Wie viel Merkel steckt in Merz?
Trotz Kritik an Angela Merkel orientiert sich Friedrich Merz an deren Prinzip. Das funktioniert so aber nicht.
Von Tobias Peter
Berlin - Grottenschlecht. So hat Friedrich Merz einmal das Erscheinungsbild der Regierung von Angela Merkel beschrieben, als diese noch Kanzlerin war. Merkel wiederum hat auf die Frage, ob sie Merz das Kanzleramt zutraue, abschätzig gesagt: Wer so weit gekommen sei, müsse ja über „irgendwelche Eigenschaften“ verfügen, die ihn dazu befähigten.
Drei Anläufe hat Friedrich Merz gebraucht, um nach der Merkel-Zeit Vorsitzender der CDU zu werden. Er will unbedingt Kanzler werden. Sein Ehrgeiz war es aber auch immer, der CDU wieder ein stärker konservatives und auch wirtschaftsliberales Profil zu geben. Seinem Traumjob als Regierungschef ist Merz nach dem Scheitern der Ampel jetzt nahe.
Dass Kanzler Olaf Scholz es im Wahlkampf gerade an staatsmännischen Format vermissen lässt und seinen Gegenkandidaten in einem respektlosen Foul „Fritze Merz“ nennt, spielt dem Unionskandidaten sogar noch in die Hände.
Die Frage ist also so aktuell wie spannend: Würde Merz als Kanzler wirklich so viel anders machen als die CDU-Langzeitkanzlerin Merkel? Als die Frau, der er in ihrer letzten Amtszeit vorwarf, ihre Art zu regieren habe sich „wie ein Nebelteppich“ über das Land gelegt? Wie viel Merkel also steckt in Merz?
Einen echten Bruch mit Merkel hat Merz in der Flüchtlingspolitik vollzogen. Er setzt strikt auf Begrenzung. Da sich in dieser Frage der Zeitgeist gewandelt hat, trifft er damit den Kern dessen, was viele Menschen sich wünschen. Im Fall seines Wahlsiegs wird er sich an Ergebnissen messen lassen müssen.
In der Wirtschafts- und Sozialpolitik hat Merz dagegen – auch wenn er es nie zugeben würde – viel vom Prinzip Merkel übernommen. Diese war in ihrem ersten Wahlkampf im Jahr 2005 noch als wirtschaftsliberale Reformerin angetreten – und hätte den schon sicher geglaubten Wahlsieg fast verspielt. Danach ist Merkel zu einer Politikerin geworden, die versucht hat, die Menschen wenig vor den Kopf zu stoßen. Und möglichst für alle ein passendes Geschenk zu finden.
Niedrigere Steuern für Menschen mit unteren und mittleren Einkommen, die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und eine deutliche Entlastung bei den Unternehmenssteuern – das alles versprechen CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm. Eine plausible Gegenfinanzierung nennt die Union nicht. Die Regeln für das Bürgergeld lassen sich zwar noch etwas verschärfen. Aber jeder, der sich auskennt, weiß: Der finanzielle Spielraum, der sich dadurch ergibt, ist begrenzt.
Merz betont zudem, die CDU werde das Rentenalter nicht antasten – obwohl sie in ihrem eigenen Grundsatzprogramm einen Handlungsbedarf erkannt hat. Es wirkt ein bisschen so, als habe der Kanzlerkandidat einer Künstlichen Intelligenz den Auftrag erteilt: „Erstelle ein Wahlprogramm, das für fast jeden etwas zu bieten hat – und mach dir dabei bloß keine Sorgen übers Geld. Das kommt schon irgendwo her.“
Das Prinzip Merkel, gesellschaftliche Konflikte mit Geld zu lösen, hat über viele Jahre funktioniert. Der Preis dafür war, dass dringend notwendige Investitionen in Digitalisierung, Infrastruktur und die Bundeswehr verschleppt wurden. Das kann jetzt nicht mehr funktionieren. Dafür sind die Probleme zu groß, selbst wenn es zu der dringend notwendigen Reform der Schuldenbremse kommt.
Olaf Scholz hat im Jahr 2021 die Wahl gewonnen, weil er am glaubwürdigsten eine Fortsetzung der kommoden Merkel-Jahre versprach. Friedrich Merz spricht zwar nicht gern über Merkel, versucht aber dasselbe. Wenn er gewählt wird, kann er wie Scholz mit diesem Ansatz nur scheitern.