Zettel und Apps in Koexistenz
Die digitale Form der Kontaktnachverfolgung hat sich durch die Luca-App und weitere Digitalmöglichkeiten im Rems-Murr-Kreis etabliert. Papierformulare für personenbezogene Daten werden aber weiterhin oft genutzt, nicht nur von älteren Menschen.

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Im Wonnemar in Backnang gibt es verschiedene Wege zur Registrierung der Badegäste: Entweder via QR-Code über die Luca-App oder die Webseite des Bads, oder ganz analog mit Stift und Zettel.Foto: A. Becher
Von Nicola Scharpf
BACKNANG. Seit Anfang Mai ist die Luca-App, an deren Entwicklung Sänger Smudo von den Fantastischen Vier maßgeblich beteiligt war, mit allen Gesundheitsämtern in Baden-Württemberg verbunden – so auch mit jenem des Rems-Murr-Kreises. Mit dem Etablieren dieser App, die personenbezogene Daten verschlüsselt und zentral erfasst, sowie weiterer digitaler Möglichkeiten der Registrierung einher ging die Hoffnung von Gastgebern, Gästen und Behörden, dass der Austausch von Kontaktdaten schneller und einfacher wird. Vielfach ist das in der Praxis tatsächlich der Fall. Daneben existiert weiterhin das aufwendige händische Erfassen und Verwalten von Registrierungsformularen – oft nach wie vor in Papierform.
Das Landratsamt begrüßt jedes Mittel, das hilft, die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen, Clusterinfektionen zu erkennen und möglichst schnell die engen Kontaktpersonen zu benachrichtigen, heißt es aus der Pressestelle. Da es mittlerweile eine größere Auswahl an Apps und Möglichkeiten für Nutzer und Betreiber gebe, um Kontaktdaten zu erfassen, könne sich jeder aussuchen, was für ihn am praktikabelsten sei. Eine Möglichkeit sei die Luca-App. Zu Testzwecken habe das Gesundheitsamt den Vorgang mehrmals durchgespielt, Echtdaten von Nutzern oder Betreibern wurden bislang aber nicht abgerufen – wahrscheinlich auch, so steht zu vermuten, weil die Luca-Einführung mit einem Sinken der Inzidenzzahlen einherging. Aus datenschutzrechtlichen Gründen gibt es auf Ebene des Gesundheitsamtes keinen Einblick, wie verbreitet die Luca-App im Rems-Murr-Kreis ist. Daher ist es auch schwer zu beantworten, ob sich die Luca-App in einzelnen Bereichen stärker etabliert hat als in anderen. Was man beim Landratsamt allerdings festgestellt hat: „Aus Support-Anfragen heraus kann man aber abschätzen, dass Luca für die Gastronomie praktikabler ist und Veranstalter oft mit personalisierten Tickets schon ein System zur Kontaktdatenerfassung haben.“
Die digitale Form scheitert oft anmangelndem Handyempfang.
Ein Blick in die Praxis der Betreiber: Vor dem Eingang zum Backnanger Freibad haben Badegäste die Wahl. Sie können sich an einen Stehtisch stellen, um dort bereitliegende Formulare in Papierform mit ihren personenbezogenen Daten auszufüllen. Oder sie können einen von zwei verschiedenen QR-Codes mit ihrem Smartphone scannen, um ihre Daten auf digitale Weise abzugeben. Das Wonnemar nutzt dafür zwei Systeme: Der eine QR-Code führt auf die Internetseite des Bades und dort auf einen Erfassungsbogen. Der andere registriert den Badegast über die Luca-App. „Wir nutzen die Luca-App erst seit zwei Wochen“, sagt Markus Dechand. „Viele Badegäste haben danach gefragt“, so der Wonnemar-Chef über den Grund, die Luca-App zusätzlich zum bereits bestehenden QR-Code, für den sich der damalige Wonnemar-Betreiber bereits im vergangenen Jahr entschieden habe, anzubieten. Bereits nach den ersten Tagen der Nutzung hat Dechand festgestellt: „Der Zuspruch zur Luca-App ist da. Sie wird fast besser angenommen als unser eigener QR-Code.“ So oder so hat die digitale Form der Erfassung personenbezogener Daten im Wonnemar allerdings ihre Grenzen: Sie scheitert oft an mangelndem Handyempfang, der wiederum vom Smartphone-Gerät an sich als auch vom Netzbetreiber abhängt. „Das ist unser Problem hier hinten im Tal“, sagt Dechand. Dann greifen Badegäste zu Stift und Registrierungszettel und geben das ausgefüllte Formular an der Kasse ab. Gäste im fortgeschrittenen Alter würden diese Methode ohnehin gern nutzen. „Meine rein persönliche Wahrnehmung ist, dass überwiegend tatsächlich die Zettel verwendet werden“, sagt Dechand und lacht angesichts des täglich entstehenden Papierberges. „Die Datentonne wird schnell voll.“ Da hinein, in die unter Verschluss gehaltene Rolltonne, wandern nach Ablauf der vorgeschriebenen Archivierungszeit alle Zettel in geschredderter Form.
Die Erfahrung, dass das Nutzen einer digitalen Möglichkeit der Kontaktdatenerfassung vom Alter des Besuchers abhängig ist, hat auch Johannes Ellrott im Rahmen der Veranstaltungen des Backnanger Kultursommers gemacht. „Ältere Besucher sind dankbar, wenn sie die klassischen Zettel nutzen können“, sagt der Kulturamtsleiter. Das Verhältnis zwischen digitalem und papierenem Kontaktbeleg ließe sich zwar gut ableiten, indem man im Nachgang einer Veranstaltung die Zettel zähle. Die Stadt Backnang habe diese bislang aber nur archiviert und werde sie anschließend vernichten. In der Einlasspraxis zu Veranstaltungen des Kultursommers habe sich die Luca-App bewährt. „Es hat super funktioniert und es wurde sehr gut angenommen.“ Nicht zuletzt aufgrund dieser positiven Erfahrung hat das Backnanger Bandhaus für seine Veranstaltungen im Rahmen des Kultursommers das Registrierungskonzept übernommen. „Wir haben uns jetzt erst als Veranstalter bei der Luca-App angemeldet, was sehr unkompliziert war“, sagt die Bandhaus-Leiterin Juliane Putzmann. Aus Sicht des Nutzers sei die App eine gute Möglichkeit, sich einzuloggen.
Die Registrierung bedeutetimmer noch personellen Aufwand.
Einer, der sich von Anfang an für den Einsatz der Luca-App starkgemacht hat, ist Thomas Weber, der in Spiegelberg-Großhöchberg das Theater Kabirinett mit angeschlossenem Biergarten betreibt. Schon im März, noch bevor die App mit dem Gesundheitsamt verbunden war, hatte er sie auf seinem Smartphone installiert und einen QR-Code für seine Gäste zur Selbstregistrierung am Theater angebracht. Er ist nach wie vor überzeugt: „Wer die Luca-App installiert hat, ist von der Funktion, wie schnell und einfach es sein kann, angetan. Für den Biergarten bin ich zufrieden mit den Möglichkeiten dieser App.“ Dennoch registrieren er und seine Mitarbeiter rund ein Drittel bis die Hälfte der Gäste händisch – über das Kontaktformular, das die Luca-App bietet. „Es ist immer noch ein personeller Aufwand. Ganz ohne Personal geht es nicht.“ Was Weber erstaunt, ist, dass die App auch vielen jungen Menschen nicht bekannt ist. „Es ist auch bei Leuten Anfang 30 so: Entweder sie kennen Luca nicht oder sie nutzen die App nicht oder sie lernen sie bei uns erst kennen.“ Unabhängig vom Alter lehnen manche Gäste die digitale Erfassung personenbezogener Daten prinzipiell ab. Was Weber als „ärgerlich“ bezeichnet, ist, dass die Luca-App nicht mit der Corona-Warn-App kommuniziert. Täte sie es, würde sich der Anteil derer, die man nicht mehr händisch erfassen müsste, erhöhen. Verbesserungsbedarf in der Anwendung sieht er darin, dass das mit dem automatischen Log-out, den Luca anbietet, nicht immer funktioniert. Oder die App-Nutzer unter den Gästen vergessen, sich abzumelden. Den Log-out der Leute übernimmt Weber dann am Abend.