Zu viele Überläufer
Die deutsche U-21-Nationalmannschaft kämpft immer auch gegen Abwerbungsversuche anderer Länder. Aktuell geht es um Paul Wanner.
Von sid
Frankfurt - Paul Wanner fehlt. Antonio Di Salvo hatte den Jungstar des 1. FC Heidenheim schon nominiert, an diesem Mittwoch hätte der 18-Jährige sein Debüt für die deutsche U 21 geben sollen – doch der Mittelfeldspieler sagte ab. Weil er eine Pause brauche, sagte DFB-Trainer. Und nicht, weil Wanner künftig für Österreich spielen wolle, wie manch einer schon geunkt hatte.
Möglich wäre das: Wanner ist in Österreich geboren, seine Mutter ist Österreicherin. Im November 2022 hatte er einmal mit der Mannschaft von Teamchef Ralf Rangnick trainiert, der ihn weiter umgarnt. Doch bislang steht die Entscheidung für den DFB, erst im März spielte Wanner für die deutsche U 20. „Alles andere zählt für mich nicht“, sagte Di Salvo vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Israel (18 Uhr/ProSieben MAXX).
Im Hintergrund dürfte der Kampf um Wanner aber weiter gehen. Denn in der U 21 wurden schon oft die Weichen gestellt, und oft ging dieser Kampf verloren: Lasar Samardzic etwa spielte noch Ende 2022 für das DFB-Team, dann zog es ihn nach Serbien. Malik Tillman entschied sich für die USA, Josip Stanisic für Kroatien. In alle Spieler hatte der DFB teils mehrere Jahre investiert.
„In letzter Zeit hat uns der eine oder andere verlassen. Es ist ihr gutes Recht zu entscheiden, für welches Land sie spielen möchten. Für uns ist das aber schade und enttäuschend“, hatte Di Salvo schon vor einem Jahr gesagt: „Man baut Vertrauen und Bindung auf. Manchmal sind uns auch die Hände gebunden, wenn Nationen die Karte A-Nationalmannschaften spielen.“
Auch aus der aktuellen U 21 könnten Ansgar Knauff (Ghana), Paul Nebel (Irland), Nicolo Tresoldi (Italien, Argentinien), Bright Akwo Arrey-Mbi (Kamerun) und Nathaniel Brown (USA) für andere Teams spielen. „Wir haben uns dem Thema jetzt gewidmet. Wir wollen noch früher mit den Spielern sprechen, zu den Eltern und Beratern eine Bindung schaffen“, so Di Salvo. Aber, auch das stellte er klar: Am Ende werde er jede Entscheidung respektieren.
Zumal es auch umgekehrt geht. Der damalige U-21-Coach Stefan Kuntz etwa verbrachte einst zwei Tage bei der Familie von Lukas Nmecha in Manchester, um den Stürmer von einem Wechsel zum DFB zu überzeugen. Auch Jamal Musiala ging den Schritt von England nach Deutschland. „Es zählt immer der Spieler – das, was er fühlt, das, was er machen möchte“, sagt Di Salvo.
Wanner jedenfalls fühlt sich aktuell dem DFB verbunden, doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Als er nach seinem starken Saisonstart zuletzt bei Instagram ein Foto postete, war es Österreichs Kapitän Marcel Sabitzer, der als Kommentar eine Austria-Fahne hinterließ – und prompt eine neue Diskussion auslöste.