Wie kann man Tiere vor Silvesterlärm bewahren?

Vor allem für Wildtiere und landwirtschaftliche Nutztiere sind laute Böller an Silvester eine enorme Belastung. Tierbesitzer versuchen, auch ihre Haustiere, so gut es geht, vor dem Stress zu bewahren. Die Stadtverwaltung appelliert an Raketenfans, Rücksicht zu nehmen.

Viele Hunde leiden an Silvester besonders unter der lauten Geräuschkulisse.  Foto: Adobe Stock/Firn

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Viele Hunde leiden an Silvester besonders unter der lauten Geräuschkulisse. Foto: Adobe Stock/Firn

Von Carolin Aichholz

Rems-murr. Im vergangenen Jahr machte ein tragischer Fall an Silvester in Erdmannhausen auf ein großes Problem aufmerksam: Weil direkt neben einem Kuhstall ein Feuerwerk gezündet wurde, brach im Stall Panik aus. Drei Kühe vereltzten sich dabei schwer und mussten am Neujahrsmorgen von ihrem Leid erlöst werden.

Das war sicher ein Extremfall, dennoch leiden viele Tiere sehr unter dem Lärm. Tierärztin Eva Bonfert vertritt darum eine klare Meinung: „Ich würde die Knallerei an Silvester mit Rücksicht auf die Tiere am liebsten komplett verbieten.“ In ihrer Praxis in Backnang werden pflanzliche Beruhigungsmittel, aber auch etwas stärkere Medikamente verkauft. Ähnlich wie Valium sollen diese die Tiere ruhigstellen und vor dem Schrecken bewahren. Das sei jedoch nicht für alle Vierbeiner geeignet. „Gerade ältere Tiere vertragen die Mittel manchmal nicht mehr gut und geraten dann noch mehr in Panik“, sagt Eva Bonfert. Die Tierärztin rät Haustierbesitzern dazu, die Jalousien zu schließen, damit die Tiere die grellen Lichter nicht sehen können. Außerdem könnte man als Ablenkung das Radio oder den Fernseher laufen lassen, damit der Lärm draußen übertönt wird. Mit den Hunden könne man noch gegen 20 Uhr spazieren gehen, sie dabei an Silvester aber lieber an die Leine nehmen. „Falls doch mal unerwartet ein Knall kommt, könnten die sonst schnell weg sein“, weiß Bonfert. Katzen solle man am besten im Haus oder in der Wohnung behalten und nicht mehr rauslassen.

„Für die Tiere wäre es natürlich am besten, wenn die Besitzer den Abend bei ihnen verbringen, um sie im Zweifel beruhigen zu können“, sagt Bonfert, „aber es ist natürlich ein Abend, den man auch gern mit anderen Leuten verbringt und feiert.“

Wild- und Nutztiere sind am stärksten betroffen

Dennoch sind Haustiere ihrer Meinung nach die Vierbeiner, die es an Silvester noch am besten haben. „Sie haben Besitzer, die sich um sie kümmern und sie lieb haben. Aber streunende Tiere oder Wildtiere werden von der Geräuschkulisse und den grellen Blitzen mitten in der Nacht einfach extrem erschreckt und wissen nicht wohin.“

Darum werben verschiedene Tierschutzvereine auch für ein „raketenfreies Silvester“, so auch der Verein „Aktion Tier“. Gerade für Wildtiere könne der Silvesterstress sehr belastend sein, Angst und Flucht führe die Tiere im schlimmsten Fall gegen ein Hindernis oder auf befahrene Straßen. Es koste die Tiere zudem viel Kraft, dabei müssten sie vor allem im Winter mit ihren Energiereserven gut haushalten, schreibt der Verein. Auch für typische Winterschläfer wie den Igel könne Silvester gefährlich werden. Wenn sie aufwachen und Nahrung suchen müssen, kann der damit eingehende Energieverlust die Tiere hart treffen. Denn Insekten und Würmer seien gerade jetzt schwer zu finden.

Und auch die Tiere in ihren Ställen werden großem Stress ausgesetzt, sagt Tierärztin Eva Bonfert. „Milchkühen kann man nicht einfach Beruhigungsmittel verabreichen, sie geben dann keine Milch mehr.“

Kaja Knödler-Winkle betreibt einen Pferdehof in Allmersbach im Tal. Der Lärm sei für die Tiere nicht das Hauptproblem, sondern die grellen Blitze erschrecken einige Tiere. „Vor allem für junge oder neue Pferde, die das noch nicht kennen, kann das belastend sein.“ Darum schaut sie selbst zur Sicherheit nach dem Rechten. „Natürlich auch um sicherzugehen, dass keiner direkt am Hof seine Raketen abfeuert“, so Knödler-Winkle. Doch so viel Rücksicht würden die meisten Silvesterfans schon nehmen und Abstand zum Stall halten. „Und meistens geben wir den Pferden vorher eine ordentliche Portion Heu und dann schauen auch sie sich das relativ entspannt mit an.“

Im Tierheim in Großerlach bleibt es zur großen Freude der Bewohner und Pfleger recht ruhig. „Darum muss auch von uns niemand bei den Tieren bleiben. Wir wissen aus Erfahrung, dass es dort kein Problem gibt. Einmal im Jahr ist unsere Lage außerhalb des Ortes mal ein Vorteil“, freut sich Avana Eder, Geschäftsführerin des Tierschutzvereins Backnang.

Kein besonderer Schutz für landwirtschaftliche Betriebe

Im Feuerwerksverbot ist bislang kein Tierschutz verankert, im Gegensatz zu vielen anderen Einrichtungen (siehe Infotext). Lediglich in einem Teil der Backnanger Altstadt ist das Abfeuern von Raketen, vor allem aus Brandschutzgründen, verboten.

Gisela Blumer, Leiterin des Rechts- und Ordnungsamts, sieht auch nach Rücksprache mit Landwirten keinen Anlass für ein generelles Verbot. „Viele Höfe liegen abgelegen, aber einige zentral gelegene Betriebe berichten doch von Problemen“, so Blumer.

Ein generelles Böllerverbot in der Nähe von Bauernhöfen sei dennoch auch in diesem Jahr als unverhältnismäßig angesehen worden. Man habe sich stattdessen dafür entschieden, die Bevölkerung zu Vorsicht und Rücksichtnahme auf die betroffenen Landwirte und ihre Tiere aufzurufen.

Hier darf man keine Böller zünden

Laut Gesetz In unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie Reet- und Fachwerkhäusern darf bundesweit und zeitunabhängig keine Pyrotechnik gezündet werden (nach Paragraf 23 der Ersten Verordnung des Sprengstoffgesetzes).

In Backnang Die Backnanger Altstadt mit vielen historischen Gebäuden und Anlagen gilt als besonders brandempfindlich. Durch die enge Bebauung erwiesen sich auch Löschmaßnahmen bei Bränden in den vergangenen Jahren hier als schwierig. Darum gilt in einem Teil der Altstadt ein Verbot von Raketenabschüssen.

Weitere Informationen Nähere Erläuterungen sowie eine genaue Karte findet man auf www.backnang.de/start unter der Kategorie „Öffentliche Bekanntmachungen“.

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Erstellt:
29. Dezember 2023, 06:00 Uhr

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