Deutsche Bahnrad-sprinterinnen

Bronze nach irrer Weltrekord-Show

Die favorisierten deutschen Bahnradsprinterinnen Emma Hinze, Lea Sophie Friedrich und Pauline Grabosch verpassen Olympia-Gold und sind trotzdem zufrieden – weil sie sich nichts vorzuwerfen haben.

Lächeln mit Bronze (v.li.): Emma Hinze, Lea Sophie Friedrich und Pauline Grabosch

© dpa/Jan Woitas

Lächeln mit Bronze (v.li.): Emma Hinze, Lea Sophie Friedrich und Pauline Grabosch

Von Jochen Klingovsky

Pauline Grabosch saß auf der Rolle, die Beine drehten sich mechanisch, der Oberkörper war weit nach vorne gebeugt, ihr Kopf auf die Unterarme gestützt. In ihrem Blick zeigte sich eine große Leere, und ein bisschen auch Verständnislosigkeit über das, was im National Velodrome in Saint-Quentin-en-Yvelines passiert war: Die Zuschauer hatten im Viertelfinale eine irre Weltrekord-Show gesehen – mit drei deutschen Gewinnerinnen, die gleichzeitig verloren hatten. Eine von ihnen, Pauline Grabosch, schüttelte den Kopf, klatschte sich mit der flachen Hand zweimal kräftig auf die Wangen. Der Wettkampf musste ja weitergehen, irgendwie.

Vor dem kleinen Finale schafften es die deutschen Teamsprinterinnen, sich noch einmal zu fokussieren. Gegen die Niederlande holten sie souverän Rang drei. Und erklärten anschließend, dies sei weit mehr als nur ein kleines Trostpflaster. „Wir haben ganz klar Bronze gewonnen“, erklärte Pauline Grabosch, „wer das nicht versteht, der weiß nicht, wie es sich anfühlt, eine Medaille um den Hals zu tragen.“

Breitseite der Konkurrenz

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Emma Hinze, Lea Sophie Friedrich und Pauline Grabosch, die Weltmeisterinnen der Jahre 2021, 2022, 2023 und 2024, mit dem Anspruch angetreten waren, diese Serie nun mit den Olympiasieg zu krönen. „Wir wollen Gold“, hatten sie erklärt. Und Hinze, die mit Friedrich vor drei Jahren in Tokio (damals starteten noch Zweier-Mannschaften) ganz knapp von China geschlagen worden war, fügte sogar noch hinzu: „Wir haben mit den Spielen eine Rechnung offen.“ Beglichen ist diese immer noch nicht.

Im ersten Bahnrad-Wettbewerb von Paris 2024 bekam das deutsche Trio schon im Vorlauf eine Breitseite der starken Konkurrenz verpasst. Neuseeland war fünf Hundertstel Sekunden schneller, und Großbritannien fuhr gleich mal einen Weltrekord (45,472). Schon zu diesem frühen Zeitpunkt zeichnete sich ab, dass das Sieger-Team schneller als je zuvor würde fahren müssen. Prompt folgten gleich danach weitere Bestmarken.

Der Modus im Teamsprint ist etwas seltsam. Was auf dem Papier aussieht wie ein Viertelfinale, ist in Wahrheit ein weiterer Team-Sprint um die beste Zeit. Denn die vier Sieger kommen in die Medaillenrennen – die zwei schnellsten ins Finale, die zwei langsameren ins Rennen um Platz drei. Deutschland traf auf die chancenlosen Mexikanerinnen, fuhr in 45,377 Sekunden den zweiten Weltrekord des Abends und wähnte sich auf Kurs. Allerdings nur ganz kurz.

Der Traum von Gold platzt

Denn die Neuseeländerinnen schlugen in ihrem Viertelfinale gegen Polen zurück – mit dem nächsten Weltrekord von 45,348 Sekunden. Für die Britinnen, die zum Abschluss auf Kanada trafen, war nun klar: Um am Ende den Sieg holen zu können, müssen sie in der unglaublichen Show noch einen draufpacken. Gedacht, getan: In neuer Weltrekordzeit von 45,338 Sekunden bretterten sie ins Finale. Zurück blieben drei konsternierte deutsche Supersprinterinnen: der Traum vom Olympia-Gold war geplatzt, ohne dass sie sich das Geringste vorzuwerfen hatten.

Die Britinnen wären an diesem Abend allerdings wohl ohnehin nicht zu schlagen gewesen. Friedrich, Hinze und Grabosch holten sich in 45,400 Sekunden Bronze – und die Konkurrentinnen von der Insel setzten mit einem weiteren Weltrekord (45,186 Sekunden) den Schlusspunkt unter einen rasanten Abend. „Es ist noch eine junge Disziplin, und bei Olympia läuft immer alles auf einem ziemlich hohen Niveau ab. Da können Bestmarken schon fallen“, meinte Bundestrainer Jan van Eijden, der seinem Team keinen Vorwurf machte. Ganz im Gegenteil: „Bronze bei den Spielen, das bekommt nicht jeder hin. Wir wollten so schnell sein wie nie zuvor, das ist uns gelungen. Sehr ärgerlich, dass es nicht zu mehr gereicht hat, andererseits zeigt dies, wir hoch und dicht das Niveau ist.“ Die Britinnen seine „saustark“ gefahren, das müssen man anerkennen: „Für uns geht es jetzt darum, Bronze zu feiern und uns auf den Mittwoch vorzubereiten.“

Dann beginnen in Paris die Einzelrennen der Sprinterinnen. Es ist die nächste Chance, alte Rechnungen zu begleichen.

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Erstellt:
5. August 2024, 21:40 Uhr

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