Bewegung und Achtsamkeit

Yoga für Kinder: Das steckt hinter dem Trend

Angebote für Kinderyoga gibt es mittlerweile viele. Doch was unterscheidet Yoga für Kinder von jenem für Erwachsene? Und kann Yoga Kindern etwas bringen oder wünschen sich das nur die Eltern? Wir haben Kinderyogalehrerinnen und einen Kinderarzt gefragt.

Yogalehrerin und Pädagogin Lisa Metzler übt mit Kindern im Fröbel-Kindergarten Wangener Höhe die Asana „Baum“.

© Lichtgut/Max Kovalenko

Yogalehrerin und Pädagogin Lisa Metzler übt mit Kindern im Fröbel-Kindergarten Wangener Höhe die Asana „Baum“.

Von Thomas Rahmann

Leises Vogelgezwitscher dringt aus einer Lautsprecherbox. „Es lebten einmal ein friedlicher Krieger und eine friedliche Kriegerin“, sagt Yogalehrerin und Pädagogin Lisa Metzler, geht dabei in Schrittstellung und spreizt einen Arm nach vorne, einen nach hinten ab – acht Kinder zwischen drei und sechs Jahren tun es ihr gleich. „Sie beschützten die Schwachen“, fährt Metzler fort: „Als ihnen alles zu viel wurde, gingen sie in den Wald.“

Die Bäume, Schmetterlinge, Hasen, Frösche und Vögel, die dem friedlichen Krieger-Duo in ihrer Erzählung begegnen, begleitet sie ebenfalls mit Yoga-Posen, sogenannten Asanas, im Bewegungsraum des Fröbel-Kindergartens Wangener Höhe. „Kinderyoga ist immer in Geschichten eingebettet. Die Übungen machen die Kinder daher spielerisch und eher unbewusst“, so Metzler.

Hase und Baum sind Asanas

Die meisten Übungen wie Schmetterling, Hase und Baum heißen als Asana auch wirklich so – nur einige habe sie abgeändert. Der Krieger etwa wurde in den friedlichen Krieger umbenannt. Um die Aufmerksamkeit und Konzentration der Kinder besser zu halten, macht sie ihnen viele kleine Angebote. Bei der anschließenden Klangschalenmassage stellt Metzler eine Klangschale auf den Rücken eines Kindes und lässt sie mit einem Klöppel tönen und schwingen.

„Zeit für mich“ nennt Metzler ihr Angebot. „Kitas und Schulen haben in der Regel keine Ruheräume“, sagt sie. Die Kinder seien in ihrer Wahrnehmung die meiste Zeit in den Geschehnissen, die um sie herum passieren, und kommen wenig dazu, sich selbst und ihren Körper zu spüren.

Kinderyoga müsse „dorthin, wo Stress entsteht – in den Einrichtungen selbst“, sagt auch Alina Neumann, Leiterin vom Studio „klein A Yoga“. Sie sucht mit ihrem Angebot unter anderem Schulen und Kitas auf. Zudem hat Neumann in Kooperation mit der Stadt Stuttgart Kinderyogakarten mit Abbildungen der Asanas für Kinder und Erklärungen für Erzieherinnen entworfen, die Kitas kostenfrei beziehen können. Eltern bekommen über die Bonuscard oder Familiencard die Yogastunden bei ihr im Studio deutlich günstiger.

Beim Yoga gehe es unter anderem darum, dass die Kinder ein positives Körpergefühl entwickeln, sagt sie. In Kooperation mit der Stadt bietet Neumann kostenfrei Kurse für stark übergewichtige Kinder an. Während sie als Yogalehrerin bei Erwachsenen auf eine besonders schwierige Asana hinarbeitet, gebe es beim Kinderyoga eher viele kleine Wellen von Aktivität und Passivität, die sich abwechseln.

Viele kleine Höhepunkte beim Kinderyoga

Bei Erwachsenen schaue sie sehr danach, dass die Asanas richtig ausgeführt werden. Für die Kinder jedoch seien Figuren wie herabschauender Hund, Katze und Kuh nicht einfach Sinnbilder, „die Kinder nehmen die Rollen wirklich ein“. Wenn sie dann nach hinten austreten oder mit dem Popo wackeln, „mobilisieren sie auf ihre eigene Art die Wirbelsäule“, sagt Neumann, sie zwinge sie dann nicht in korrekt ausgeführte Asanas. Und während sie als Yogalehrerin für Erwachsene Frontalunterricht mache, sitze sie beim Kinderyoga mit im Kreis und praktiziere die Übungen kindgerecht mit: „Ich schwirr auch rum wie ein Flugzeug.“

Es bestehe eine hohe Nachfrage nach Kinderyoga, sagt Neumann. Da der Markt nicht reguliert sei, gebe es allerdings große Unterschiede zwischen den Angeboten. Von solchen, bei denen die Kinder ihre Lehrer nur online sehen, hält die Yogalehrerin nicht viel.

Einige Studien zu Kinderyoga mit positiven Ergebnissen

Und wie beurteilen unabhängige Experten Kinderyoga? Özgür Dogan, Sprecher der Kinderärzte in Stuttgart, kennt einige Studien, die Yoga einen positiven Effekt bescheinigen. So habe eine niederländische Forscherin mit ihrem Team herausgefunden, „dass Yoga als ergänzende Therapie für Kinder mit chronischen Bauchschmerzen helfen kann“, so Dogan. Ein Bericht der American Academy of Pediatrics über Integrativmedizin bestätige, dass Yoga zur Verbesserung der Gesamtgesundheit von Kindern beitragen könne. Besonders in Kombination mit konventionellen Therapien werde Yoga als wertvolle, stressreduzierende Methode betrachtet.

Alina Veith besucht mit ihrer vierjährigen Tochter Avelin seit gut einem Jahr die Familienyoga-Gruppe von Neumann – meistens geht aber der Papa mit. Mittlerweile sage Avelin zu ihrer Mutter nach dem Toben manchmal: „Schau mal, wie arg mein Herz bumpert jetzt!“ Dass sie das bewusst wahrnimmt und lerne, sich durch die Atmung auch wieder runter zu regulieren, sei wertvoll. Veith, die selbst lange Jahre Yoga gemacht hat, würde ihr Kind „nie zu irgendwas zwingen, nur weil ich der Meinung wäre, dass es etwas Gutes ist“. Aber Avelin hat offensichtlich Spaß am Kinderyoga. „Wenn es arg laut wird, ist es ihr immer zu viel“, sagt die Mutter über die Tochter. Dass es im Yoga langsamer und weniger hektisch zugehe, entspanne Avelin.

In Vereinen ist Kinderyoga noch selten zu finden. Beim VfL Kaltental ist es schon einige Jahre Teil des Programms. Vor einem Jahr hat Martina Trefz die Kursleitung übernommen. „Das Publikum im Verein ist bunter als im Yogastudio“, sagt Trefz, da das Angebot für Interessierte niedrigschwelliger sei.

Bei den Yoga-Übungen gehe es darum, Atmung und Bewegung zusammenzubringen. „Yoga ist kein Sport“, sagt sie. Kinder seien hingegen oft gewohnt, „dass es bei Bewegung um Leistung geht“. Auch sei Yoga keine Religion, sondern biete lediglich „kleine Werkzeuge“ zur Bewältigung von Problemen. Diese Werkzeuge gibt sie den Kindern auch in kurzen Inputs aus der Yogaphilosophie an die Hand.

Es muss nicht Yoga sein

Entspannung in Kombination mit Bewegung sei gesundheitsfördernd für Kinder, sagt Özgür Dogan. Skeptisch sei er nur, wenn Eltern Yoga als Allheilmittel preisen. Denn Stressreduktion könnten Kinder auf verschiedenem Wege erlangen. Und es gebe sicherlich auch Kinder, denen Yoga einfach nicht liege.

Kinderyoga in Stuttgart

Angeboteder im Artikel erwähnten Lehrerinnen:

„Zeit für mich“, Lisa Metzler, E-Mail: Mail@siddhi.yoga, Webseite: www.siddhi.yoga

„Klein A Yoga“, Alina Neumann, E-Mail: hallo@klein-a.com, Webseite: www.klein-a.com

„Katze, Hund und Kobra“, Martina Trefz, E-Mail: mail@vfl-kaltental.de, Webseite: www.vfl-kaltental.de/portfolio-item/kinderyoga/

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Erstellt:
7. Dezember 2024, 14:13 Uhr

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