Wie gelingt das erste Zusammenziehen?
Mit dem Partner oder der Partnerin zusammenzuziehen ist ein großer Schritt. Was gilt es zu beachten, wo lauern Fallstricke für die Beziehung? Zwei Paare berichten über ihre Erfahrungen, auch eine Expertin kommt zu Wort.

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Lara Übele und Dominick Wess fühlen sich sehr wohl in ihrer ersten gemeinsamen Wohnung. Foto: Alexander Becher
Von Annette Hohnerlein
Backnang. „Am Anfang haben wir schon etwas Angst gehabt, dass es nicht gut geht. Aber es ist es immer noch schön“, sagt Dominick Wess. Der 24-Jährige und seine gleichaltrige Freundin Lara Übele kennen sich schon seit der Schulzeit in Aspach. Seit 2019 sind sie ein Paar, im November 2022 haben sie ihre erste gemeinsame Wohnung in Backnang bezogen: drei Zimmer, Küche, Bad und zwei Zwergkaninchen. Viele Absprachen haben sie im Vorfeld nicht getroffen, das meiste hat sich im Lauf des Zusammenlebens ergeben. Nur beim Geld gab es von Anfang an eine klare Abmachung. Die beiden haben ein gemeinsames Konto, auf das jeder seinen Anteil an der Miete einzahlt. Auch für andere gemeinsame Ausgaben gibt es eine Kasse, aus der Lebensmittel, Restaurantbesuche, Tickets, Urlaub und andere Unternehmungen zu zweit bezahlt werden. „Das ist einfacher so, dann muss man nicht dauernd rechnen“, sagt Wess.
Mindestens einmal pro Woche unternimmt das Paar etwas miteinander
Er arbeitet im Werkzeugbau bei der Firma Daimler im Schichtbetrieb. Das führt dazu, dass er und seine Freundin sich in jeder zweiten Woche kaum sehen, denn Übele arbeitet tagsüber in der Verwaltung eines Unternehmens in Winnenden. Deshalb achten die beiden darauf, mindestens einmal in der Woche etwas Gemeinsames abseits vom Alltag zu unternehmen: Motorrad fahren, feiern, sich mit Freunden treffen. Oder Urlaub machen; beide verreisen leidenschaftlich gerne und haben eine besondere Vorliebe für afrikanische Länder.
Auf Knackpunkte im Zusammenleben angesprochen müssen sie erst überlegen. Barthaare im Waschbecken und Wäschetrennung sind zwei Punkte, die ihnen dazu einfallen. Im Übrigen ergänzen sie sich gut, erklärt Lara Übele. „Dominick kocht meistens, das kann er sehr gut, ich backe eher.“ Und wenn es doch mal Streit gibt? „So schnell wie möglich reden“, meint Wess, und seine Freundin ergänzt: „Sich hinsetzen und so lange sitzen bleiben, bis das Problem geklärt ist, sonst setzt es sich fest.“ Paaren, die den Schritt in die gemeinsamen vier Wände noch vor sich haben, empfehlen sie: „Man soll sich’s einfach trauen. Und von Anfang an ehrlich miteinander sein.“
Finanzielle Dinge sind vorab zu klären
Offenbar haben Wess und Übele vieles richtig gemacht, so der Eindruck, wenn man eine Expertenmeinung einholt. Beate Ruoff ist Diplom-Pädagogin und Leiterin des Fachbereichs Paar-, Familien-, Lebens- und Sozialberatung beim Kreisdiakonieverband. Sie rät Paaren, vor dem Zusammenziehen auf jeden Fall die finanziellen Dinge zu klären. Und sich auch über den richtigen Zeitpunkt für die erste gemeinsame Wohnung Gedanken zu machen. Das sollte nicht in der Anfangsphase einer Beziehung sein, in der die Hormone verrückt spielen. „Aber man sollte auch nicht 15 Jahre damit warten, dann hat jeder schon seine eigenen Rituale entwickelt“, so die Expertin.
Hilfreich sei es, das Zusammenleben vorher auszuprobieren, etwa in Form eines längeren Urlaubs. „Denn man kriegt nicht mehr nur die Schokoseiten des Partners mit, wenn man zusammenlebt. Man erlebt ihn auch mal mit schlechter Laune oder ungewaschen.“ Grundsätzlich sei es einfacher, eine neue Wohnung zu beziehen. Wenn der eine beim anderen einzieht, berge das die Gefahr, dass sich einer als Gast fühlt. Im Übrigen rät Ruoff zu einem Mix aus Gemeinsamkeit und Eigenständigkeit: „Man sollte beim Zusammensein nicht nur den Alltag organisieren, sondern sich auch zu etwas Schönem verabreden, also bewusst Zeit miteinander verbringen.“ Gleichzeitig solle aber jeder der beiden mal alleine weggehen, eigene Freunde und Hobbys haben. Und jeder sollte einen Rückzugsort haben. Beim klassischen Konfliktthema Haushalt rät sie zu Flexibilität. „Man kann sich überlegen: Wer macht was lieber?“ Wenn es doch mal Ärger gebe, sollte man auf keinen Fall in Form von Vorwürfen miteinander reden („Du machst immer...“, „Du machst nie...“), sondern Ich-Sätze bilden („Ich bin heute so kaputt“, „Ich brauche Hilfe“).
Ein Abend wird regelmäßig freigehalten
Selina Rauth aus Backnang und Moritz Lanig aus Pleidelsheim sind seit vielen Jahren ein Paar. Im Mai haben sie ihre erste Wohnung in Ludwigsburg bezogen. Kennengelernt haben sich die beiden beim Handball, ihrer großen Leidenschaft. Das Hobby verbindet sie, führt aber auch dazu, dass sie an Werktagen wenig Zeit füreinander haben. Sowohl Rauth als auch Lanig trainieren viermal pro Woche, die Wochenenden sind oft mit Spielen verplant. Deshalb haben sich die beiden Studenten vorgenommen, sich regelmäßig einen Abend für Unternehmungen zu zweit frei zu halten. Auch sie haben vorab ein gemeinsames Konto angelegt, ansonsten hatten sie keine konkreten Pläne vor dem Umzug. „Selina wollte einen Putzplan, aber das fand ich keine so gute Idee“, erzählt Lanig. „Das lassen wir flexibel offen.“ So haben sie vieles einfach auf sich zukommen lassen und sind bisher gut damit gefahren. „Es hat sich so eingespielt, dass ich die Wäsche mache und Moritz sich um den Müll und die Spülmaschine kümmert“, erklärt Rauth. Ihr Freund ist der Meinung: „Man sollte sich nicht von Anfang an wegen allem einen Kopf machen. Einfach das Zusammensein genießen.“ Mit dieser pragmatischen Einstellung können die beiden auch großzügig darüber hinwegsehen, wenn der eine die Teller auf anstatt in die Spülmaschine stellt und die andere die Folie von der Frischkäsepackung nicht ganz abzieht. Und wenn es doch mal knirscht in der Beziehung? „Man sollte alles offenlegen, was einen stört“, empfiehlt Rauth, „sonst kann’s knallen.“
Beratung Der Kreisdiakonieverband Rems-Murr bietet in der Oberen Bahnhofstraße 16 in Backnang eine Paar-, Familien-, Lebens- und Sozialberatung für jedermann an. Die Beratungsstelle ist unter der Telefonnummer 07191/95890 oder per E-Mail an info-bk@kdv-rmk.de erreichbar. Infos gibt es auch auf www.kdv-rmk.de.