Wie man einen Igel zu Hause überwintern lässt

Artenschutz vor der Haustür Die Trockenheit in diesem Sommer hat das Nahrungsangebot für Igel stark eingeschränkt. Die Aufnahmestationen in der Region sind voll. Beachtet man einige Regeln, kann man einen Igel jedoch auch zu Hause überwintern lassen.

In den vergangenen Wochen hat der Fundigel sein Gewicht schon mehr als verdoppelt. Fotos: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

In den vergangenen Wochen hat der Fundigel sein Gewicht schon mehr als verdoppelt. Fotos: Tobias Sellmaier

Von Simone Schneider-Seebeck

Rems-Murr. Anfang Oktober war Evelyn Sellmaier mit ihrem Hund in Leutenbach spazieren, als ihr unweit der Straße ein Igelchen auffiel. „Eigentlich sind Igel größer“, hatte sie sich beim Anblick des Tiers gedacht. Schnell war sie nach Hause geeilt, hatte sich ein Handtuch geholt und die kleine Stachelkugel heimgebracht. Die Internet-Suchmaschine bestätigte ihre Vermutung – mit etwa 150 Gramm war der kleine Säuger definitiv zu leicht. Mindestens 400 Gramm sollte ein Jungigel im Oktober auf die Waage bringen, um den Winter gut überstehen zu können.

Im Hause Sellmaier gab es vorher noch keinerlei Erfahrungen damit, wie Igel aufgepäppelt und „winterfest“ gemacht werden. Bei ihrer Recherche stieß Sellmaier dann auf die Facebook-Gruppe „Igel – Notfälle – Beratung und alles Drumherum“. Kaum hatte sie ein Foto des kleinen Gastes gepostet, kamen schon die ersten Tipps und bald meldete sich auch einer der Administratoren. „Das ist eine super Gruppe, man wird direkt von den Admins betreut, wenn man einen Igel gefunden hat“, ist sie dankbar für die unkomplizierte und schnelle Unterstützung.

Ihren unverhofften Hausgast hat Evelyn Sellmaier bereits ins Herz geschlossen.

© Tobias Sellmaier

Ihren unverhofften Hausgast hat Evelyn Sellmaier bereits ins Herz geschlossen.

Womit man als Laie vielleicht gar nicht rechnen würde – das Aufpäppeln von Igeln durch Privatpersonen ist ein wichtiges Thema. Denn die Igelstationen in der Umgebung von Stuttgart sind voll. Mit ein Grund dafür, warum es so viele untergewichtige Igel gibt, ist der trockene Sommer, denn dadurch haben die Tiere nicht genug Futter, insbesondere Schnecken, bekommen. Igel sind Fleischfresser, Getreide oder Früchte sind nichts für sie. Eier sind noch möglich.

Über den Winter darf der Igel in einem Außengehege bleiben

Der Aufwand, den der kleine Gast bei Sellmaiers verursacht, ist überschaubar. Untergebracht ist er in einem ehemaligen Hasenstall. „Abends mache ich den Stall sauber und morgens wird gefüttert“, berichtet Evelyn Sellmaier. Und da er hauptsächlich nachtaktiv ist, bekommt man von seinen Aktivitäten nicht viel mit. Regelmäßig setzt sie ihn auf die Waage und in den vergangenen zwei Wochen hat der Igel gut zugelegt. Mittlerweile hat er sein Gewicht schon mehr als verdoppelt. Doch selbst wenn er das Mindestgewicht erreicht hat, wird er noch bei der Familie bleiben. Denn nun ist es für ihn zu spät, sich einen Platz in der freien Wildbahn zum Überwintern zu suchen. Es ist damit zu rechnen, dass er immer wieder aufwacht und auf Futtersuche geht. Das kostet viel Energie, mehr als er sich Winterspeck anfressen konnte. Deshalb kommt er, sobald er 500 Gramm wiegt, raus in ein Igelhaus. Damit das Futter, das man regelmäßig anbieten soll, nicht von anderen Tieren verspeist wird, steht die Schlafunterkunft in einem Gehege.

Für Igelpfleger finden sich oft Mentoren, die ihre Erfahrung weitergeben

„Unser europäischer Braunbrustigel ist vom Aussterben bedroht und bedarf unserer Hilfe“, weiß Lisa Ruder. Sie ist eine der Moderatorinnen der oben genannten Facebook-Gruppe. Warum sie damit angefangen hat, sich so intensiv mit diesem Tier zu beschäftigen? Sie hatte in ihrem Garten eine Igelmutter liegend gefunden, mehr tot als lebendig. Voller Innenparasiten, „die so in ihr wüteten, dass sie nicht mehr fressen konnte“, erinnert sie sich. Zwei Wochen lang päppelte sie die werdende Mutter auf, die sich – glücklicherweise – zusehends erholte. Sechs kleine Igelchen bekam das Tier. „Diese zog sie dann bei mir im Gartengehege auf.“

Hilfe bekam Ruder von einem Mentor und empfiehlt dieses System wärmstens: „Jeder Igelpfleger sollte, wenn er sich für diese wundervolle Aufgabe entscheidet, einen Mentor haben. So lernt man Seite an Seite, was wichtig ist, und kann stets nachfragen, wenn man unsicher ist. Je länger man mit den Igeln arbeitet, umso sicherer wird man dann in Umgang und Diagnose, Behandlung und Entscheidung zum Wohle des Igels. Interesse am Igel ist der beste Lehrmeister, denn man möchte ja das Beste für die kleinen Stachelkugeln.“ Sicher auch eine wertvolle Unterstützung für die Tierheime und Tierschutzvereine der Umgebung, die zur Zeit sowieso stark beansprucht sind. Aufnahmestationen in der Region sind bereits gut gefüllt.

Evelyn Sellmaier und ihre Familie haben sich mit dem kleinen Gast auf jeden Fall gut arrangiert. „Die Füße sind das Tollste an ihm“, schwärmt sie. Und man merkt, dass es ihr jetzt schon schwerfallen wird, ihn nach dem Winter wieder in die Freiheit zu entlassen: „Ich gebe ihm aber keinen Namen. Sonst ist es meiner.“

Erste Hilfe für magere Igel

Sichern Wer einen Igel findet, der tagsüber unterwegs ist, sich nicht einrollen kann oder sehr klein wirkt, sollte ihn mit zu sich nach Hause nehmen. Ein Gewicht unter 400 Gramm im Oktober bedeutet, dass er den Winter nicht überstehen würde.

Erstversorgung Den Igel sollte man zunächst auf Parasiten untersuchen – Zecken entfernen, Mückenlarven (sehen aus wie Reiskörner) mithilfe einer Zahnbürste entfernen, nach Möglichkeit auch Flöhe entfernen. Achtung – hierzu kein Antiflohpulver verwenden, vor allem Jungtiere können daran sterben. Nach der Behandlung das Tier mit Öl einpinseln, funktioniert gut mit einem Borstenpinsel. Anschließend den Igel auf einer Wärmflasche (nicht zu heiß!) platzieren. Erst wenn den Bauch warm ist, darf er zu fressen bekommen.

Futter Igel dürfen kein Getreide oder Obst fressen! Auch Milch ist nicht geeignet. Fertiges Igelfutter enthält häufig Getreide, daher sorgfältig die Inhaltsstoffe prüfen. Katzenfutter ist ideal, Gelee oder Soße sollten vor der Fütterung jedoch entfernt werden. Beliebt ist auch „schlonzig“ gebratenes Rührei.

Unterbringung Der Karton für die Wohnung sollte mindestens 50 Zentimeter hoch sein, Igel klettern gern. Für außen geeignet sind spezielle Igelhäuser, Beispiele dafür gibt es etwa auf der Seite www.igelverein.de/8-igelhaeuser-und-gehege.html. Diese Website bietet auch weitere Informationen rund um den Igel.

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Erstellt:
22. Oktober 2022, 11:30 Uhr

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