in der Toskana oder in Nordspanien seien keine negativen Einflüsse auf den Aspekt Erholung und Tourismus bekannt. Erwartungsgemäß wurden Karl-Dieter Diemers Ausführungen mehrfach von Schäfern und anderen Tierhaltern im Publikum relativiert. Allerdings: Die ebenfalls mehrfach angesprochene Tatsache, dass über den Wolf eine Menge Fake News kursieren und Sachlichkeit vonnöten ist, schien allgemein geteilt zu werden.

So blieb die Veranstaltung trotz aller Kontroversen relativ harmonisch, ganz im Sinne des Gastgebers und Großerlacher Bürgermeisters Christoph Jäger.

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Erstellt:
16. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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