„Wir haben jedes Jahr draufgelegt“

Familie Greiner stellt den Betrieb des Juxer Skilifts ein – Aufgrund der schneearmen Winter ist das Geschäft erlahmt – Keine Fahrt in der vergangenen Saison

Geld hat Familie Greiner mit ihrem Skilift in den letzten Jahren nicht mehr verdient. Im Gegenteil: Sie legten happig drauf. Jetzt haben sie nach 50 Jahren einen Schlusspunkt gesetzt – schweren Herzens. „Es war sein Lebenswerk“, sagt seine Familie über den Skiliftgründer am Juxkopf, Eugen Greiner.

Familie Greiner steht zum letzten Mal am Skilift – zum Fototermin (von links): Tobias Greiner (Enkel), Ruth Greiner (Besitzerin), Marius Pflaum (Enkel), Rolf Greiner (Sohn), Suse Greiner-Pflaum (Tochter) und Klaus Greiner (Sohn). Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Familie Greiner steht zum letzten Mal am Skilift – zum Fototermin (von links): Tobias Greiner (Enkel), Ruth Greiner (Besitzerin), Marius Pflaum (Enkel), Rolf Greiner (Sohn), Suse Greiner-Pflaum (Tochter) und Klaus Greiner (Sohn). Foto: J. Fiedler

Von Heidrun Gehrke

SPIEGELBERG. Ruth Greiner hat immer Buch geführt: Am 29. Januar 2017 kam der letzte Skifahrer mit dem im Jahr 1969 am Juxkopf gebauten und in der Schweiz gekauften Städeli-Lift den Hang hinauf. Der Schlepper hatte zu der Zeit fast 50 Jahre zuverlässig seinen Dienst getan, hat Skifahrern den Aufstieg erspart, ohne Pannen oder Unfälle. Ein zweiter Lift kam 1972 hinzu, beide brachten es auf viele Betriebsstunden. Denn am Haushügel zwischen Jux und Nassach ging richtig was: „Jahrelang war hier Highlife“, erinnern sich die Töchter Suse Greiner-Pflaum und Inge Kirn an die 1970er- und 1980er-Jahre. Bei passenden Schneeverhältnissen seien sie aus Heilbronn und dem Großraum Ludwigsburg gekommen, scharenweise, busweise. Etliche Ski-Meisterschaften wurden hier ausgetragen, bis 1990 ließen sich auf der eigenen Skischanze auch Schanzenspringer blicken, es gab Schneepartys mit Flutlicht-Pistenspaß. Greiners schätzen, dass 80 Prozent der Kinder aus der Region, die Ski fahren können, am sympathisch überschaubaren Juxkopf ihre ersten Rutschversuche unternommen haben. Mittendrin in diesem ländlich-familiären „Skizirkus“: Familie Greiner, die das „Skigebiet“ – eine etwa einen Kilometer lange Abfahrt – mitsamt Kartenhäusle und Vesperwagen jahrelang nebenberuflich betrieben hat. Ruth und Eugen Greiner, ihre acht Kinder, deren Partner und später auch deren Kinder – einfach jeder hat in der Freizeit am geliebten „Hausbüggele“ irgendwo mitgeschafft. Statt Weihnachts- oder Faschingsferien wurden sie für den Skiliftbetrieb gebraucht. „Wir haben es immer gern und mit viel Herzblut gemacht“, sagt Ruth Greiner. Nach einem halben Jahrhundert geht diesen Monat eine Ära zu Ende. „Irgendwie können wir es uns noch gar nicht richtig vorstellen“, sagen sie. „Es ist nicht einfach.“ Eugen Greiner war für seine Familie ein „Strahlemann im Schneefieber“ und ein „Tüftele“. Als „Frohnatur, der die Kärtle abzwackt“ und bei Bedarf in den Bügel hilft, wird er in Erinnerung bleiben.

Die Kinder liebten Eugen Greiner abgöttisch, er war ihr Held, sein Holzofen im selbst gebauten Kartenhäusle ein Retter in der Fröstel-Not. War ein Kind vom vielen Skifahren durchgefroren, durfte es sich am Öfele die Hände aufwärmen. Und war die Skikleidung vom vielen Schnee ganz nass und schwer, haben Greiners sie dort zum Trocknen aufgehängt – einfach so. „Auch Nähsachen hat man gebraucht, wenn mal ein durchgescheuerter Hosenboden auf die Schnelle genäht werden musste“, sagt Suse Greiner-Pflaum lachend.

Am Nordhang habe es bis ins Frühjahr Schnee gehabt, als an Neckar und Rems schon die Büsche geblüht haben. Der Lift lief täglich, an jedem Schneetag. Wer mit Skifahren nichts am Hut hatte, kam trotzdem – wegen des „besten Glühweins“. Das hausgemachte Heißgetränk, dessen Rezeptur die Familie „unter strengster Geheimhaltung“ hütet, duftender Kaffee, die kleine Küche, in der immer heiße Rote auf dem Gasgrill lagen, frisch vom örtlichen Metzger, der an schneereichen Tagen auch sonntags mit Nachschub parat stand – alles Vergangenheit. Die letzten zehn Jahre waren kein Grund mehr zur Freude. Infolge der schneearmen Winter hat der Lift an Fahrt verloren. Vergangene Saison sei der Lift keinen einzigen Tag gelaufen. Versicherung und Beiträge zur Berufsgenossenschaft müssen auch bei Stillstand bezahlt werden. Der Tüv muss abgenommen werden, auch wenn die Anlage nicht läuft. Der Lift sei in derselben Gefahrenklasse eingestuft wie Bergbahnen. Rund 2000 Euro für beide Liftanlagen jährlich seien kein Pappenstiel. „Um das reinzuholen, müsste der Lift im Winter 15 Wochen am Stück in Betrieb sein, das war aber nie mehr der Fall seit den 1980er-Jahren“, sagt Tochter Suse Greiner-Pflaum. „Wir haben jedes Jahr draufgelegt“, zieht Ruth Greiner die ernüchternde Bilanz. Bitter nach vielen glücklichen Jahren, in denen sie viele schöne Dinge erlebt haben. „Was wir gegeben haben, haben wir tausendfach zurückbekommen“, sagen sie. Unvergessen die vielen geteilten Glücksmomente vom Skifahrenlernen an einem Hang, der zum Alltag gehörte. „Kinder aus der Umgebung haben den Schulranzen in die Ecke geworfen und sind als Erstes raus auf die Piste“, weiß Ruth Greiner noch.

Die Piste wurde nicht künstlich beschneit. Greiners haben sie gewalzt, mit einer von Senior Greiner selbst gebauten Walze. Die Kinder haben sie an der Deichsel montiert wie einen Schubkarren und hinter sich den Lift hochgezogen, abwärts ging es auf Skiern, bis alles schön glatt war. Eugen Greiner nahm es sehr genau: „Es durfte kein Grasbüschel oder Stein unter der weißen Schneedecke herausschauen“, sagen die Töchter. Zum Ausbessern kam statt einer Schneekanone nur Handarbeit zum Einsatz: „Da müssen wir jetzt eine Aktion machen“, habe ihr Vater gesagt. Das hieß: Schnee auf den Hänger, nass machen, über Nacht anfrieren lassen. „Am anderen Tag haben wir mit unseren Brüdern den ‚batschnassen‘ Schnee auf die Piste geschaufelt und mit den Skiern festgetreten“, beschreibt es Suse Greiner-Pflaum. So hand- und skigemacht war das am Juxkopf. Verglichen mit heutigen Skigebietsdimensionen mit endlosen Pistenkilometern wirkt der alte Schlepper aus den 1960er-Jahren wie ein Dampfzug aus einer anderen Zeit. Die gerade mal einen knappen Kilometer lange Abfahrt vermag keinen Skitourismus mehr auszulösen. Doch der „Hausbuggl“ war ideal zum Lernen und für Familien. „Die Leute haben sich wohlgefühlt“, sagt Ruth Greiner. Die Familie versucht, den Lift und den Vesperwagen zu verkaufen. Der Skihang ist verpachtet. Außer ein paar Rindern oder Schafen wird sich hier wohl so schnell niemand mehr den Berg hoch- und hinabbewegen.

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Erstellt:
6. September 2019, 11:30 Uhr

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