Carsten Maschmeyer bei „Hart aber fair“
„Wir haben ein Nullwachstum – und daran ist nicht Trump schuld“
Im ARD-Talk empfahlen die Studiogäste Gelassenheit gegenüber Donald Trump und zeigten Ungeduld, was die deutsche Politik anbelangt.

© IMAGO/Horst Galuschka
Unternehmer Carsten Maschmeyer und „Hart aber fair“-Moderator Louis Klamroth.
Von Christoph Link
Ja, ein bisschen Hoffnung auf die neuen Unionsminister war auch spürbar in der ARD-Talkrunde „Hart aber fair“ am Montag. Namentlich ging es wegen der Leitfrage der Sendung, „welche Rezepte“ denn Schwarz-Rot für die leidende Wirtschaft habe, natürlich um Katherina Reiche (CDU), die das Wirtschaftsressort leiten soll und die für die meisten noch ein unbekanntes Wesen ist. Er kenne sie nicht persönlich, dass Reiche aber schon in der Politik und der Wirtschaft tätig war und „Leadership“ könne, das sei doch „topp“, meinte der aus der Vox-Sendung „Höhle der Löwen“ bekannte Start-up-Investor Carsten Maschmeyer.
Für die Unternehmerin Vera Bökenbrink, Chefin in einem 600-Mitarbeiter-Betrieb, ist es wichtig, dass Reiche als Geschäftsführerin der Innogy-Westenergie tätig ist, denn die Wirtschaft brauche jetzt jemand, der „das Energie-Dilemma“ in Deutschland mal löse. Weniger begeistert, aber auch nur von dritter Hand informiert, äußerte sich der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer, der Dennis Radtke vom Arbeitnehmerflügel der CDU mit dessen nach der Ministerbekanntgabe gefallenen Worten zitierte, die CDU werde als „kaltherzig und unsozial“ wahrgenommen. Das konnte Ralph Brinkhaus, Ex-CDU-Fraktionschef, so natürlich nicht stehen lassen. Friedrich Merz habe da ein „gutes Team“ zusammengestellt und es sei Karin Prien (CDU), die Bildungsministerin werden soll, die im Kabinett den Sozialflügel der Union vertrete werde.
Der „Wahnsinn“ von Trump
Auf die Herausforderungen der neuen Regierung kam die Runde dann noch kontrovers zu sprechen, aber zunächst mal ging es darum, sich an Donald Trump abzuarbeiten. Überraschend war da allerdings die Gelassenheit, mit der die Runde auf die erratische Zollpolitik der USA reagierte. Die Reihen schienen ziemlich geschlossen. Das sei doch „völliger Wahnsinn“, was der Trump da mache, meinte der Juso-Chef, der hänge einem Merkantilismus des 16. Jahrhunderts an und treffe doch am stärksten seine eigene Wirtschaft.
Türmer rät zu „gezielten Maßnahmen“ gegen die US-Wirtschaft, im übrigen erlebe Deutschland gerade das Risiko seiner zu starken Exportabhängigkeit und jetzt habe man die Chance, „die Nachfrage bei uns zu stärken“ und den Binnenmarkt zu nutzen. Dass das nur über gute Löhne geht, verstehe sich von selbst. Einig war die Runde darin, dass Europa jetzt „strategische Allianzen“ außerhalb Chinas und der USA suchen müsse, wie es die Ökonomin Maja Göpel empfahl. Genannt wurden Länder und Regionen wie Indien, Japan, Südkorea, Kanada, Afrika und Südamerika. Abwarten und Tee trinken gegenüber Trump empfahl die Unternehmerin Bökenbrink, ihr US-Handelsvertreter habe gesagt, „gib mir eine Woche Zeit mit Antworten“ und geraten, „lass den Trump erst mal kommen“.
Heftige Kritik an Habeck
Carsten Maschmeyers Analyse fiel zwiespältig aus. Einerseits unterstellte er dem US-Präsidenten, er führe sich wie der „Kaiser von Amerika“ auf, er sei ein „Ultranarzisst“ und trage Züge von „Nero in Rom“, zerstörerische und selbstzerstörerische, er entscheide irrational und ohne Plan und alles laufe bei ihm „mit Drohungen“. Andererseits sieht Maschmeyer in ein paar Jahren sogar eine Chance in der Trumpschen Politik für Deutschland und man sei für die vielleicht nochmal dankbar: Dass man Ärger „von außen“ bekomme, das zeige doch, man müsse besser werden und werde den Druck erhöhen. „Wir haben ein Nullwachstum. Und daran ist nicht Trump schuld.“
Überregulierung und Bürokratie in Deutschland sieht Maschmeyer da als eine Ursache. Und dass die Autoindustrie in Deutschland so leide, daran sei unter anderem Robert Habeck (Grüne) als Wirtschaftsminister schuld, der habe sie „ruiniert“. Ralph Brinkhaus sah das ähnlich, es habe da in der früheren Wirtschaftspolitik doch ständig ein „Rein-Raus“ gegeben, einerseits müsse der Staat in seinen Entscheidungen schneller werden, er müsse den Unternehmen aber auch Verlässlichkeit geben.
Jahrzehntelang keine Industriepolitik
Damit war man mitten in der deutschen Wirtschaftspolitik und da fielen die Antworten des Juso Türmer natürlich anders aus. Anders als europäische Nachbarn wie Frankreich, die gigantische Investitionsprogramme gefahren hätten und beispielsweise das Elektroauto Renault Zoe gepusht hätten, habe es Deutschland jahrzehntelang versäumt, eine eigene Industriepolitik zu betreiben. Man hätte selbst Geld in die Hand nehmen müssen, stattdessen habe man sich gequält mit diesem „schwarzen Ding“ namens Schuldenbremse. Im übrigen sei es unmöglich, dass im Koalitionsvertrag alles unter Finanzierungsvorbehalt stehe, da seien nun viele Leerstellen.
„Die Stimmung ist extrem, die Ängste sind groß“
Er selbst trete ein für die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen und sogar für eine Senkung der Unternehmenssteuern, so Türmer, wenn man im Gegenzug die Reichsten bis hin zu den Topstars der Bundesliga stärker besteuere. Tue man das nicht, habe man eine tickende Zeitbombe. „Die Unternehmen brauchen Stabilität und endlich eine neue Regierung“, meinte die Unternehmerin Bökenbrink und auch ein Arbeitnehmervertreter, der VW-Vertrauensmann Luigi Catapano, sprach sich in ähnlichem Sinne aus. Bis 2030 will VW rund 35.000 Stellen abbauen. „Die Stimmung ist extrem, die Ängste sind groß“, schilderte Catapano. Die Leute, mit denen er spreche, seien „politikmüde“. Die beklagten, dass nur geredet werde und nicht gehandelt, dass die Politik sich nur mit sich selbst beschäftige. Seine Sorge betreffe nicht nur VW, sondern die gesamte deutsche Industrie. Dass die Arbeitnehmer mit der Binnennachfrage die Wirtschaft ankurbeln, dass glaubt Catapano nicht: „Die Leute halten jetzt ihr Geld in der Tasche, die wollen nichts ausgeben.“
Neben der zum x-ten Mal geführten Debatte um den Mindestlohn und inwieweit er nun auf 15 Euro im Koalitionsvertrag besiegelt sei, wobei Brinkhaus meinte, darin sei nur „eine Hoffnung ausgedrückt“, setzte allein Maja Göpel noch einen ökologischen Akzent in der Talkrunde. Dass die Erderwärmung in Europa am schnellsten voranschreite, dass jetzt schon wieder Dürren aufträten und der Klimawandel hier möglicherweise „alles abräumt“, darauf hätte auch der Koalitionsvertrag eingehen müssen, so Göpel. Aber dazu Ziele für nachhaltige Sollbruchstellen zu nennen, das fehle darin „komplett“. Dabei wäre dies eine Chance, in Deutschland und Europa Technologien zu entwickeln, die Weltprobleme lösen. Immerhin plant Schwarz-Rot, einen deutschen Astronauten auf den Mond zu schicken. Juso-Chef Türmer meinte, da könne als Kandidat nur Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident, gemeint sein, nachdem, wie der sich in Rom bei der Papstbeerdigung aufgeführt habe.