ZfP-Randalierer muss wegen Attacke auf Ärztin in die Psychiatrie
Der Mann wird wegen versuchten Totschlags verurteilt. Richter: „Sie sind kein Verbrecher, Sie sind ein kranker Mensch.“

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Von Heike Rommel
Winnenden/Waiblingen. Das Stuttgarter Landgericht hat den Waiblinger, der eine Ärztin im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Winnenden schwer verletzt hat, wegen versuchten Totschlags verurteilt und dessen Unterbringung in der besonders gesicherten Psychiatrie für Straftäter angeordnet. Ins Urteil flossen mit ein, dass der 31-Jährige auch seine Mutter und anderes ZfP-Personal geschlagen beziehungweise getreten hat.
Die Verurteilung der Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Norbert Winkelmann stützt sich auf ein von der Staatsanwaltschaft beantragtes psychiatrisches Gutachten von Barbara Stitzel vom ZfP Ravensburg-Weissenau, wo der 31-Jährige bereits vorläufig untergebracht worden war.
Mann leidet laut Ärztin an „halluzinativer Schizophrenie“
Sie stellte dem überdauernd an „halluzinativer Schizophrenie“ Erkrankten eine ungünstige Kriminalprognose. Bei diesem Patienten fehle die Krankheitseinsicht komplett. Barbara Stitzel befürchtet, dass der Mann seine Medikamente sofort absetzen würde, wenn er aus der geschlossenen Psychiatrie entlassen würde.
Den Fußtritt ins Gesicht der ZfP-Ärztin, die bereits durch Faustschläge zu Boden gegangen war und gerade wieder aufstehen wollte, bezeichnete Staatsanwalt Timo Kaufmann als „Elfmetertritt“. Der Orbitabodenbruch hätte durchaus den Tod der 61-Jährigen herbeiführen können, die nach Informationen des Gerichts mittlerweile einen anderen Aufgabenbereich im ZfP übernommen hat.
Selbst für die Verteidigerin Saskia Hölscher ging in diesem Fall kein Weg an der Unterbringung ihres Mandanten vorbei. Sie sprach von einem „staatlichen Versagen“, denn der Hilferuf seiner Mutter nach einer Betreuung für ihren Sohn sei nicht erhört worden. Die Straftaten, so Hölscher, seien nicht Produkt eines bösen Willens, sondern einer schweren Krankheit, die der Betroffene nicht zu erkennen vermöge. Töten wollen habe der Waiblinger die Winnender Ärztin nicht. Er habe auch nicht verstanden, warum er sich vor Gericht für ein Tötungsdelikt zu verantworten hat. Der Wunsch der Verteidigung: „Unterbringung bitte mit der Überschrift versehen, dass er nach einer Heilung wieder ein Leben in Freiheit führen kann.“
Richter Norbert Winkelmann betonte bei der Urteilsverkündung am gestrigen Dienstag, dass der 31-Jährige aufgrund von „Fehlinterpretationen“ der Realität Straftaten begangen hat, die er gar nicht begehen wollte. Im Maßregelvollzug müsse dieser nun so lange bleiben, bis er in einen Zustand komme, in dem er sich draußen bewegen kann, ohne seine Mitmenschen zu gefährden. „Wichtig ist, dass Sie mitmachen“, appellierte der Richter an den Verurteilten, den Ärzten zu vertrauen, die ihm nichts Böses wollten. „Wir sehen im Moment kein milderes Mittel als diese Unterbringung“, führte Winkelmann aus. Der Waiblinger habe auf der Weissenau aber noch einen sehr weiten Weg vor sich.
Tod der Ärztin war nicht beabsichtigt, wurde aber in Kauf genommen
Mit „Fehlinterpretationen“ meinte er zum Beispiel, dass sich der Kranke vorgestellt hat, seine Mutter wolle ihn umbringen und dass sich das Personal im ZfP Winnenden gegen ihn verschworen hätte.
Den Tod der ZfP-Ärztin habe der Erkrankte nicht beabsichtigt, jedoch billigend in Kauf genommen, wenngleich nach dem Gutachten der Tübinger Gerichtsmedizinerin Adina Schweickhardt keine konkrete, sondern nur eine abstrakte Lebensgefährdung bestanden habe.
„Sie sind kein Verbrecher, sondern ein kranker Mensch“, stufte Richter Norbert Winkelmann den 31-Jährigen bei allen Taten als steuerungsunfähig, schuldunfähig und einsichtsunfähig ein. Dass er seine eigene Krankheit nicht erkennt, zeigte sich auch am letzten Verhandlungstag. Denn der Mann sprach während der fünf Verhandlungstage kaum etwas, warf aber dann in die Urteilsverkündung ein: „Ich glaube nicht, dass ich eine Erkrankung habe.“