Rezession
Wirtschaftsweiser Truger fordert Aussetzung der Schuldenbremse
Die Prognosen für das kommende Jahr sehen nicht rosig aus. Die deutsche Wirtschaft schrumpft voraussichtlich – und Experten fordern Konsequenzen.
Von Michael Bosch
Die Bundesregierung geht in diesem Jahr erneut von einer Rezession aus. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte sich 2024 preisbereinigt um 0,2 Prozent verringern und erst im kommenden Jahr wieder anziehen, heißt es in der Herbstprognose, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch vorstellte.
Damit korrigierte die Bundesregierung ihre Prognose deutlich nach unten, denn im Frühjahr war sie noch von einem Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent ausgegangen.
Der Wirtschaftswissenschaftler Achim Truger, Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft, den sogenannten Wirtschaftsweisen, hat angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage die Aussetzung der Schuldenbremse gefordert. Die Bundesregierung solle „eine Notlage erklären und die Schuldenbremse aussetzen“, sagte Truger. Dies sei angesichts der „dramatischen“ konjunkturellen Lage gerechtfertigt. Was aber ist eine Rezession? Die wichtigsten Fragen dazu im Überblick:
Was ist eine Rezession?
Der Begriff Rezession bedeutet Rückgang und stammt aus dem Lateinischen. Eine Rezession liegt dann vor, wenn die Wirtschaft nicht wächst, sondern schrumpft – sich also in einem Abschwung beziehungsweise Rückgang befindet. Für die Bemessung der Konjunktur dient das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Offiziell tritt eine sogenannte technische Rezession ein, wenn das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahresquartalen nicht wächst, sondern zurückgeht.
Ein Wirtschafts- beziehungsweise Konjunkturzyklus lässt sich in vier Phasen unterteilen: Die Rezession ist eine dieser vier Phasen. Die vier Phasen sind:
- Hochkonjunktur: Die Wirtschaftsleistung ist quasi an einem „Peak“
- Rezession: die Wirtschaftsleistung nimmt ab
- Depression: die Volkswirtschaft liegt in weiten Teilen brach.
- Aufschwung: die Volkswirtschaft erholt sich wieder.
Wie kann man eine Rezession erkennen?
Eine Rezession hat verschiedene Merkmale. Dazu gehören unter anderem:
- Rückgang der Nachfrage
- Ware wird nicht abverkauft, überfüllte Lager
- Abbau von Überstunden und beginnende Kurzarbeit
- Entlassung von Personal
- geringe oder keine Investitionen
- teilweise Stilllegung von Produktionsanlagen
- stagnierende oder sinkende Preise, Löhne und Zinsen
- fallende Börsenkurse
Welche Folgen kann eine Rezession haben?
In der Regel wird in einer Rezession weniger Geld ausgegeben – das gilt sowohl für Unternehmen als auch für private Haushalte. Zu den Folgen einer Rezession zählen steigende Arbeitslosenzahlen, außerdem arbeiten mehr Menschen in Kurzarbeit. Das hängt zusammen – und führt letztlich zu einer geringeren Nachfrage. Wenn die Bürger weniger Geld verdienen, konsumieren sie auch weniger. Das wiederum ist schlecht für die Unternehmen, die weniger verkaufen und auf ihren Lagerbeständen sitzen bleiben. Die fehlenden Einnahmen können zu weiteren Entlassungen führen, sodass die Arbeitslosigkeit weiter steigt.
Auch wer einen neuen Job sucht, hat es in einer Rezession schwer als in der Aufschwungphase oder während der Hochkonjunktur. Denn wer sich um eine neue Stelle bewirbt, dürfte in einer Rezession Schwierigkeiten haben, etwas Passendes zu finden. Wenn es den Unternehmen wirtschaftlich schlechter geht, stellen sie keine neuen Mitarbeiter ein.
Rezession aus Expertensicht besorgniserregend
„Dramatisch wird es dadurch, dass die deutsche Wirtschaft seit 2019 praktisch nicht mehr gewachsen ist“, sagte der Wirtschaftsweise Truger. „Wir haben den Corona-Schock gehabt und danach die Energiekrise. Wir liegen jetzt mehr als fünf Prozent unter dem vor der Krise prognostizierten Wachstumstrend.“ In einer solchen Situation „kann man rechtfertigen, dass man noch mal richtig Geld in die Hand nimmt, um die Wirtschaft anzuschieben.“
Truger äußerte Verständnis dafür, dass die Bundesregierung sich mit dieser Entscheidung schwer tue, da sie die Notlage im vergangenen Jahr erst aufgehoben habe. „Da hat sich die Ampel in eine schwierige Lage manövriert.“ An der rigiden Auslegung der Schuldenbremse und Sparvorgaben durch Finanzminister Christian Lindner (FDP) äußerte er Kritik. „Da versündigt sich vor allem die FDP am Aufschwung.“
Mit Material von AFP.