Zu wenig Wasser in der Murr
Klimawandel, Erderwärmung und zu wenig Regen machen auch dem Fluss zwischen Murrhardt und Backnang schwer zu schaffen.

Für Enten am Bleichwiesenparkplatz in Backnang reicht der Wasserstand noch aus. Foto: K. Doberer
BACKNANG (gg/flo). „Die Murr misst an der Messstelle in Oppenweiler derzeit 15 Zentimeter Tiefe, obwohl infolge der Rekordhitze von 2018, die der Murr einen historischen Tiefstand bescherte, der durchschnittliche Pegelstand schon auf 16 Zentimeter abgesunken war“, berichtet der Landtagsabgeordnete Gernot Gruber. Der klimaschutzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion hatte sich besorgt an das Umweltministerium gewandt und nun eine die Sorgen bestätigende Antwort erhalten.
„Die Anzahl der Tage pro Jahr, an denen der Wasserstand von 16 Zentimeter unterschritten wird, hat im Zeitverlauf von 2000 bis 2019 zugenommen. Im Zeitraum 2000 bis 2009 wurde im Mittel an sechs Tagen pro Jahr ein Wasserstand von 16 Zentimeter unterschritten, im Zeitraum von 2010 bis 2019 lag die Anzahl der Unterschreitungstage im Mittel bei 23 Tagen pro Jahr“, teilt Umweltminister Franz Untersteller mit.
„Unter anderem ist in der Murr der Fischbestand gefährdet.“
Klimawandel und Erderwärmung und zu wenig Regen machen dem Ökosystem der Flüsse, dem Wald, der Landwirtschaft und der Natur schwer zu schaffen. „So ist in der Murr unter anderem der Fischbestand gefährdet“, sagt Gruber. Bachforellen, Groppen und Elritzen haben sich aus dem Oberlauf der Murr weitgehend zurückgezogen, so seine Beobachtung beziehungsweise Information. „An trockenen Hitzetagen ist der Wasserbedarf oftmals höher als der Wasservorrat“, sagt der Landtagsabgeordnete mit Verweis auf die Landwirtschaft, deren Getreide, Obst und Gemüse ohne ausreichend Regen oder Bewässerung schlicht verdorren würde. Da an solchen Tagen die Murr wenig Wasser führt, sollte ihr dann kein Wasser entnommen werden. Andererseits ist auch eine Entnahme aus dem Grundwasser kritisch, weil ein weiteres Absinken des Grundwasserspiegels auch den Wasserpegel der Murr absinken ließe und zu geringe Niederschlagsmengen den Grundwasservorrat nicht wieder auffüllen.
Ein klassisches Dilemma, aus dem auch das Ministerium keinen Ausweg bietet. Es empfiehlt, je nach Einzelfall zu entscheiden, ob Wasser aus den Flüssen oder aus dem Grundwasser entnommen werden muss. „Doch um diese Entscheidung ökologisch sinnvoll treffen zu können, sollte der Grundwasserspiegel im Einzugsgebiet der Murr bekannt sein – aber zwischen Murrhardt und Kirchberg gibt es bislang keine einzige Messstelle“, beklagt Gruber.
Sein Vorschlag, Hochwasserrückhaltebecken wie bei der Edertalsperre als Zisternen zur Speicherung von Wasser zu nutzen, sieht das Ministerium skeptisch. Befände sich Wasser in den Becken, könnten sie die Funktion des Schutzes vor Hochwasser, für die sie ausgelegt sind, nicht mehr voll erfüllen.
„Derzeit können Kommunen nur den Verbrauch insgesamt einschränken.“
Der Abgeordnete moniert darüber hinaus das Fehlen abgestimmter Wasserentnahmen aus der Murr in Dürrephasen. „Derzeit können Kommunen nur den Verbrauch insgesamt einschränken.“
Bezüglich der Bewässerung von Feldern und Äckern im Klimawandel stellt die Landesregierung Gruber in ihrem Schreiben einen Maßnahmenplan für ein Niedrigwassermanagement bis Ende 2022 in Aussicht. In diesem Zusammenhang will sie auch mit vom Landwirtschaftsministerium geförderten Pilotvorhaben Wasserspeicher auf landwirtschaftlichen Flächen testen. Hier schließt sich dann doch der Kreis zu Grubers Vorschlag, Hochwasserrückhaltebecken in absehbar regenärmeren Zeiten auch als Wasserspeicher für Bäche und Flüsse oder die Landwirtschaft zu nutzen.