„Wir brennen dafür, dass Beziehung gelingt“
Die Lockdowns haben dazu geführt, dass Paare plötzlich mehr Zeit miteinander verbringen. Das wirkt sich auf die Beziehungen aus. Die Aspacher Eheberater und Heilpraktiker für Psychotherapie Marina und Peter Hahn sind überzeugt: Für Beziehungen gibt es Handwerkszeug, man ist seiner Situation nicht hilflos ausgeliefert.

© Alexander Becher
Für Marina und Peter Hahn ist die Ehe ein Geschenk. Sie raten allen Paaren dazu, sogenannte Herzensgespräche zu führen. Foto: A. Becher
Von Simone Schneider-Seebeck
ASPACH. Viel wird darüber spekuliert, wie sich die Coronapandemie und besonders die Lockdown-Zeiten auf zwischenmenschliche Beziehungen ausgewirkt haben und noch auswirken. Vor allem – was macht(e) sie mit Paaren? Hat man in dieser erzwungenen Zeit der Gemeinsamkeit eher zueinander gefunden oder womöglich mit Schrecken festgestellt, dass man eigentlich ganz unterschiedliche Leben lebt? Und wie kann man dem begegnen?
„Die Paar-beratenden Heizölhändler“, so hat man Marina und Peter Hahn scherzhaft während ihrer Ausbildung zu Ehe- und Familienberatern genannt. Bis vor drei Jahren hat Peter Hahn noch selbst Brennmaterial ausgefahren, aus gesundheitlichen Gründen strukturierte er jedoch vor drei Jahren das Geschäft um. Doch was hat Heizöl mit Paarberatung zu tun? Nun, während Peter Hahn seine Kunden beliefert hat, war immer etwas Zeit, um ins Gespräch zu kommen. Das lag ihm. Und da Marina Hahn ihn mit ihrer Begeisterung für das Thema Lebensberatung angesteckt hatte, ist er schließlich mit eingestiegen. „Sie hat dafür gebrannt“, erinnert sich Hahn lächelnd. „Was mich als Mann fasziniert – auch für Beziehungen gibt es Handwerkszeug, man ist seiner Situation nicht hilflos ausgeliefert.“ Dass die Hahns, die selbst im Laufe ihrer über 30-jährigen Ehe sowohl Hochs als auch Tiefs erlebt und überlebt haben, die Sitzungen gemeinsam durchführen, kommt bei Beratung suchenden Paaren sehr gut an. Vor allem die Männer schätzen die Authentizität der beiden.
Die Klienten sollen ihre Fähigkeiten und eigenen Potenziale nutzen.
Ob sich die Coronapandemie auf die Paarberatung ausgewirkt hat? Auffällig sei, dass sich in den vergangenen Monaten vermehrt Jugendliche und junge Erwachsene gemeldet haben. „Vor allem junge Männer suchen nach Orientierung“, ist Peter Hahn aufgefallen, es falle mitunter nicht immer leicht, seine Rolle als Mann in der jetzigen Gesellschaft zu finden. Doch nicht nur junge Männer tun sich damit schwer. Heutzutage gebe es kaum Vorbilder für eine lange und erfolgreiche Ehe, bedauern die beiden. Sie selbst hatten das Glück, ein solches in ihrem Bekanntenkreis zu finden. Und dieses befreundete Paar half ihnen, mit so manchem Vorurteil aufzuräumen. So sei es überhaupt nicht notwendig, dass man ausschließlich gleiche Interessen haben müsse, um zueinanderzupassen. „Man muss sein Potenzial nutzen“, findet Marina Hahn. „Jeder muss seinen eigenen Weg gehen und diesen Weg baut man mit seinen eigenen Fähigkeiten.“ Zu erkennen, dass die Unterschiedlichkeit eine ganz große Ressource ist, die die Beziehung dann rund macht, ist ein echter Gewinn für beide Partner. Die beiden Heilpraktiker für Psychotherapie möchten ihren Klienten dabei helfen, diese Fähigkeiten und eigenen Potenziale zu entdecken und auch zu nutzen.
„Menschen, die hierherkommen, wollen eine Veränderung“, so Marina Hahn. „Wenn die Frauen anrufen, bin ich beruhigt“, sagt ihr Mann, doch „wenn die Männer anrufen, dann ist der Zug schon fast abgefahren“. Oft herrschen falsche Vorstellungen davon, wie die perfekte Ehe sein müsse. Etwa, dass man immer alles gemeinsam machen müsse, sich aneinander anzupassen habe, immer nur eine gemeinsame Meinung vorherrschen dürfe. Dem ist ganz und gar nicht so. „Ehe entwickelt sich, sie ist sozusagen Learning by Doing“, haben die beiden während ihrer gemeinsamen Zeit festgestellt. Gegenseitig füreinander Verständnis haben und dennoch die eigene Persönlichkeit nicht unterdrücken, das gehöre dazu. Die Lockdowns haben dazu geführt, dass man plötzlich mehr Zeit miteinander verbringt. Ablenkung von außen, sei es durch Freizeitaktivitäten, Büroarbeiten oder Sonstiges, habe es plötzlich nicht mehr gegeben. „Das Leben bietet viel zu viele Möglichkeiten, sich abzulenken“, findet Marina Hahn. Und auf einmal ist die Liebesbeziehung dahin, man arbeite vor allem als Team zusammen, um den Alltag zu stemmen. „Man verliert sich aus dem Blick.“ Und während der Lockdowns war man auf einmal gezwungen, sich aufeinander zu besinnen.
„Für uns ist die Ehe ein Geschenk“, fassen es die beiden Aspacher zusammen und raten dazu, sogenannte Herzensgespräche zu führen und sich gegenseitig die Fragen zu stellen: Was ist in meinem Herzen los? Wer bin ich für dich? Wie wirke ich auf dich? Wäre ich mit mir gern zusammen? Für solcherlei Gedanken sei in unserem ereignisreichen Alltag oft zu wenig Zeit. Seit 24 Jahren nun bietet das Ehepaar Hahn Paarberatung und auch Therapiegespräche in Einzelberatung an. Die Kosten müssen privat getragen werden, doch am Geld dürfe es nicht scheitern, wenn Hilfe gesucht werde, denn: „Wir brennen dafür, dass Beziehung gelingt.“
Beim Kreisdiakonieverband, Fachbereich Paar-, Familien-, Lebens- und Sozialberatung, ist der Beratungsbedarf bei Paaren erst einmal zurückgegangen. Präsenzberatungen waren nicht mehr möglich und Videoberatungen mussten auf ein technisch gutes Niveau eingestellt werden. Gleichzeitig seien viele Familien oft mit den Kindern und dem Managen des Alltags beschäftigt gewesen und gar nicht dazu gekommen, sich über sich selbst als Paar Gedanken zu machen, erklärt Fachbereichsleiterin Barbara Monauni. Doch spätestens der zweite Lockdown, der oft die ganze Familie zu Hause arbeiten und lernen ließ, führte dazu, dass bereits bestehende Konflikte in dieser Zeit verstärkt wahrgenommen worden seien. Seitdem ist die Nachfrage nach Paarberatungen gestiegen. „Außenaktivitäten bieten eine gewisse Kompensation“, so Monauni, „es gibt Konflikte, die erst dann zutage treten, wenn diese Aktivitäten wegfallen.“ Sie hat ähnliche Erfahrungen gemacht wie das Ehepaar Hahn – Frauen melden sich ihrem Empfinden nach häufiger; zunehmend sind es auch Männer, die sich melden, weil „sie ihre Frau oder Partnerin nicht verlieren möchten“. Der Leidensdruck sei oft unterschiedlich.
Ein spezifisches Konzept bietet der Kreisdiakonieverband nicht an: „Wir arbeiten prozessorientiert.“ Und man müsse sich zunächst darüber klar werden, was man denn mithilfe der Beratung erreichen wolle: „Man macht sich miteinander auf den Weg und muss sich fragen: Was möchten wir? Wohin möchten wir kommen? Was brauchen wir dafür?“ Die meisten Ratsuchenden kommen mit dem Wunsch, wieder zueinander finden zu können. Gar nicht so einfach ist es, den Grund für die Situation zu benennen. Häufig kristallisieren sich die eigentlichen Konfliktthemen erst im Beratungsprozess heraus. Schon allein das Beratungsgespräch an sich ist ein Beispiel, wie die partnerschaftliche Kommunikation anders laufen kann. Man ist gezwungen, dem anderen richtig zuzuhören, vielleicht auch einmal nachzufragen, wie eine Aussage gemeint war, oder zu kommunizieren, wie diese Aussage angekommen ist.
Zwar wird die Beratungsstelle des Kreisdiakonieverbands von drei evangelischen Kirchenbezirken vorwiegend finanziert, doch ist sie selbstverständlich offen für jeden Ratsuchenden, unabhängig von Konfession oder Nationalität, wie Barbara Monauni betont. Der Kostenbeitrag wird einkommensabhängig gestaltet, denn: „Die Beratung soll nicht am Geld scheitern. Das Angebot ist ein Beitrag zur Gesellschaft“, erklärt Monauni.
Marina und Peter Hahn bieten in Aspach Paar- und psychologische Beratung sowie Entspannungstherapie an. Weitere Informationen gibt es unter www.beratungspraxis-hahn.de, Telefon 07148/7475 oder E-Mail info@beratungspraxis-hahn.de.
Kreisdiakonieverband Rems-Murr-Kreis, Standort Backnang, Paar-, Familien-, Lebens- und Sozialberatung, Obere Bahnhofstraße 16, 71552 Backnang, Telefon 07191/9589-0 oder E-Mail info-bk@kdv-rmk.de; www.kdv-rmk.de.