Umgang mit Pornografie
Wie sexuelle Aufklärung in Zeiten von Pornografie funktioniert
Pornografie ist überall, Kinder kommen immer früher damit in Kontakt. Wie können Eltern ihre Kinder schützen und sie gleichzeitig richtig aufklären? Tipps und Tricks, um Peinlichkeiten zu vermeiden.
Von Markus Brauer/dpa
„Playboy“, „Praline“ oder „Schlüsselloch“ heimlich gelesen und in der Schule weitergereicht – das war einmal. Auch die Unterwäsche-Modells aus den „Neckermann“- und „Otto“-Katalogen sind Geschichte, von denen höchstens noch Babyboomer erzählen.
Die Jugendlichen von heute kennen sexuell-pornografische Inhalte aus dem Internet. Noch nie war es so einfach an nicht-jugendfreies Anschauungsmaterial zu kommen. Erotik- und Sex-Clips, selbst harte Pornografie gehören inzwischen zum ganz normalen Erwachsenwerden.
Bloß kein Alarmismus!
Sexualforscher, Lehrer, Sozialarbeiter und Psychologen raten im Umgang mit dem heiklen Thema vor allem von einem ab: Alarmismus. Pornografie, so das durchgängige Urteil, seien fester Bestandteil der Pubertät und müssten deshalb auch ein Thema in der Erziehung – im Elternhaus, in der Schule oder im Jugendzentrum – sein.
Junge Menschen haben heutzutage früh Kontakt zu Pornografie. Auch Alltagsmedien behandeln Themen rund um Liebe, Sexualität und Partnerschaft. Sie vermitteln bestimmte Bilder darüber, wie Körper auszusehen haben oder wie guter Sex ablaufen sollte. Der Sexualpädagoge Carsten Müller empfiehlt daher, das Thema Sexualität aufzugreifen, sobald es von den Kindern angesprochen wird und sie Fragen stellen. Das könne auch schon im Kindergartenalter geschehen.
Ehrlich, alters- und entwicklungsentsprechend darüber reden
„Man kann nicht nicht aufklären“, meint die Sexologin Magdalena Zidi. Sie empfiehlt sexuelle Aufklärung von Geburt an und rät, beispielsweise beim Wickeln alle Körperteile zu benennen, ohne eine verniedlichende Sprache für die Genitalien zu benutzen.
Je früher der Kontakt zu Medien und den von ihnen vermittelten Bildern entsteht, desto wichtiger ist es Müller zufolge Fragen ehrlich und auf Sachebene alters- und entwicklungsentsprechend zu beantworten. „Nur so haben Eltern einen Einfluss auf die Bilder, die bei den Kindern ankommen“, meint Müller.
Künstlichen Bildern eigene gegenüberstellen
Wichtig sei, so Müller, ab dem Grundschulalter Kindern eigene Bilder zu Liebe, Sexualität und Partnerschaft zu vermitteln, damit sie etwas in der Waagschale haben, was sie den künstlichen Bildern entgegensetzen können. Wenn sie dann auf Pornografie und andere Inhalte stoßen, können sie das in einen Abgleich bringen.
Zidi nennt es Referenzrahmen, der es Eltern ermöglicht, ihre Werte zu vermitteln. „Sie können Ihren Kindern klarmachen, dass Sex in Pornos nicht echt ist, für Sie aber zu Sex unter anderem eine Beziehung, Liebe, Vertrauen oder eine Ehe dazugehört.“
Mit ziemlicher Sicherheit werden Eltern mit der Pubertät nicht mehr die Top-Ansprechpartner für die Heranwachsenden sein. Müssen sie aber auch gar nicht. „Eltern sollten das sichere Netz bilden, in das Kinder fallen können, wenn es hart auf hart kommt“, betont Müller.
Keine „Generation Porno“
Junge Menschen sollten seiner Meinung nach eine bunte Tüte an Sexualität bekommen, aus der sie schöpfen können – aus dem, was Eltern vor- und selbst an Sexualität ausleben, Informationen und eigener Erfahrung. „Es sollte nicht das Ziel sein, dass sie nicht auch Pornografie konsumieren werden.“
Wie aber lassen sich eigene Vorlieben entwickeln, wenn man schon von pornografischen Inhalten geprägt ist? „Ich erlebe sehr viele junge Menschen, die ganz genau wissen, dass das nicht real ist“, erklärt Carsten Müller. Eine „Generation Porno“ hält er für übertrieben.
Pornos sind keine Dokus
Doch auch wenn Jugendliche einschätzen können, dass Pornos nicht die Realität sind, machen die Bilder trotzdem was mit ihnen, das lässt sich nicht verharmlosen. „Wenn Pornos die einzige Informationsquelle zu Sexualität sind, dann prägt das natürlich, vor allem wenn man keinen Bezugsrahmen und keine Verbindung zu seinem eigenen Körper hat“, unterstreicht Magdalena Zidi.
Zidi rät dazu, Kindern früh klarzumachen, dass es Filme für Erwachsene gibt, in denen Schauspieler authentischen Sex "nachspielen". Pornos sind eben keine Dokus. „Pornos sorgen wie Actionfilme für einen Adrenalinausstoß, man will dranbleiben.“ Bei den meisten Menschen sei der Sex aber nicht so aufregend wie im Film. So könne es sein, dass man sich an die Reize gewöhne und schwerer in die eigene Erregung finde.
Dazu kommt: Was man in Pornos nicht sieht, sind Vorgespräche oder generell Kommunikation. Es wird nicht über Verhütung, sexuell übertragbare Krankheiten oder Vorlieben gesprochen.
Nicht verteufeln, Ansprechpartner sein
Wenn Ihr Kind mit Pornografie in Berührung kommt, ob freiwillig oder unfreiwillig, verteufeln oder verbieten Sie es nicht, sondern signalisieren Sie, dass Sie als Ansprechperson zur Verfügung stehen. Die größte Angst sei es, dass das Handy weggenommen werde, mahnt Zidi.
Was tun, wenn einem die Themen Sex und Porno zutiefst unangenehm sind und ein Gespräch mit der heranwachsenden Tochter superpeinlich ist? „Für manche Erwachsene ist das Reden über Sex so, als müssten sie eine neue Sprache lernen“, sagt Carsten Müller und vergleicht es mit Vokabeltraining.