Erste Schritte auf dem Weg nach oben
Serie Talente suchen, finden, fördern (Folge 5) TSG-Turnerin Amelie Schilling hat den Sprung in den Bundeskader geschafft. Um auf den Spuren ihrer Vorbilder wie Emelie Petz wandeln zu können, trainiert die Winnenderin derzeit sechsmal die Woche rund dreieinhalb Stunden.
Von Uwe Flegel
Sie ist unterwegs. Einmal mehr steht für Amelie Schilling ein Wochenende im Zeichen des Sports. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern, zählt die Neunjährige von der TSG doch zu den großen Turntalenten in Deutschland. Gerade macht sie die ersten kleinen Schritte auf dem Weg, in die Fußstapfen von erfolgreichen Backnanger Athleten wie die Olympiastarter Michaela Semsch, Katharina Menz und vor allem die Turner Sebastian Krimmer sowie Emelie Petz zu treten. Seit dem vergangenen Jahr gehört Amelie dem Bundeskader an.
Deshalb hat die Viertklässlerin aus Winnenden gestern Morgen auch nicht den Weg in die Grundschule Schelmenholz angetreten, sondern fuhr zu einem Lehrgang nach Frankfurt am Main. Wer im Turnen an die Spitze kommen will, verbringt eben viel Zeit in Sport- und Trainingshallen. Bei der jungen Winnenderin sind es derzeit sechsmal pro Woche gut drei Stunden. Für Amelie Schilling bedeutet das in erster Linie Vergnügen. „Das Turnen macht mir sehr viel Spaß“, sagt die Neunjährige und findet es „toll, dass ich im Wettkampf zeigen darf, was ich kann.“ Deshalb: „Wenn ich beim Training runter- oder hinfalle, dann übe ich so lange, bis ich’s kann.“ Sätze, bei denen Mutter Yvonne stolz ist und trotzdem ein wenig schmunzelt. Sätze, die ihre Tochter aber offenbar gut beschreiben: „Amelie ist ehrgeizig und sehr diszipliniert.“ Bietet die Notwendigkeit der Erledigung von Hausaufgaben in so mancher Familie durchaus Stoff für Diskussionen, herrscht im Hause Schilling dahingehend Langeweile. „Das macht sie alles selbstständig“, erzählt die Mama.
Mit neun Jahren bereits erstaunlich wortgewandt und sehr selbstständig
Überhaupt sei ihre Tochter niemand, die eine ständige Rundumbetreuung beanspruche. Die Familie ist bei Wettkämpfen als Zuschauer und Daumendrücker gerne willkommen, aber bei Lehrgängen und Training braucht die Hochtalentierte weder Dauerbegleitung noch Antreiber. „Sie macht das alleine“, berichtet Yvonne Schilling. Das Gespräch mit dem fremden Fragesteller ist dann auch keine verstockte Angelegenheit. Für eine erst Neunjährige präsentiert sich Amelie erstaunlich offen und wortgewandt. Wobei der erste mehrtägige Lehrgang ohne die Familie „schon ein bisschen schwierig für mich war“. Gut ist sicher auch, dass bei den vielen Übungseinheiten am Olympiastützpunkt mit der Backnangerin Eva Gier eine Trainerin dabei ist, bei der sie als Fünfjährige mit dem Turnen bei der TSG begann. „Das mit Amelie und Eva hat sofort gepasst“, blickt die Mutter auf die Anfänge in Backnang zurück.
Entdeckt worden sei das Talent ihrer Tochter beim Mutter-Kind-Turnen der SV Winnenden. „Die Übungsleiterin Angelika Pfleiderer hat mich angesprochen, dass sie Amelie für richtig begabt hält und ich sie doch bei einem geeigneten Verein anmelden soll“, erzählt Yvonne Schilling, die bei der SV Remshalden als Mädchen selbst geturnt, vor allem aber lange Handball gespielt hat. Es dauerte aber ein Weilchen und benötigte weitere Ermunterungen Pfleiderers, ehe Mutter und die damals noch in den Kindergarten gehende Tochter den Weg in die Talentschmiede im Murrtal fanden.
Viereinhalb Jahre später zählt die junge Winnenderin deutschlandweit in ihrer Altersklasse zu den großen Hoffnungen und freut sich, wenn sie im Training in Stuttgart ab und zu ihre Vorbildern Elisabeth Seitz, Kim Bui sowie Emelie Petz, die ja zudem noch ihre Vereinskollegin ist, sieht. Wobei sie sich sehr gerne und oft auf Youtube auch Videos von anderen Größen der Turnszene wie dem US-amerikanischen Superstar Simon Biles anschaut. Eigentlich logisch, dass so jemand vom Start bei Olympischen Spielen träumt. „Daran denke ich bislang noch nicht“, antwortet die Neunjährige. Der Spaß am Turnen und an erfolgreichen Wettkämpfen sei das, was sie wolle.
Schritt für Schritt soll es vorangehen. Deshalb steht derzeit die Überlegung an, wie es für die Viertklässlerin nach dem Sommer schulisch weiter geht. Die Familie weiß, dass Training und Schule an einer Eliteschule des Sports in Stuttgart einfacher zusammen zu bringen sind, das Gymnasium in Winnenden aber Heimat und kürzere Wege bedeutet. „Noch haben wir uns nicht entschieden“, sagt Yvonne Schilling und erzählt: „Von der Leitung und den Lehrern der Grundschule Schelmenholz werden wir toll unterstützt, wenn wegen des Turnens mal eine Schulbefreiung benötigt wird.“ Wobei klar ist, dass Amelie Schilling bei weiteren Erfolgen noch viel mehr Wochenenden im Zeichen des Sports verbringt und noch deutlich öfter unterwegs sein wird.
In der Serie Talente suchen, finden, fördern berichten wir, was es braucht, um es vom kleinen zum großen Sportler zu bringen. Unter anderem geht’s um Sichtung und Training in Vereinen und Verbänden sowie vor allem um den langen Weg nach ganz oben.