Wird Anwohnerparken bald teurer?
Eine neue Verordnung lässt Kommunen bei der Festlegung der Gebühren für Parkplätze mehr Spielraum, diese könnten in Zukunft deutlich steigen. Geplant ist in Backnang zwar noch keine Erhöhung, das Thema soll aber geprüft werden.

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In der Backnanger Innenstadt sind Parkplätze Mangelware. Trotzdem zahlen Anwohner für einen Anwohnerparkausweis aktuell nur 30 Euro pro Jahr. Das war bisher die Höchstgrenze. Diese fällt nun weg, Kommunen können die Gebühren selbst bestimmen. Foto: A. Becher
Von Kristin Doberer
Backnang/Murrhardt. Die Zahl der Autos nimmt immer weiter zu, der Platz in den Innenstädten bleibt begrenzt und die Parkplatzsuche gestaltet sich häufig schwierig. Dabei muss der Straßenraum eigentlich noch viel mehr Funktionen erfüllen: Aufenthaltsflächen, Raum für Fußgänger und Radfahrer und vermehrt auch begrünte Flächen. Das Landeskabinett möchte den Straßenraum nun aufwerten und hat deshalb einer neuen Parkgebührenverordnung zugestimmt. Demnach sollen Kommunen einen größeren Handlungsspielraum bei der Erhebung der Parkgebühren bekommen, besonders bei den bisher sehr günstigen Anwohnerparkausweisen sehen viele Kommunen Luft nach oben. Zuvor waren die Gebühren für Anwohnerparkplätze bundesweit einheitlich geregelt, es galt eine Obergrenze von 30,70 Euro pro Jahr.
Bei der neuen Verordnung gibt es keine Höchstsätze mehr
Nach einer Gesetzesänderung können die Bundesländer eigenständig die Gebührensätze festlegen – oder das an die Kommunen delegieren, wie es nun in Baden-Württemberg geregelt wird. Bei der neuen Verordnung sind keine Höchstsätze mehr festgesetzt. In Zukunft können die Kommunen also deutlich mehr als nur den Verwaltungsaufwand bei der Festlegung der Gebührenhöhe in den Blick nehmen. Die Verkehrsbehörden können unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten den Preis in eigenen Gebührenordnungen festsetzen. So kann zum Beispiel die Bedeutung der Parkmöglichkeiten, wie ein Parkplatz in der Nähe von Einzelhandelsgeschäften, der wirtschaftliche Wert der Fläche oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner berücksichtigt werden. Auch möglich wäre es, nach der Größe des Fahrzeugs, der Anzahl der im Haushalt registrierten Fahrzeuge sowie der Lage der Parkmöglichkeit zu unterscheiden.
In Murrhardt wird es zunächst aber keine Änderungen geben. „Eine Erhöhung ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht geplant“, sagt Bürgermeister Armin Mößner. Erst kürzlich habe die Stadt mit den Stadtwerken die Parkgebühren überprüft. Pro Stunde kosten die Parkplätze hier einheitlich 30 Cent, den Dauerparkausweis, zum Beispiel für Arbeitnehmer, gibt es für 120 Euro im Jahr. Bewohnerparkausweise gibt es aktuell in Murrhardt nicht. Die Parkgebühren, so der Bürgermeister, seien bemessen an anderen Städten noch moderat. Erleichterungen für E-Autos und Carsharing seien deshalb aktuell auch nicht geplant.
In Backnang ist das Parken schon deutlich teurer. Für Kurzzeitparker bewegen sich die Gebühren je nach Parkplatz zwischen 50 Cent und 1,40 Euro pro Stunde. Daran soll sich zunächst nichts ändern. „Die Stadt Backnang strebt ein gesamtstädtisches Verkehrskonzept an“, sagt Reiner Gauger, der Pressesprecher der Stadt. „Die Parkgebühren der öffentlichen Stellplätze sind auch darauf ausgerichtet, die Innenstadt zu beleben und für Besucherinnen und Besucher attraktiv zu halten.“ Der motorisierte Individualverkehr werde auch in Zukunft notwendig sein, auch wenn dieser dann „hoffentlich umweltfreundlich gestaltet ist“.
Backnanger Gemeinderat befasst sich
im Frühjahr 2022 mit dem Thema
Im Gegensatz zu Murrhardt gibt es in Backnang Anwohnerparkausweise, Autofahrer zahlen bisher je nach Lage zwischen 20 und 30 Euro, diese Gebühren wurden zuletzt 2019 angepasst. Eine Erhöhung dieser Parkgebühren im Rahmen der neuen Verordnung sei in Backnang derzeit auch noch nicht geplant, sagt der Pressesprecher. „Die Stadt wird aber prüfen, in welchen Bereichen es Ansatzpunkte für Änderungen gibt.“ Diese Punkte müssten dann in Ruhe und im Einzelnen geprüft und die tatsächliche Anwendbarkeit vor Ort bewertet werden. Es sei durchaus geplant, dass sich der Gemeinderat mit dem Thema beschäftigt, voraussichtlich im Frühjahr 2022.
Von der Selbstbestimmung bei den Gebühren wollen einige größere Städte in Baden-Württemberg schon bald Gebrauch machen. Zum Beispiel soll sich in Freiburg die Gebühr verzwölffachen. Dann würde ein Parkausweis für ein Auto im Durchschnitt 360 Euro pro Jahr kosten – statt den aktuellen 30 Euro. Auch in Tübingen steht eine Gebühr von 360 Euro im Raum. Verschiedene Städte im Rems-Murr-Kreis wollen sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigen. In Waiblingen soll es im Herbst auf die Agenda des Gemeinderats kommen. Die Stadt will prüfen, in welchen Bereichen die Gebühren für das Bewohnerparken angepasst werden können. Waiblingens Bürgermeister Andreas Hesky betont aber: „Die Verordnung des Landes ist kein Patentrezept zur Lösung aller Verkehrs- und Parkprobleme.“ Die Parkgebühren besonders in den Parkhäusern der Innenstadt seien schließlich darauf ausgerichtet, die Innenstadt für Besucher attraktiv zu halten und diese zu beleben. Auch in Winnenden wird sich vorerst nichts ändern, die Stadt erkenne aber interessante Ansatzpunkte in der Verordnung und will diese in Ruhe prüfen, so die Pressesprecherin Emely Rehberger. In Heilbronn zum Beispiel bekommen die Autofahrer aufgrund der Pandemiesituation noch eine Schonfrist. Es ist zwar noch keine Gebührenerhöhung geplant, mittelfristig wolle man das Thema aber sicher angehen.
Hintergrund Im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, dass im öffentlichen Raum und auf öffentlichen Parkplätzen die Parkgebührenerhebung künftig kostendeckend erfolgen soll.
Straßenraum aufwerten Der Straßenraum ist knapp und dementsprechend teuer. „Das Land und viele Kommunen wollen den Straßenraum aufwerten und nicht weiter als kostenlosen Parkplatz zur Verfügung stellen“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann. Der Straßenraum solle sich für alle Bürger sowie für alle Mobilitätsformen öffnen.
Klimaschutz Ein Ansatzpunkt des Landeskabinetts: Die zusätzlichen Parkgebühren könnten zum Erreichen der kommunalen Klimaschutz- und Verkehrsziele beitragen. Die Gebühren könnten zum Beispiel genutzt werden, um umweltfreundliche Verkehrsmittel zu finanzieren. Auch sollen höhere Gebühren ein Anreiz sein, um über einen Umstieg zu einer nachhaltigeren Mobilität nachzudenken. So seien Erleichterungen für E-Autos möglich.