Wildtiere erobern die Siedlungsräume

Es ist auch im Rems-Murr-Kreis inzwischen keine Seltenheit mehr, Tiere wie Waschbären, Marder oder Füchse in Haus und Garten anzutreffen. Weil das zu Konflikten führen kann, sollen landesweit sogenannte Stadtjäger zum Einsatz kommen. Im Kreis gibt es fünf Anwärter.

In Rudersberg hatte sich ein Waschbär auf einem Hausdach im Blitzableiter verfangen. Archivfoto: SDMG/Lermer

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In Rudersberg hatte sich ein Waschbär auf einem Hausdach im Blitzableiter verfangen. Archivfoto: SDMG/Lermer

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Ein Waschbär auf dem Dach, ein schlafender Fuchs auf dem Sofa – das sind nur zwei Fälle der vergangenen Jahre aus der Region. Immer wieder tauchen Wildtiere im Rems-Murr-Kreis in Siedlungsgebieten auf. Und nicht nur hier: Landesweit wurde eine Zunahme der Ansiedlung von Wildtieren innerorts festgestellt. Die Landesregierung hat darauf reagiert: Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg im Juli vergangenen Jahres die Stadtjäger in das eigene Jagdgesetz mit aufgenommen. Anders als es der Name vielleicht vermuten lässt, jagen diese keine Tiere innerhalb der Stadt, denn Konzepte aus dem ländlichen Raum und der freien Landschaft lassen sich nicht ohne Weiteres auf einen Bereich übertragen, in dem viele Menschen auf engem Raum leben. Vielmehr sollen die ausgebildeten Fachkräfte beraten und Präventionsarbeit leisten und so ein reibungsloses Miteinander von Mensch und Tier ermöglichen. „Mit der Einführung des Stadtjägers wird ein zusätzlicher qualifizierter Ansprechpartner für Wildtiere im Siedlungsraum geschaffen“, teilt auch das Landratsamt des Rems-Murr-Kreises mit. Das Ministerium für Ländlichen Raum prüft derzeit, welche Ausbildungsstätten für Stadtjäger anerkannt werden. „Erst im Anschluss daran ist eine Anerkennung durch die untere Jagdbehörde möglich“, so die Erklärung des Landratsamts. Fünf Personen im Rems-Murr-Kreis hätten eine Ausbildung zum Stadtjäger absolviert und warten auf die Anerkennung.

Über die Unterstützung ist man in der Behörde dankbar, denn auch im Kreis nehmen die Begegnungen mit Wildtieren in Siedlungsgebieten zu. „Täglich gibt es mehrere Anrufe besorgter Bürgerinnen und Bürger über Wildtiere in Gärten, Häusern, an Straßen oder Wegen beim Kreisjagdamt oder Forstamt“, bestätigt eine Sprecherin des Landratsamts. Im Rems-Murr-Kreis gibt es einen ehrenamtlichen Wildtierbeauftragten, der sich um Sichtungen von Wolf, Luchs und Wildkatze kümmert. Beantragt sei darüber hinaus eine 50-Prozent-Stelle für einen Wildtierbeauftragten beim Forstamt. Die drei genannten Wildtierarten sind jedoch selten anzutreffen.

Tierische Überraschung im Wohnzimmer: Eine Familie aus Remshalden hat 2020 einen schlafenden Fuchs auf ihrer Couch entdeckt. Archivfoto: Polizei Aalen

© Polizei

Tierische Überraschung im Wohnzimmer: Eine Familie aus Remshalden hat 2020 einen schlafenden Fuchs auf ihrer Couch entdeckt. Archivfoto: Polizei Aalen

Andere Tierarten werden deutlich häufiger von den Bürgerinnen und Bürgern im Kreis bemerkt. Die Wildtierarten Fuchs, Marder und Waschbär werden am häufigsten im Landratsamt gemeldet. „Meist werden am Staupe-Virus erkrankte und schwache Tiere gesichtet.“ In solche Fällen ist die untere Jagdbehörde Ansprechpartner. Sie informiert und berät betroffene Bürgerinnen und Bürger und vermittelt gegebenenfalls die zuständigen Ansprechpartner für die Fallenjagd. Denn gerade Waschbären können sich für viele Haus- und Gartenbesitzer zu einer echten Plage entwickeln. Nicht nur durchwühlen sie Mülltonnen und Beete im Garten, auf der Suche nach Schlafplätzen können sie auch ins Haus eindringen und dort einigen Schaden anrichten.

Auch in der Region sind Waschbären auf dem Vormarsch. Ihre Population nehme deutlich zu, nicht nur im Siedlungsbereich, heißt es vom Landratsamt. Auf der EU-Liste der invasiven gebietsfremden Arten wird er aufgeführt, zudem wird unter anderem empfohlen, die Tiere zu bejagen. Sie gelten als Gefahr für Amphibien sowie Vogelbruten wie etwa Graureiher. Die Abschüsse von Waschbären im Rems-Murr-Kreis lassen eine deutliche Entwicklung der Population erkennen: „Die Anzahl der erlegten Waschbären im Kreis hat sich von 485 Waschbären im Jagdjahr 2018/2019 auf 1103 im Jagdjahr 2020/21 erhöht“, vermeldet das Landratsamt.

Weil sie so niedlich sind, freuen sich viele Menschen, Waschbären zu sehen, manche füttern sie sogar noch. Dieses Verhalten lockt die Tiere erst recht in die Städte und Gemeinden. Das bleibt nicht ohne Folgen, denn Konflikte könnten jederzeit auftreten, so die Einschätzung der Behörde, und sie berühren Lebensbereiche wie Gesundheit, Besitztümer und Sicherheit. Mensch-Wildtier-Konflikte würden sich je nach Wildart unterscheiden und hingen stark davon ab, wie und wo der Kontakt zustande kommt. „Die Bürgerinnen und Bürger haben unterschiedliche, teils gegensätzliche Einstellungen zu Wildtieren. Die einen füttern Wildtiere, um sie beobachten zu können, andere fürchten Wildtiere als Überträger von Krankheiten“, lautet die Erfahrung der Kreisbehörde. „Um das Zusammenleben von Mensch und Wildtier konfliktarm zu gestalten, ist eine Information, wie die Menschen sich Wildtieren gegenüber verhalten sollen, sinnvoll“, teilt das Landratsamt mit und gibt den Bürgerinnen und Bürgern konkrete Tipps mit an die Hand.

Die Wildtierarten Fuchs, Marder und Waschbär werden am häufigsten gemeldet.
Das Nahrungsangebot in Städten und Gemeinden lockt die Tiere an

Wildtierportal Informationen für ein friedliches Zusammenleben von Mensch und Wildtier finden sich auf dem Wildtierportal des Landes unter www.wildtierportal-bw.de. Lebensweise, Bestandssituation und Verbreitung von über 45 Wildtierarten werden dort ausführlich beschrieben. Das Wildtierportal bietet neben Fachinformationen auch Verhaltensregeln im Umgang mit Wildtieren.

Verhaltensregeln Menschliche Siedlungen sind für Wildtiere attraktiv, denn sie bieten ein ganzjährig vielfältiges Nahrungsangebot und unterschiedliche landschaftliche Strukturen. Eine wirksame Maßnahme zur Vermeidung der Ansiedlung liegt darin, den Wildtieren das Nahrungsangebot zu entziehen, indem man

sie nicht füttert,

kein Haustierfutter offen zugänglich lässt,

keine Essensreste auf den Kompost legt,

den Kompost abdeckt,

Müllbehälter verschließt.

Auch Unterschlupfmöglichkeiten sollten so gesichert werden, dass ein Eindringen der Tiere vermieden wird, durch:

Einstiege zum Dachboden verschließen

ans Haus angrenzende Bäume und Sträucher zurückschneiden

Manschetten an Regenrohren anbringen

Schornsteine vergittern

Aufeinandertreffen Bei Begegnungen mit Wildtieren ist Abstand zu halten und es ist wichtig, sich ruhig zu verhalten, um das Tier nicht unnötig in Stress zu versetzen. Wildtiere bitte nicht anfassen oder einfangen beziehungsweise in die Enge treiben. Für die Wildtierarten, die dem Jagd- und Wildtiermanagement unterliegen, können sich Bürgerinnen und Bürger an die untere Jagdbehörde wenden unter Telefon 07191/895-4369.

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Erstellt:
29. April 2022, 06:00 Uhr

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